15.03.2024
Die Tyrannei der Wunschpronomen
Von Brendan O’Neill
Einer Vizegouverneurin in den USA und der Schriftstellerin Joanne K. Rowling wird vorgeworfen, Männer, die sich als Frauen identifizieren, misgendert zu haben. Die Wahrheit muss man aber aussprechen.
Wir schreiben das Jahr 2024 und schwarze Frauen werden immer noch öffentlich beschimpft, weil sie sich nicht vor weißen Männern verbeugen. Die schwarze Frau, um die es geht, ist Winsome Earle-Sears, die republikanische Vizegouverneurin von Virginia. Letzte Woche stand sie im Zentrum eines Shitstorms, nachdem sie das abscheulichste Sprachverbrechen unserer Zeit begangen hatte: Sie bezeichnete eine „Transfrau" (also einen Mann) als „Sir". Es war Danica Roem, ein demokratischer Senator aus Virginia. Er ist ein Mann, der sich als Frau identifiziert. In einer Debatte in der Generalversammlung von Virginia fragte er Earle-Sears, wie viele Stimmen für die Verabschiedung eines Gesetzes benötigt würden. „Ja, Sir, das wären 32", war ihre blasphemische Antwort. Sir? Macht den Scheiterhaufen bereit.
Wut brandete auf. Earle-Sears wurde beschimpft, weil sie misgenderte. Ihr Gebrauch des S-Wortes sei „grausam und inakzeptabel", schimpfte man. Sie habe ihre „Grausamkeit gegenüber der Welt" gezeigt, sagte ein anderer wütender weißer Mann - Zooey Zephyr, ebenfalls transsexuell, der im Repräsentantenhaus von Montana sitzt. Der Bundesstaat Virginia selbst wurde durch Earle-Sears sündige Äußerung kurzzeitig erschüttert: Alle gesetzgeberischen Aktivitäten in der Versammlung wurden unterbrochen, während die Verantwortlichen herauszufinden versuchten, wie sie mit der Respektlosigkeit der schwarzen Dame gegenüber den Pronomen des weißen Mannes umgehen sollten. Schließlich räumte Earle-Sears den Fehler ihrer hexenartigen Vorgehensweise ein. „Ich entschuldige mich, ich entschuldige mich, ich entschuldige mich", verkündete sie. Die schwarze Frau ist reumütig, das Selbstwertgefühl des weißen Mannes ist wiederhergestellt und die Welt ist wieder in Ordnung.
Man kann diesem Vorfall so viel intersektionellen Anstrich geben, wie man will. Man kann sagen, es ginge um „Gleichbehandlung" und darum, dass sich Trans-Menschen am Arbeitsplatz „sicher" fühlen, bla bla bla. Aber im Grunde genommen ging es hier um die Demütigung einer schwarzen Frau, die sich dem Stolz eines weißen Mannes nicht beugen und ihm nicht schmeicheln wollte. Kommt Ihnen das bekannt vor? In der Vergangenheit musste eine schwarze Frau in den USA mit schwerwiegenden sozialen Konsequenzen rechnen, wenn sie es unterließ, einen weißen Mann mit „Sir" anzusprechen – jetzt erleidet sie dasselbe, wenn sie einen weißen Mann mit „Sir" anspricht, der sich einbildet, eine Dame zu sein. In beiden Fällen übertrumpft das Bedürfnis des Mannes nach Bestätigung – sei es seiner sozialen Überlegenheit oder seiner Geschlechtsidentität – das Recht der kleinen Frau, so zu sprechen, wie sie es für richtig hält.
„Ein Mann ohne Schwanz ist genauso wenig eine Frau wie ein Hund, der nicht bellt, eine Katze ist.“
Die moralische Züchtigung von Winsome Earle-Sears entlarvt die eiserne Faust der Intoleranz, die sich unter dem Samthandschuh der „bevorzugten Pronomen" verbirgt. Bei der Überwachung von Pronomen, der lautstarken Bestrafung so genannten „Misgenderns" geht es nicht darum, eine gerechtere, angenehmere Gesellschaft zu schaffen. Es geht darum, Andersdenkende zu bestrafen. Es geht darum, diejenigen zu schmähen – vor allem Frauen – , die sich der neuen herrschenden Gender-Ideologie im Einzelfall nicht beugen oder sich ihr grundsätzlich verweigern. Es ist eine Anweisung, eine Warnung von oben: „Nehmt unsere Ideologie an und sprecht unsere Sprache, oder wir werden euch vernichten.“ Der Krieg gegen das „Misgendern", der ein Krieg gegen die Wahrheit ist, ist die tyrannischste Erscheinungsform der Wokeness.
