21.05.2025
Die Linkspartei und ihr Israel-Problem
Zwar hält die Linkspartei den Antifaschismus hoch, sie vertritt aber antiisraelische Positionen, die sich mit denen rechtsextremer Antisemiten überschneiden.
Für viele Mitglieder der Linkspartei ist klar, wer für das Unrecht in der Welt verantwortlich ist: die Reichen, die Rechten – und Israel. Auf dem Bundesparteitag in Chemnitz wurde dieses Weltbild einmal mehr zelebriert. Während man sich wortgewaltig gegen soziale Ungleichheit und Faschismus positionierte, galten die schärfsten Töne dem jüdischen Staat.
Mit deutlicher Mehrheit verabschiedeten die Delegierten einen Dringlichkeitsantrag mit dem Titel „Vertreibung und Hunger in Gaza stoppen - Völkerrecht durchsetzen!“ Darin wird Israel pauschal vorgeworfen, die Zivilbevölkerung systematisch auszuhungern, um eine „dauerhafte Zwangsumsiedlung“ durchzusetzen – ein Vorwurf, der an Einseitigkeit kaum zu überbieten ist.
Zuvor hatte man sich – gegen den Rat prominenter Parteigrößen wie Bodo Ramelow – die sogenannte Jerusalemer Erklärung gegen Antisemitismus (JDA) zu eigen gemacht. Diese wendet sich zwar formal gegen Judenhass, lässt aber Boykottaufrufe gegen Israel – und seine Bevölkerung – außen vor. Damit dient die Erklärung der antisemitischen BDS-Bewegung als argumentatives Feigenblatt für ihre Kampagnen zum Boykott Israels und seiner Bevölkerung (wie sie z.B. beim Eurovision Song Contest gegen die israelische Sängerin Yuval Raphael, eine Überlebende des Massakers vom 7. Oktober 2023, zum Ausdruck kamen).
Dass der Parteitag der Linken zum Schauplatz antiisraelischer Rhetorik wurde, war wenig überraschend. Viele Delegierte erschienen in Kufiya, der Uniform der antiisraelischen Lobby. Bereits im Vorfeld hatte Parteivorstandsmitglied Ulrike Eifler mit einem Posting auf X für Empörung gesorgt. Das Posting zeigte eine Landkarte Israels, die komplett mit palästinensischen Farben übermalt war – ein Bild, das implizit das Existenzrecht Israels in Frage stellte.
„In der Partei zeigt sich eine giftige Mischung aus Antifa und linkem Antisemitismus.“
Die Linkspartei betont immer wieder ihren Anspruch, antifaschistisch zu sein, sich gegen Ausgrenzung, Hass und Diskriminierung zu wenden. Das gilt aber offenbar nicht für Juden, zumindest wenn sie sich nicht der Anti-Israel-Lobby anschließen oder unterordnen wollen.
Die Beschlüsse des Parteitages passen auf traurige Weise in eine Zeit, in der der Antisemitismus wieder auf dem Vormarsch ist. Seit dem Anschlag der Hamas ist die Zahl der Übergriffe auf jüdische Einrichtungen und Personen in Deutschland auf mehrere tausend pro Jahr gestiegen. Der Fall des 31-jährigen deutsch-israelischen Studenten Lahav Shapira, der in Berlin von einem Kommilitonen schwer verletzt wurde und Hirnblutungen erlitt, ist eines von vielen schockierenden Beispielen. Der Täter – ein Deutscher, dessen Eltern aus dem Libanon stammen – wurde im April zu drei Jahren Haft verurteilt. Ähnlich schockierend war die Messerattacke auf einen spanischen Touristen, der das Holocaust-Mahnmal in Berlin besuchte. Die Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik sah sich angesichts der Bedrohungslage sogar veranlasst, Juden vor dem Tragen der Kippa in bestimmten Stadtteilen zu warnen.
Man sollte meinen, dass eine Partei, die sich als „antifaschistisch“ versteht, alles tut, um sich mit Juden, jüdischem Leben und dem einzigen jüdischen Staat der Welt solidarisch zu zeigen. Das Gegenteil ist der Fall. In der Partei zeigt sich eine giftige Mischung aus Antifa und linkem Antisemitismus.
