15.02.2019
Framing als Dienst am Gemeinwohl
Mit Hilfe von Sprachtricks will die ARD ihr Imageproblem bekämpfen. Aber die Vertrauens- und Glaubwürdigkeitskrise des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist weder ein Problem der Semantik, noch lässt sie sich auf der semantischen Ebene lösen.
In Sachen Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks macht uns hier in Deutschland so schnell niemand was vor. Jeder Haushalt muss monatlich 18 Euro (also 216 Euro jährlich) – wählen Sie je nach sprachlich-politischer Präferenz – Rundfunkbeitrag, GEZ-Gebühr, Demokratieabgabe oder Zwangsgebühr bezahlen. Macht insgesamt stolze 8 Milliarden Euro. Damit werden laut Wikipedia unter anderem 22 Fernseh-, 67 Radiosender und eine Vielzahl von Online-Plattformen mit insgesamt mehr als 25.000 festen Mitarbeitern finanziert. Dazu kommen noch 16 Orchester, acht Chöre und, wie wir seit Kurzem wissen, auch ein wohl nicht ganz billiges von der ARD in Auftrag gegebenes sog. „Framing-Manual“. Was hat es damit auf sich?
Ein Manual ist bekannterweise ein Handbuch, ein Leitfaden oder eine Gebrauchsanweisung. Etwas schwieriger zu fassen ist der Begriff „Framing“. Laut Duden-Kurzdefinition geht es um die „Einbettung eines Themas in einen subjektiven Deutungsrahmen“. Mit Hilfe dieser Kommunikationstechnik wollen Akteure öffentliche Debatten im Sinne ihrer Ziele und Überzeugungen beeinflussen – etwa indem neue Begriffe in laufende Diskussionen einführt werden: Was für die einen das „Betreuungsgeld“ ist firmiert für andere als „Herdprämie“, aus „Kriegsflüchtlingen“ werden „Asyltouristen“ usw. Dieser Kampf um Worte ist alles andere als neu. In früheren Zeiten nannte man das mal Propaganda.
Der ARD ging es wohl selbst vor allem um eine Korrektur ihres angestaubten und zudem durch Lügenpresse- und Flüchtlingsdebatten arg ramponierten Images. Auf ca. hundert Seiten werden im „Framing-Manual“ Vorschläge unterbreitet, wie mit Hilfe sprachlicher Tricks, die Außenwahrnehmung des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks aufgehübscht werden kann, oder freundlicher formuliert: wie „Sie Ihre Mitbürger dazu bringen ..., den Mehrwert der ARD zu begreifen“. Statt von öffentlich-rechtlichen Medien solle man lieber von „Gemeinwohlmedien“ sprechen, die einen wichtigen demokratischen Auftrag erfüllen. Man könne auch vom „gemeinsamen, freien Rundfunk ARD“ sprechen. Im Gegensatz dazu stehen die fiesen private Medien, die mit Freiheit und Demokratie nach Meinung der Verfasser wohl nicht so viel am Hut haben: Laut Manual sollen sie „Kommerzsender“, „profitwirtschaftliche Sender“ oder gar „medienkapitalistische Heuschrecken“ heißen.
„Weder ist die Vertrauens- und Glaubwürdigkeitskrise des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein Problem der Semantik, noch lässt sie sich auf der semantischen Ebene lösen.“
Von dem hier anklingenden problematischen Verständnis von Pressefreiheit mal abgesehen: Es ist im Prinzip schon okay, dass der öffentliche-rechtliche Rundfunk PR in eigener Sache betreibt (oder Propaganda, je nachdem welchen „Frame“ man hier lieber setzen möchte). Allerdings sollte man nicht davon ausgehen, dass die Probleme der Öffentlich-Rechtlichen sich mit Hilfe von semantischen Sprachspielen lösen lassen. Eher im Gegenteil: Das Misstrauen der Bürger dürfte so eher wachsen. Denn das eigentliche Problem geht tiefer.
Weder ist die Vertrauens- und Glaubwürdigkeitskrise des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein Problem der Semantik, noch lässt sie sich auf der semantischen Ebene lösen. Und sie besteht auch nicht erst, seitdem von Pegida und AfD-Umfeld die tatsächlich stark verkürzte und ziemlich dümmliche Polemik gegen die „Lügenpresse“ angestimmt wurde. Seit langem ändern sich die Mediennutzungsgewohnheiten radikal. Immer weniger Menschen interessieren sich für die Angebote der Öffentlich-Rechtlichen. Jüngere Menschen schauen Serien und Filme bei Netflix und hören Musik bei Spotify. Aber auch an politischer Deutungsmacht haben ARD und ZDF eingebüßt. Immer mehr Bürger nutzen jetzt vielfältige Internetquellen zur Information und Meinungsbildung. Während die Bedeutung der öffentlich-rechtlichen massiv erodiert, steigen ihre Gebühreneinnahmen und ihr Geltungsbedürfnis immer weiter. Dieser Widerspruch ist vielen Bürgern zu Recht nicht mehr vermittelbar.
Man muss weder AfDLer, Pegidist oder Hardcore-Libertärer sein, der staatlich finanzierte Medien rundweg ablehnt, um anzuerkennen, dass unter dem Label des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein absurd aufgeblähter Apparat entstanden ist, der wie jeder bürokratische Apparat zuvorderst nicht das „Gemeinwohl“ oder den viel zitierten Bildungsauftrag im Blick hat, sondern ein starkes Interesse am Erhalt der eigenen Pfründe. Und man lehnt sich auch nicht zu weit aus dem Fenster, wenn man öffentlich-rechtlichen einen gewissen rot-grünen sowie Merkel-CDU-freundlichen Bias unterstellt. (Schauen Sie einfach mal probehalber ein paar Tage das Heute-Journal).
Gerade öffentlich-rechtliche Journalisten begreifen sich häufig nicht mehr als neutrale Berichterstatter, sondern gerieren sich als Aktivisten, die mit allen Mitteln – Framing inbegriffen - ihren medialen Einfluss nutzen, um Politik zu machen. Glücklicherweise stößt immer mehr Menschen dieser Hang zu Moralisierung und Volkspädagogik ab. Wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht jegliche Daseinsberechtigung verspielen will, sollte er sich auf seine journalistischen Kernkompetenzen fokussieren: objektive Berichterstattung, klare Trennung von Nachricht und Kommentar und nicht zuletzt auch ein spannendes und unterhaltsames Programm. Kurzum: Den Fokus auf Inhalte, nicht auf Worte legen.