Eine weitere Frau wurde kürzlich wegen „Misgenderns" auf die Anklagebank gezerrt. Es war J.K. Rowling. Auch sie beging das moderne Sakrileg, einen Mann einen Mann zu nennen. Der Mann war India Willoughby, ein Fernsehmoderator, der glaubt, dass er kastriert wurde und sich dann eine „Designer-Vagina" ausgesucht hat, mache ihn zu einer Frau. Alter, vergiss es. Rowling twitterte gerade ihre Bedenken darüber, dass biologische Männer in reine Frauenumkleideräume gelassen werden, als ein X-Nutzer ein Video von Herrn Willoughby beim Tanzen postete und Rowling fragte, „ob diese Dame die Männerumkleide benutzen sollte". Rowlings Antwort war ebenso bissig wie brillant: „Du hast mir das falsche Video geschickt. In diesem Video ist keine Frau zu sehen, nur ein Mann, der sich in seiner frauenfeindlichen Vorstellung von dem suhlt, was er unter einer ‚Frau´ versteht: narzisstisch, oberflächlich und exhibitionistisch.“
In Rowlings Antwort finden wir keine einzige Lüge. Willoughby ist ein Mann. Ein Mann ohne Schwanz ist genauso wenig eine Frau wie ein Hund, der nicht bellt, eine Katze ist. Und ihr ist zuzustimmen, dass Trans-Aktivismus oft wie eine abstoßende Parodie des Frauseins wirkt. Willoughby selbst hat erzählt, dass er seine „Designer-Vagina" aus einem Katalog mit 10.000 solchen Fake-Muschis ausgesucht hat und dass es genauso war wie „eine Frisur auszusuchen". Das ist krass, oder? Dass die Transideologe das Frausein auf ein Konsumprodukt reduziert, ein Ding, das man kaufen und anziehen kann wie einen alten Lappen, ein „Designer"-Produkt, wie eine Tasche oder einen Schuh – ja, das würde ich frauenfeindlich, narzisstisch und oberflächlich nennen.
„Es zeugt vom virulenten Autoritarismus unserer Zeit, dass es zur verdammenswerten Beleidigung geworden ist, eine Wahrheit auszusprechen, die die Menschheit seit Zehntausenden von Jahren kennt: dass es Männer und Frauen gibt und dass sie nicht dasselbe sind.“
Und doch wurde Rowling, nur weil sie die Wahrheiten rausgehauen hatte, wütend angefeindet. Schon wieder. Willoughby tadelte ihre „groteske Transphobie". „J.K. Rowling misgendert absichtlich die Trans-Aktivistin India Willoughby", lautete eine aufgeregte Schlagzeile im britischen Independent. „Ihr sehr öffentlicher Akt des ‚Misgenderns‘ ist ein weiterer Beleg für ihre umstrittenen Ansichten", so der Mirror. Ja, es gilt jetzt als umstritten zu sagen, dass ein Mann keine Frau ist. Der biologischen Realität eine Stimme zu geben. Die Existenz von Geschlecht anzuerkennen. Es zeugt vom virulenten Autoritarismus unserer Zeit, dass es praktisch über Nacht zu einer verdammenswerten Beleidigung geworden ist, eine Wahrheit auszusprechen, die die Menschheit seit Zehntausenden von Jahren kennt: dass es Männer und Frauen gibt und dass sie nicht dasselbe sind.
Die jüngste sexistische Attacke auf J. K. Rowling zeigt, welch Orwellsche Züge die Trans-Ideologie angenommen hat. Dieses Wort – „misgendern" – ist unverblümter Doppelsprech. Es ist kein „misgendern", einen Mann als Mann zu bezeichnen - es ist die genaue und wahrheitsgemäße Beschreibung des Geschlechts einer Person. Korrektes Bezeichnen als „Misgendern" umzudefinieren ist ein sinisterer und hinterhältiger Angriff auf die Wahrheitsverkündung selbst. Er macht die Wahrheit zu einem Verbrechen und die Lüge zur anerkannten Weisheit. Es macht aus denen, die die Wahrheit sagen, soziale Parias und aus denen, die der Unwahrheit frönen, gesellschaftliche Heilige. In diesem Fall geht es um die Unwahrheit, dass jemand, der als Mann geboren wurde, die männliche Pubertät durchlief und sogar ein Kind gezeugt hat – was nur wir Kerle tun können –, buchstäblich eine Frau ist und jeder, der etwas anderes behauptet, Abschaum.