Dass die Linkspartei zu einem Sammelbecken des linken Antisemitismus geworden ist, lässt sich leicht erklären: Sie folgt ohnehin einem manichäischen Weltbild mit einem einfachen Narrativ von Tätern und Opfern, Unterdrückern und Unterdrückten. Sie ist es gewohnt, bestimmte Gruppen pauschal für die Missstände in der Welt verantwortlich zu machen. „Wir legen uns mit den Reichen an“ oder „Milliardäre abschaffen“ waren ihre Wahlkampfslogans (ein Narrativ, das erschreckend an die alte Nazipropaganda von den reichen Juden erinnert).
„Getragen wird diese Perspektive von einer identitätspolitischen Logik, die Menschen nach Herkunft und Hautfarbe einteilt.“
Gleichzeitig prägt ein tief verwurzelter Reflex gegen den „Westen“ das Denken großer Teile der Linken. In der Sprache der „Dekolonisierung“ wird Israel nicht als Hort jüdischen Lebens, sondern als letzter Vorposten eines vermeintlich imperialistischen Westens gedeutet – als Kolonialmacht, Apartheidstaat und Symbol globaler Ungerechtigkeit.
Getragen wird diese Perspektive von einer identitätspolitischen Logik, die Menschen nach Herkunft und Hautfarbe einteilt. In diesem Raster gelten Juden als privilegierte „Weiße“, Palästinenser hingegen als die ultimativen Opfer westlicher Gewalt – und damit als moralisch unantastbar. Israelkritik wird so zur moralischen Pflicht erklärt, während Antisemitismus hinter antikolonialen Parolen verschwinden kann.
Natürlich trägt die Linkspartei auch das ideologische Erbe der SED und damit des DDR-geprägten Antizionismus in sich. Der Historiker Jeffrey Herf hat detailliert nachgewiesen, wie die DDR palästinensische Terrorgruppen unterstützte und einen regelrechten Schattenkrieg gegen Israel führte. Ehemalige Parteimitglieder wie der Musiker Andrej Hermlin berichten von schockierenden antiisraelischen Äußerungen in der Partei – etwa, dass die Gründung Israels als „größtes Unglück“ des Judentums dargestellt wurde.
Dieses Denken und die Solidarität mit dem palästinensischen Terror leben fort – nicht nur in Symbolpolitik und Resolutionen, sondern auch in konkretem Verhalten. So schlossen sich 2010 Abgeordnete der Linkspartei der unter türkischem Schutz stehenden Mavi-Marmara-Flottille an, die die – nach Machtübernahme der Hamas errichtete – israelische Seeblockade des Gazastreifens durchbrechen wollte.
„Erstaunlich ist, wie sehr sich linke und rechte Narrative über Israel inzwischen gefährlich angenähert haben.“
Und 2014 wurde der damalige Fraktionschef der Linken, Gregor Gysi, von Pro-Palästina-Aktivisten durch die Gänge des Bundestags bis auf die Toilette gejagt. Der Vorfall ereignete sich, nachdem Gysi eine Veranstaltung einiger Fraktionskollegen abgesagt hatte, auf der Israel wegen Kriegsverbrechen verurteilt werden sollte. Der Vorfall wurde in Teilen der Presse als „Toilettengate“ bezeichnet.
Erstaunlich ist, wie sehr sich linke und rechte Narrative über Israel inzwischen gefährlich angenähert haben. Als Neonazis im Februar 2024 in Dresden demonstrierten, trugen sie ein Transparent mit der Aufschrift: „Gestern Dresden – heute Gaza. Völkermörder zur Verantwortung ziehen“. Bereits im Herbst 2023 wurde deutlich, wie ein Bericht des Stern hervorhebt, dass die Neonaziszene versucht, den Angriff der Hamas auf Israel für ihre eigene antisemitische und rassistische Propaganda zu nutzen – mit den gleichen Aussagen und Parolen, wie sie auch auf linken Demonstrationen zu finden sind.
Immerhin haben prominente Mitglieder inzwischen Konsequenzen gezogen. Neben Andrej Hermlin hat auch der ehemalige Berliner Kultursenator Klaus Lederer die Partei verlassen – nicht aus Opportunismus, sondern aus politischem Gewissen heraus. Hermlins Fazit: Judenhass ist Teil der Partei.
Die Linke hat in der Tat ein Problem.