02.04.2025

Eingeschlossene Gesellschaft

Von Sabine Beppler-Spahl

Titelbild

Foto: Alexandra_Koch via Pixabay / CC0

Fünf Jahre nach Beginn des ersten Corona-Lockdowns zeigt sich: Die katastrophale Politik von damals ist noch immer nicht richtig aufgearbeitet.

Die Lage sei ernst, erklärte die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer Fernsehansprache im März 2020, als sie den ersten Lockdown in Deutschland ankündigte. Die Maßnahme wurde als vernünftig und notwendig dargestellt, um die Ausbreitung des tödlichen, neuartigen Corona-Virus durch die Verringerung des menschlichen Kontakts zu verlangsamen. Diese Erklärung ging jedoch am Kern dessen vorbei, was vor fünf Jahren wirklich geschah. Der Lockdown war vielmehr die Folge einer apokalyptischen Stimmung, die die Eliten in vielen westlichen Ländern erfasst hatte.

Es war keine besonnene Sorge um die öffentliche Gesundheit, sondern Hysterie, die die Machthaber dazu veranlasste, Rationalität und demokratische Normen aufzugeben und eine derart autoritäre und destruktive Politik zu verfolgen.

Covid-19 war weder die erste noch die tödlichste Pandemie der Neuzeit. Doch es war das erste Mal, dass Behörden landesweite Lockdowns verhängten und das öffentliche Leben komplett lahmlegten. Selbst Gesunde wurden unter Quarantäne gestellt. Ein britischer Berufungsrichter bezeichnete die Lockdowns als als die „vielleicht restriktivste Regelung des öffentlichen Lebens“ in der Geschichte.

Alle Veranstaltungen wurden abgesagt, Versammlungen jeglicher Art – auch solche, die im Freien stattfanden – verboten. Menschen sollten ihre Wohnungen nur noch aus triftigen Gründen verlassen. Schulen, Kitas und sogar Spielplätze wurden geschlossen, der Zugang zur Gesundheitsversorgung massiv eingeschränkt.

Zu den traurigsten Begleiterscheinungen gehörte, dass Patienten, die sich in dieser Zeit z.B. einer Krebsbehandlung unterziehen mussten, keine Besuche empfangen durften. Sie lagen oft wochenlang isoliert von ihren Familien im Krankenhaus. Viele starben einsam und ohne, dass sich ihre Liebsten von ihnen verabschieden konnten. Auch die Teilnehmerzahl bei Beerdigungen war begrenzt – zeitweise auf nicht mehr als fünf Personen. Die Menschlichkeit musste für die Durchsetzung des Lockdowns aufgegeben werden.

„Die autoritären Impulse, die hinter der Corona-Politik standen, zeigten sich vor allem bei der Durchsetzung der Vorschriften.“

Kurz: Der Sinn für Perspektive und Verhältnismäßigkeit war völlig verloren gegangen. Die autoritären Impulse, die hinter der Corona-Politik standen, zeigten sich vor allem bei der Durchsetzung der Vorschriften. Ältere Damen, die auf einer Parkbank saßen, wurden von der Polizei ermahnt. Wer den Mindestabstand nicht einhielt, wurde belangt. Gegen Bürger, die in Gruppen von mehr als zwei Personen unterwegs waren, wurden Anzeigen erstattet.

Die meisten Corona-Verordnungen, einschließlich der strafrechtlichen Sanktionen, wurden mit einem Minimum an parlamentarischer Kontrolle verabschiedet. Der Bundestag tagte zwar, aber unter stark eingeschränkten Bedingungen. Trotz empfindlicher Grundrechtseingriffe wurde das Bevölkerungsschutzgesetz im Eiltempo mehrfach verschärft. Kritiker, etwa aus der damaligen Linkspartei, warnten davor, fanden aber kaum Gehör. Zu den harten Strafen gehörte unter anderem eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bei „vorsätzlicher Verbreitung des Virus" – worunter auch Verstöße gegen das Versammlungsverbot fielen.

Die Möglichkeit, gegen diese repressiven Maßnahmen zu protestieren, wurde stark eingeschränkt oder ganz unterbunden. Selbst genehmigte Demonstrationen endeten mit Festnahmen und Polizeieinsätzen, bei denen Schlagstöcke, Wasserwerfer und Tränengas gegen die Demonstranten eingesetzt wurden. Statt die freiheitliche Demokratie zu verteidigen, forderten selbst Oppositionsparteien wie die Grünen noch schärfere Regeln. Im Januar 2021 beklagte Katrin Göring-Eckardt, die damalige Fraktionschefin der Partei, dass die Schutzmaßnahmen noch nicht ausreichten und im April 2021 verlangte die Partei noch weitergehende Ausgangsbeschränkungen.