Wenn die Neo-Hexenjäger Frauen „Misgenderer" nennen, verlangen sie in Wirklichkeit, dass diese Frauen ihre wissenschaftlichen Irrlehren widerrufen und sich dem postfaktischen Wahn der Transgender-Ideologie unterwerfen. Es handelt sich um den Versuch der Zwangsbekehrung zu einer neuen Religion. Die Religion der „gegenderten Seelen", der zufolge das geheimnisvolle innere Geschlecht eines Menschen manchmal seiner lästigen biologischen Hülle zuwiderläuft. Aber einige von uns glauben daran genauso wenig wie daran, dass Christus auf dem Wasser gegangen ist oder Mohammed auf einem Pferd in den Himmel geflogen ist.
„Früher wurden die Wahrheitssuchenden als ‚Ketzer‘ verdammt, heute werden sie als ‚Misgenderer‘ bezeichnet.“
Der X-User, der Rowling mit einem Clip von Willoughby konfrontierte und darauf bestand, dass sie Willoughbys „Weiblichkeit" anerkennt, unterscheidet sich nicht von den Inquisitoren früherer Zeiten, die einem Ketzer die Bibel ins Gesicht hielten und insistierten, dass er ihre Göttlichkeit anerkennt. Indem sie sich weigerte, sich bekehren zu lassen, und den einsamen Weg der Wahrheit dem flüchtigen Trost dadurch, dem dogmatischen Mob zu erliegen, vorzog, setzte sich Rowling nicht nur für Frauenrechte und die Gewissensfreiheit ein – sie holte zum Schlag für die Wahrheit selbst aus. Früher wurden die Wahrheitssuchenden als „Ketzer" verdammt, heute werden sie als „Misgenderer" bezeichnet, aber viele erkennen offenbar immer noch, dass das harte Leben an der Seite der Vernunft erfüllender ist als das leichte Leben, das man führt, wenn man sich der Theokratie beugt.
Das vielleicht beunruhigendste an den Medien, die sich über Rowlings „Misgendern" von Willoughby beklagen, ist, dass sie Rowling im Grunde auffordern, einem Mann gegenüber respektvoller zu sein, der sich ihr gegenüber unglaublich unhöflich verhalten hat. Willoughby beschimpft regelmäßig Frauen. So bezeichnete er die Frauenrechtlerin Maya Forstater als „Mayo-Kartoffel". Er sagte einmal, er sehe „sechs Männer" auf dem berühmten Foto von J.K. Rowling beim Mittagessen mit geschlechterkritischen Frauen. Vermutlich bezog er sich auf die anwesenden Lesben maskulineren Typs. Das ist dann wirklich „Misgendern“. Und einmal schien er darüber zu scherzen, gender-kritische Frauen zu entführen. Die Vorstellung, dass Rowling einem solchen Typen in den Hintern kriechen sollte, gehört zum Einmaleins des Frauenhasses: Meine Damen, gebt den Männern nach, selbst denen, die euch missbrauchen.
Wenn „Misgendern" unter Strafe gestellt wird, dann wird die Wahrheit selbst kriminalisiert. Unser Recht, das zu beschreiben, was wir vor Augen haben – das grundlegendste Recht in einer freien Gesellschaft – würde sich in Luft auflösen. Und es ist nicht nur der digitale Mob, um den wir uns Sorgen machen müssen. Die Labour-Partei, die wahrscheinlich die nächste britische Regierung bilden wird, hat mit der Idee geliebäugelt, „Misgendern" unter Strafe zu stellen. Wie wir in Virginia gesehen haben, kann das politische Leben durch „Misgendern" zum Stillstand gebracht werden. Und selbst Elon Musk wackelt bei seiner Lockerung der alten Twitter-Regeln zum „Misgendern". Dass die freie Meinungsäußerung, die offene Debatte und das öffentliche Leben selbst den Gefühlen von einer Handvoll Männer geopfert werden, ist Wahnsinn. Wie Rowling schon sagte: „Ich weiß, dass viele von euch denken, dass die Uno eingreifen sollte, wenn Frauen eure Egos verletzen, aber es gibt kein Menschenrecht auf allgemeines Bestätigtwerden".