17.03.2025
Die Schweiz zensiert antirassistische Satire
Von Andrea Seaman
Ein Eidgenosse wurde für ein spöttisches TikTok-Video über Fußballspieler, die die Nationalhymne nicht mitsingen, schuldig gesprochen. Dabei gab der Schweizer Fußballverband ein unrühmliches Bild ab.
Mirco Casorelli, ein Schweizer Satiriker auf TikTok, nennt sich „Bireweich“. Das ist ein selbstironischer Spitzname auf Schweizerdeutsch, der so viel heisst wie „nicht ganz dicht.“ Sein Markenzeichen: Als komischer Narr analysiert er das Zeitgeschehen.
Der Schweizer Fussballverband (SFV) wirft Mirco Casorelli Diskriminierung und Aufruf zu Hass vor. Warum? Weil er ein rassistisches Video satirisch aufs Korn genommen hat. Ein absurder Vorwurf. Doch die Staatsanwaltschaft Schaffhausen zog Konsequenzen: eine bedingte Geldstrafe von 10.800 Schweizer Franken (sozusagen ‚auf Bewährung‘), plus eine Buße von 2700 Franken obendrauf. Satire mit Strafzettel.
Der Hintergrund: Ein anonym hochgeladenes YouTube-Video zeigt, wie jemand Schweizer Nationalspieler anschreit, weil sie die Hymne nicht singen, und dabei ihre ethnische Herkunft herabwürdigt. Ein wütender, rassistischer Ausbruch. Das Thema ist nicht neu: Es sorgt immer für Spannungen, wenn patriotische Fans auf Spieler treffen, die beim Hymnensingen schweigen. Auch die Schweiz bildet da keine Ausnahme.
Casorelli sah das Video und reagierte. Als „Bireweich“ mokierte er sich über den hasserfüllten Ton und den Rassismus des Originals, indem er es satirisch nachzeichnete. Er nutzte dieselben Szenen der Fussballer, die singen oder schweigen. Dabei griff er einige der anstößigen Ausdrücke des ursprünglichen Videos auf; nicht, um sie billigend zu verbreiten, sondern um sie bloßzustellen. Er hielt so dem Verfasser des ursprünglichen Videos den Spiegel vor.
„Eine bemerkenswerte Verdrehung: Derjenige, der Rassismus entlarvt, wird so selbst zum Angeklagten.“
Der Schweizerische Fussballverband (SFV) stieß auf Casorellis Video und drehte den Spieß um. Adrian Arnold, Sprecher des SFV, erklärte: „In diesem Fall beleidigt, erniedrigt und hetzt der Autor öffentlich gegen unsere Nati-Spieler, deren Familien einen Migrationshintergrund haben, also aufgrund ihrer Herkunft. Das ist Rassismus, den wir im SFV in keinem Fall tolerieren.“ Eine bemerkenswerte Verdrehung: Derjenige, der Rassismus entlarvt, wird so selbst zum Angeklagten.
Lassen Sie uns eines deutlich festhalten: Herr Casorelli hat italienische Migrationswurzeln, eine schwarze Frau und ein schwarzes Kind. Seine anderen Videos und Sketche sind von Rassismus weit entfernt. Er ist ein klarer und unerschütterlicher Gegner jeder Form von Rassismus. Was wir hier sehen, ist einzig und allein eine scharfsinnige und gezielte Parodie eines rassistischen Videos.
Der SFV gibt sich als moralische Instanz, entpuppt sich jedoch als Heuchler. Bei der WM 2022 in Katar folgte er brav der Fifa-Direktive, die regenbogenfarbenen LGBTQ+-Armbinden abzulegen, um die Gastgeber nicht zu verärgern. Der SFV knickte also vor dem Hass auf Homosexuelle ein. Jetzt wirft derselbe Verband Casorelli Rassismus vor, als ob er selbst je moralische Autorität verkörpert hätte.
„Satire muss gegen Zensur verteidigt werden.“
Casorellis Satire erscheint harmlos im Vergleich zu der oft gnadenlosen Polemik, die das französische Magazin Charlie Hebdo seit Jahren verbreitet. Doch eines bleibt unbestreitbar: Während 2015 die Welt nach dem brutalem Terroranschlag mit zwölf Toten einheitlich „Je Suis Charlie“ rief, herrscht zehn Jahre später im Fall Casorelli eine bemerkenswerte Stille in der Schweiz. Kaum jemand wagt es, ein „Je Suis Mirco“ zu flüstern.
Bisher ist das Online-Medium Inside Paradeplatz die einzige Publikation der Schweiz, die den Mut aufbringt, sich für Casorellis Recht auf freie Meinungsäußerung stark zu machen. Die Free Speech Union Switzerland, die Casorelli einen Anwalt zur Seite gestellt hat, setzt sich für sein Recht ein.
Satire muss gegen Zensur verteidigt werden. Das hat Charlie Hebdo eindrucksvoll bewiesen. Jeder, der wie Casorelli an das Recht glaubt, Rassismus lächerlich zu machen, muss sich gegen diesen absurden Akt der Zensur durch den SFV und den Staat stellen.