Heute behaupten Befürworter der Lockdowns weiterhin, es sei alles zur Rettung von Menschenleben geschehen. Doch diese Behauptung wurde mehrfach widerlegt. Die Durchsetzung der Maßnahmen wurde zu einem Selbstzweck. Sogar als bekannt war, dass die Gefahr einer Ansteckung mit dem Coronavirus im Freien minimal war, blieben Parkbänke und Spielplätze gesperrt. Aerosol-Forscher kritisierten die Politik, doch die meisten Veranstaltungen und auch Demonstrationen durften dennoch nicht stattfinden.

„Die Stimmung war vergiftet. Bürger denunzierten Nachbarn und Unternehmen wegen Regelverstöße.“

Menschen, die sich in kleinen Gruppen im Freien versammelten, wurden in der Presse als „Covidioten“ gebrandmarkt. Wie Fraser Myers vom britischen Magazin Spiked schreibt, könnte der Spruch des berühmten amerikanischen Journalisten H.L. Mencken über den  Puritanismus auch auf Corona angewandt werden. Menken hatte den Puritanismus als „die quälende Angst, dass irgendwo jemand glücklich sein könnte“, beschrieben.

Die Stimmung war vergiftet. Bürger denunzierten Nachbarn und Unternehmen wegen Regelverstöße. Besonders Impfgegner wurden als rücksichtslos gebrandmarkt, obwohl längst feststand, dass die Impfung nicht vollständig vor Ansteckung schützt. Schauspieler, die mit Satire auf die Übertreibungen der Maßnahmen hinwiesen, wurden an den Pranger gestellt. Die Kampagne „#allesdichtmachen“ sei „so schäbig, dass es weh täte“, ätzte der Berliner Tagesspiegel und der ARD-Rundfunkrat forderte Konsequenzen. Für Jan Josef Liefers wurde gar ein „Tatort-Verbot“ gefordert.

Angst spielte sicherlich eine Rolle. Die Propagandakampagnen der Regierung forderten die Bevölkerung auf, sich jederzeit so zu verhalten, als ob sie das Virus hätte. Einige Wissenschaftler stellten Prognosen über überfüllte Krankenhäuser und Massensterben auf, die mit der Realität vor Ort wenig zu tun hatten. Auch die Mainstream-Medien schürten die Apokalypse, indem sie täglich Todesfälle und Fallzahlen veröffentlichten, ohne die tatsächlichen Risiken für den Durchschnittsbürger in den richtigen Kontext zu stellen.

Die Ängste richteten sich dabei jedoch weniger gegen das Virus selbst als gegen die vermeintlich unvernünftige Masse. Angetrieben waren die Maßnahmen von einem misanthropischen Misstrauen gegenüber der Öffentlichkeit. Die Entscheidungsträger und ihre Unterstützer gingen davon aus, dass ohne strenge Regeln der „Covidioten“-Pöbel Amok laufen würde. Die Bevölkerung wurde nicht als mündige Bürger behandelt, die für sich und ihre Familien selber entscheiden können, sondern als potenzielle Superspreader. An diesem elitären Vorurteil änderte auch die Tatsache wenig, dass die Befolgung der offiziellen Gesundheitshinweise auch ohne die drastischen Gesetze hoch war.

„Die Lockdowns waren bis wenige Wochen vor ihrer Umsetzung undenkbar, zumindest in einer westlichen liberalen Demokratie.“

Tatsächlich waren es jedoch die politischen Eliten, die sich rücksichtslos verhielten. Sie ignorierten bewährte Pandemiepläne zugunsten einer beispiellosen Abriegelung der Gesellschaft. Die Lockdowns waren bis wenige Wochen vor ihrer Umsetzung undenkbar, zumindest in einer westlichen liberalen Demokratie. Was in China gemacht werde, sei in einer Demokratie nicht möglich, hieß es noch bis Anfang 2020: „Wir dachten, in Europa könnten wir damit nicht durchkommen“, sagte Neil Ferguson, der Epidemiologe, der in Großbritannien als Mr. Lockdown bekannt wurde und wegen der Missachtung seiner eigenen Empfehlungen zurücktreten musste.

Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen waren katastrophal. Das preisbereinigte BIP brach in historischem Ausmaß ein. Die Inflation stieg. Die Staatsschulden explodierten. Während in Ländern wie Schweden oder der Schweiz die Schulen fast durchgehend offen blieben, blieben die Schulen in Deutschland vom 17. März 2020 mit nur kurzen Unterbrechungen bis März 2022 geschlossen. Tests und Masken waren Vorschrift, wenn der Unterricht stattfand. Laut Berechnungen des ifo-Instituts halbierte sich die Lernzeit deutscher Schüler während dieser Zeit, mit dramatischen Folgen. Deutschland schnitt in der Pisa-Studie 2022 schlechter ab als je zuvor. Doch all diese Kollateralschäden wurden als notwendige Opfer abgetan.

Es gibt jedoch keinen Beweis, dass Länder mit harten Lockdowns besser abschnitten als solche, die auf sie weitgehend verzichteten. Schweden, das keinen Lockdown verhängte, hatte eine der niedrigsten Übersterblichkeiten Europas. Es blieb wirtschaftlich stabiler, erlitt weniger psychische und soziale Schäden. Das Mantra „Freiheit tötet" erwies sich als Lüge.

Die Ausgrenzung Andersdenkender und Kritiker sorgte dafür, dass die weitreichenden, autoritären Maßnahmen auch dann noch fortgesetzt werden konnten, als die Pandemie schon lange keinen Notfall mehr darstellte. Als Großbritannien im Sommer 2021 alle Lockdown-Maßnahmen beendete und einen „Freedom Day“ ausrief,  sprach der Deutschlandfunk von einer „gefährlichen Freiheit ohne Lockdown“. Die Kommentatorin suggerierte sogar, das Land gefährde die ganze Welt.

„Dieses wahnwitzige Experiment darf nicht vergessen oder verziehen werden.“

Der womöglich deutlichste Hinweis darauf, dass die Lockdowns eher ein Anfall von Autoritarismus waren als ein wohlüberlegter Versuch, ein Virus einzudämmen, findet sich in der Debatte über den Ursprung des Virus. Die Theorie des Laborlecks, die besagt, dass Covid versehentlich vom Wuhan-Institut für Virologie freigesetzt wurde, ist heute die gemeinsame Meinung des MI6, der CIA, des FBI, des deutschen Geheimdienstes (BND) und vieler anderer staatlicher Stellen in der ganzen Welt.

Dennoch wurde diese These lange Zeit als Verschwörungstheorie abgetan. „Kaum Belege für Labortheorie“, titelte die ARD im Februar 2021 und beschuldigte Roland Wiesendanger, den Hamburger Professor für Physik, der diese These schon früh zur Diskussion stellen wollte, unwissenschaftlich zu arbeiten. Dass der BND bereits 2020 zu der Bewertung kam, das Virus stamme wahrscheinlich aus einem Labor im chinesischen Wuhan, berichteten Medien vor wenigen Wochen. Die Vorwürfe an das damalige Bundeskanzleramt, das ebenfalls informiert worden sein soll, wiegen schwer. Es geht um nicht weniger als die Frage, ob das Amt der Öffentlichkeit gegenüber relevante Informationen vertuscht hat.

Das wissenschaftliche und politische Establishment hat offensichtlich große Anstrengungen unternommen, um wissentlich den falschen Eindruck zu erwecken, dass ein Laborleck unwahrscheinlich sei, selbst wenn führende Wissenschaftler dies hinter vorgehaltener Hand für wahrscheinlich hielten. Das Verstehen, wie es zu dieser Pandemie kam, ist natürlich entscheidend, um die nächste zu verhindern.

Fünf Jahre nach dem ersten Lockdown ist es Zeit, ihn als das zu erkennen, was er war: ein autoritärer Exzess mit verheerenden Folgen. Eine kritische Aufarbeitung ist unumgänglich. Parteien wie das BSW, die AfD oder Politiker wie Wolfgang Kubicki haben darauf gedrängt – sie verdienen dabei Unterstützung. Dieses wahnwitzige Experiment darf nicht vergessen oder verziehen werden.

jetzt nicht

Novo ist kostenlos. Unsere Arbeit kostet jedoch nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Unterstützen Sie uns jetzt dauerhaft als Förderer oder mit einer Spende!