10.08.2022

Die Rundfunkgebühr muss weg!

Von Sabine Beppler-Spahl

Titelbild

Foto: Jacob Bøtter via Flickr / CC BY 2.0

Die Krise des Öffentlich-Rechtlichen geht tiefer als der Skandal um Patricia Schlesinger.

Zwei Jahre lang, so die Mitteilung der Kulturministerin Nadine Dorries soll der Rundfunkbeitrag eingefroren und später, 2027, ganz abgeschafft werden. Die Zeiten, in denen Gerichtsvollzieher an die Türen klopften, weil die Gebühren nicht bezahlt wurden, seien vorbei. Die Rede ist nicht von Deutschland, sondern von Großbritannien, wo die Regierung diesen Beschluss im Januar bekannt gab. Jetzt sei es an der Zeit, so Dorries, neue Wege der Finanzierung und der Unterstützung des öffentlichen Rundfunks und Fernsehens zu diskutieren. Die beste Option, die zur Diskussion steht, ist ein Abonnementsystem für alle, die die Dienste und die Inhalte der BBC weiter nutzen möchten.

Es ist höchste Zeit, auch in Deutschland die Debatte über die Abschaffung der Rundfunkgebühren auszuweiten. Der Skandal um die RBB-Intendantin und ARD-Vorsitzende Patricia Schlesinger wird dazu beitragen. Vorgeworfen wird Schlesinger Vetternwirtschaft und der Missbrauch öffentlicher Gelder. Von ihren Posten ist sie zwischenzeitlich zurückgetreten, nachdem immer mehr Details über dubiose Beraterverträge, falsche Abrechnungen und steuerfinanzierte Extravaganzen bekannt wurden. Klarheit über das angebliche Netzwerk von gegenseitigen Gefälligkeiten, das sie gemeinsam mit ihrem Mann und ihrem Verwaltungsratschef unterhielt, soll nun eine Anwaltskanzlei schaffen.

Dies aufzuarbeiten ist gewiss sehr wichtig und der Fall gibt denen Aufwind, die schon lange die hohen Kosten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) kritisieren, die mit rund 220 € jährlich pro Haushalt deutlich höher liegen als z.B. in Großbritannien. Dass es dort, wo Gelder automatisch fließen, egal, ob die Dienstleistungen von den Bürgern angenommen oder geschätzt werden, leichter zu Verschwendung kommt, liegt auf der Hand. Trotzdem darf die Kritik nicht bei dem jüngsten Skandal und der Frage des Geldes stehenbleiben; denn tatsächlich geht es um viel mehr. Mit dem gebührenfinanzierten System haben wir, und das ist das Kernproblem, einen staatlichen Medienbetrieb und keinen öffentlichen, wie der Name es fälschlicherweise nahelegt. Und dieser Betrieb kann in keinen ehrlichen, offenen Austausch mit der Öffentlichkeit treten, denn er erhält sein Geld per Strafandrohung. Die wachsende Unzufriedenheit mit dieser Situation ist wohl bekannt, und als sich die CDU in Sachsen-Anhalt letztes Jahr – vergeblich – gegen eine Gebührenerhöhung wandte, tat sie dies, weil sie den Zorn der Wähler fürchtete.

Die Verteidiger des ÖRR behaupten, er böte eine universelle, hochwertige Dienstleistung an. Tatsächlich aber reflektieren immer mehr Sendungen die Prioritäten und Werte einer ziemlich kleinen, elitären Kaste. Sie sieht ihre Aufgabe mehr darin, die Öffentlichkeit zu erziehen als sie umfassend und möglichst unabhängig zu informieren. Je mehr z.B. die Hörer des Deutschlandradios über das zwanghafte Gendern klagen, desto verbissener hält der Sender an seiner Sprachregelung fest, denn er sieht in ihr einen wichtigen Schritt hin zur Emanzipation der Frau. Kein Wunder, dass so viele längst nicht mehr an die Unabhängigkeit des ÖRR glauben. Eine Umfrage von 2021 zeigte dies deutlich: Die Frage, ob der Rundfunk den Ministerien für Kultur und Medien unterstellt sei, konnten nur 26 Prozent richtig beantworten. Die große Mehrheit der Befragten (40 Prozent) gab an, es nicht genau zu wissen und 35 Prozent bejahten sie. Doch statt in diesem Ergebnis ein Alarmzeichen für den Zustand unserer öffentlich finanzierten Medien zu sehen, spotteten manche Medienvertreter lieber über das große Unwissen der Bürger.

„Letztlich geht es um nichts weniger als die Unabhängigkeit unserer Medien."

Der Ursprung des beitragsfinanzierten ÖRR-Systems liegt in Deutschland in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. Basierend auf einem Vorbild aus Großbritannien, war er Teil des Umerziehungsprogramms („Reeducation Programme“) nach dem Ende des Faschismus. Auch in Großbritannien wurde 1946 eine Fernsehgebühr eingeführt. In den Anfangszeiten, als es nur wenige Fernsehprogramme gab und die Übertragungstechnik noch begrenzt war, schreibt der Journalist und Autor Jonathan Miller,  sei die Idee aufgekommen, den Rundfunk als öffentlichen Dienst zu betrachten, der von den Großen und Guten kontrolliert wird. Das mochte in den Jahren, in denen der ÖRR noch die unterschiedlichen Gruppierungen der Gesellschaft einigermaßen repräsentierte, gut gehen. So gab es die eher CDU- oder SPD-nahen Programme und eine Menge Unterhaltungssendungen oder auch Sport, die als weitgehend unideologisch galten.

Heute aber, da die meisten Menschen weder Mitglied einer Partei, einer Gewerkschaft oder einer Kirche sind, verlaufen die Spaltungen innerhalb der Gesellschaft anders. Mit den woken Ideologien wird der elitäre Charakter des ÖRR verstärkt wahrgenommen. Daran ändert auch das Feigenblatt des Rundfunkrats, der einen Querschnitt der Gesellschaft abbilden soll und dem Vertreter der Kirchen, Gewerkschaften, Frauengruppen und NGOs angehören, nichts.

Wer ein Interesse an einer Verbesserung des Verhältnisses zwischen Bürgern und den Medien hat, muss einen Abonnementsvertrag für den ÖRR, wie ihn Großbritannien diskutiert, unterstützen. Alles andere – auch ein steuerfinanziertes System, wie es derzeit in Frankreich diskutiert wird – würde das Problem eines staatlichen Medienbetriebs nicht lösen. Der Skandal um Patricia Schlesinger hat manche der Probleme und Illusionen unseres jetzigen Systems offenbart (darunter die irrige Vorstellung, Rundfunk- und Verwaltungsräte könnten eine echte Kontrolle ausüben). Letztlich aber geht es um nichts weniger als die Unabhängigkeit unserer Medien.

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