10.12.2008

Stay Gold! Enthaltsam für die Volksgesundheit

Kurzkommentar von Johannes Richardt

Am 5. Dezember startete eine bundesweite Initiative der Polizei gegen das sogenannte „Komasaufen“ bei Jugendlichen. Die Kampagne „Don't drink too much. Stay Gold!“ wird als Aufklärungskampagne über die Gefahren und unliebsamen Nebenwirkungen erhöhten Alkoholkonsums bei Jugendlichen präsentiert. Und wie fast immer, wenn es um die staatliche Einmischung in die Gestaltung individueller Lebensstile geht, war die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing (SPD), mit von der Partie.

Freunden der Daily-Soap „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“ dürfte Bätzing spätestens seit ihrem dortigen drogenpolitisch motivierten, aber doch eher peinlichen Gastauftritt bekannt sein. Zudem hat sie sich als wackere Vorkämpferin im Kreuzzug gegen die Freiheitsrechte von Millionen von Rauchern und Gastwirten einen Namen gemacht. Mit dem Thema Alkohol scheint sich Bätzing jetzt eines weiteren Feldes anzunehmen, auf dem die Bürger durch gesetzliche Verbote und politisches Mikromanagement zu moralischem Wohlverhalten erzogen werden sollen. Bereits sei geraumer Zeit fordert sie ein Verbot von Alkoholwerbung vor 20 Uhr, und eifrig bastelt sie an einem gesellschaftlichen Klima, das sich auch im Umgang mit Alkoholkonsum immer mehr durch Verbote und Restriktionen auszeichnet.

Auch die „Stay-Gold“-Kampagne ist in diesem Kontext zu begreifen. Denn anstatt auf klare Argumente zu setzen, die Jugendliche als willens- und vernunftbegabte Subjekte ernst nehmen würden – was ja angezeigt wäre, wo doch 16-Jährige gleichzeitig aus Sicht vieler Politiker das Wahlrecht erhalten sollen –, arbeitet die Kampagne mit dummer Effekthascherei und einer schwer erträglichen, anbiedernden Pseudo-Jugendlichkeit, um Jugendliche für die Enthaltsamkeitsbotschaft empfänglich zu machen. Die Kampagne offenbart ein Politikverständnis, das Menschen in erster Linie als Objekte technokratischer Intervention betrachtet, deren Verhalten durch das Drehen bestimmter Bewusstseinsschrauben willkürlich manipuliert werden kann.

Die Website der Kampagne (www.staygold.eu) setzt auf visuelle Schockeffekte zur Bewusstseinsbildung der Zielgruppe. Auf Videos, Plakaten und Bierdeckeln sieht man in ihrem erbrochenen liegende, eingenässte oder blutig geschlagene Menschen. Offenbar sollen die Jugendlichen hierdurch in ihrer Selbsteinschätzung verunsichert werden und sich als verletzliche Opfer des unkontrollierbaren Rauschs begreifen, wodurch sie dann vielleicht leichter auf den Pfad der Tugend zurückzuführen sind. Ein sogenannter „Fettrechner“ soll den Usern zudem vor Augen führen, dass „Alkohol der Figur schadet“ und somit „keine guten Voraussetzungen für einen Waschbrettbauch“ hergibt. Der unter Jugendlichen grassierende Körperkult wird von den „Stay-Gold“-Sozialingenieuren ebenfalls im Sinne der Angstmache instrumentalisiert, indem durch die Furcht vor den dick und somit unattraktiv machenden Konsequenzen des Suffs eine Verhaltensänderung angeregt werden soll.

Auf die tatsächlich interessante Frage, wie viel ein durchschnittlicher Jugendlicher denn nun trinken könne, bevor er als betrunken gelte, weiß die Website leider auch keine Antwort. Fakten Mangelware! Es werden zwar Angaben bezüglich der empfohlenen Alkoholmengen bei Erwachsenen gemacht. „Aber Vorsicht: Die Empfehlung gilt nicht für Jugendliche, denn ihr Organismus und ihr Gehirn befinden sich noch in der Entwicklung.“ Tja, vielleicht sollte man Jugendlichen tatsächlich einfach die Chance geben, ganz ohne staatliche Empfehlungen und Bemutterungen, die für sie individuell richtige Menge Alkohol selbst herauszufinden.

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