20.06.2023

Die Rückkehr der AfD

Von Sabine Beppler-Spahl

Titelbild

Foto: JouWatch via Flickr / CC BY-SA 2.0

Der Erfolg der AfD zeigt, wie groß die Verzweiflung bei vielen Wählern ist.

Erlebt der Populismus in Deutschland ein Comeback? „Das macht mir Sorgen“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz,  nachdem die neusten Zustimmungswerte der AfD bekannt wurden. Manche Umfragen sehen sie sogar bei 19 Prozent und damit vor der SPD. Das ist eine ziemliche Umkehrung der Situation von vor zwei Jahren, als die Partei mit nur 10 Prozent ein schlechtes Ergebnis bei der Bundestagswahl einfuhr. Damals lag sie an fünfter Stelle – hinter der SPD, der CDU, den Grünen und der FDP. Nun könnte sie, wenn die Umfragen stimmen, zur zweitstärksten Kraft anwachsen.

Die meisten Kommentatoren und Experten betrachten diese Situation mit Entsetzen. Schuld sei vor allem die führungslose Chaospolitik der Ampelregierung, sagte Mario Czaja, der Generalsekretär der CDU. Er sprach sogar davon, dass viele Menschen zunehmend das Vertrauen in die Demokratie und ihre Institutionen verlieren. 

Die Politik der Bundesregierung hat in der Tat viele verunsichert und verärgert. Das gilt z.B. in Hinblick auf die Energie- und Klimapolitik. Immer wieder zeigen Umfragen, dass die Mehrheit der Deutschen mit dem ideologisch motivierten Ausstieg aus der Kernenergie nicht übereinstimmt. Und fast 80 Prozent lehnten die Pläne der Regierung, alle neuen Öl- oder Gasheizungen ab 2024 zu verbieten, ab.

Es sind aber nicht nur die radikalen Klimamaßnahmen der Koalition, die die Menschen abschrecken. In einer Umfrage wurden potentielle AfD-Wähler danach gefragt, was ihre größten Sorgen seien. Ganz oben auf der Liste stand das Thema Zuwanderung: 65 Prozent der AfD-Anhänger gaben an, sich hierüber große Sorgen zu machen. An zweiter Stelle stand die Unzufriedenheit mit der Energie- und Klimapolitik der Regierung (47 Prozent). Es folgten soziale Themen (29 Prozent) und außenpolitische Themen (25 Prozent). Weitere Anliegen waren die steigende Inflation und Ungleichheit sowie die Unzufriedenheit mit der Regierung im Allgemeinen.

„Wenn die AfD immer wieder nach oben drängt, dann deshalb, weil sie von vielen Deutschen als die einzige plausible Opposition zum politischen Establishment angesehen wird. Und das Establishment hat sich das selbst zuzuschreiben."

Die Koalition hat eindeutig das Vertrauen der meisten Wähler verloren, aber das ist nur ein Teil der Wahrheit. Der Aufstieg der AfD ist auch eine Brüskierung der CDU. Die CDU, die in den Umfragen relativ konstant bei 29 Prozent liegt, konnte bisher von der Unbeliebtheit der Regierung nicht wirklich profitieren. Das räumte auch Czaja ein, als er sagte, seine Partei müsse sich auch fragen, warum sich diese Enttäuschten den extremen Rändern zuwenden.

Wenn die AfD immer wieder nach oben drängt, dann deshalb, weil sie von vielen Deutschen als die einzige plausible Opposition zum politischen Establishment angesehen wird. Und das Establishment hat sich das selbst zuzuschreiben. Seit der Gründung der AfD im Jahr 2013 hat man versucht, sie hinter eine Mauer der Schande zu verbannen. Alle etablierten Parteien haben Abgrenzungserklärungen zur AfD in ihre Programme aufgenommen. Sie ist auch die einzige Partei, der es konsequent verwehrt wird, einen Vertreter in das Präsidium des Bundestags zu entsenden. Und der Verfassungsschutz hat sie als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft.

Das Establishment hat jedoch nicht nur versucht, die AfD und ihre Wähler unter Quarantäne zu stellen. Auch die Themen, für die sie kämpft, sollen möglichst aus der öffentlichen Diskussion herausgehalten werden. Die Behauptung, dass ein Argument oder ein Thema „der AfD in die Hände spielt", ist zu einem beliebten Mittel geworden, um eine Debatte zu unterbinden. Letzte Woche sagte Innenministerin Nancy Faeser (SPD), dass jeder, der das Asylrecht antasten wolle, das dreckige Spiel der AfD mitspiele. Und als der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz sagte, der Erfolg der AfD zeige, dass die Deutschen der Identitätspolitik überdrüssig geworden seien, wurde ihm ebenfalls sofort vorgeworfen, der AfD in die Hände zu spielen. Jacques Schuster von der Welt hat nicht ganz Unrecht, wenn er sagt, dass der Erfolg der AfD darauf zurückzuführen ist, dass andere Parteien versuchen, bestimmte Themen aus der politischen Debatte auszuschließen.

Natürlich gibt es viele berechtigte Gründe, die AfD zu kritisieren. So haben sich zum Beispiel seit dem Krieg in der Ukraine mehrere AfD-Mitglieder aktiv auf die Seite Russlands gestellt. Einer versuchte sogar, in den Donbass zu reisen, um seine Unterstützung für Putin zu demonstrieren. (Er wurde inzwischen aus der Partei ausgeschlossen.) Und als der Parteivorsitzende Tino Chrupalla im vergangenen Monat an einem Empfang in der russischen Botschaft in Berlin teilnahm, löste dies breite Empörung aus.

Auch ist die AfD seit ihrer Gründung von internen Machtkämpfen geprägt. So gibt es beispielsweise große Meinungsverschiedenheiten darüber, ob weiteren Personen mit Verbindungen zu rechtsextremen Randgruppen die Mitgliedschaft in der Partei gestattet werden sollte. Letztes Jahr wurde der Parteitag abrupt abgebrochen, nachdem sich die Delegierten nicht auf eine klare Linie einigen konnten. 

„Wie weit die AfD gehen kann, wird weniger von ihr selbst abhängen als davon, ob die etablierten Parteien weiterhin Wähler verprellen."

Und trotzdem feierte die AfD im Februar dieses Jahres ihr 10-jähriges Bestehen in bester Stimmung. Sie ist zweifellos die erfolgreichste Parteineugründung seit den Grünen in den 1980er Jahren. Ein Kommentator bezeichnete sie als „einen Zombie, der immer wieder aufsteht". Wie weit die AfD gehen kann, wird weniger von ihr selbst abhängen als davon, ob die etablierten Parteien weiterhin Wähler verprellen. Es scheint, als werden sie das tun. Ein Beispiel lieferte der Kanzler, als er von einer „Schlechte-Laune-Partei“ sprach und suggerierte, die Wähler der AfD klammerten sich an das Vergangene.

Friedrich Merz von der CDU scheint die Stimmung im Land besser zu verstehen, als er die Identitätspolitik verantwortlich machte. Doch trotz seiner Kritik an den schlimmsten Auswüchsen der Ampel hat seine Partei  die meisten Maßnahmen der Koalition im Bundestag unterstützt und für sie gestimmt. NIcht vergessen ist zudem, dass viele der destruktiven grünen Ideen bereits unter Angela Merkels Führung Wurzeln schlagen konnten. Leider können auch Konservative oft genauso grün sein wie ihre „progressiven" Gegner.

Der Erfolg der AfD sollte ein Weckruf sein. Er zeigt, dass die Geduld der Wähler dahinschwindet.

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