20.04.2021
Die Kanzlerin, die sich Deutschland verdient hat
Von Stefan Laurin
Die Grünen stellen Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin auf und geben Deutschland damit die Chance, zu sich selbst zu stehen.
Mit Annalena Baerbock haben die Grünen über 40 Jahre den Bürgern der Bundesrepublik ein attraktives Angebot gemacht: Schon lange vor der Gründung der Grünen waren viele in diesem Land skeptisch, wenn es um neue Technologien ging und hielten Wirtschaftswachstum für ein Problem.
Die Grünen haben nicht den „vorpolitischen Raum” und die „Zivilgesellschaft” erobert, sie gingen aus ihr hervor. Es war ein saturiertes Bürgertum, dass den Aufstieg der Grünen ermöglichte und durch Jobs im Öffentlichen Dienst, in vom Steuerzahler alimentierten Organisationen und Initiativen oder lukrativen Erbschaften vor den Unbilden des wirtschaftlichen Alltags mit all seinen Risiken geschützt war und daran hat sich nichts geändert. Im Kern leben sie von den Ideen und der Arbeit anderer, aber das wollen die meisten von ihnen gar nicht so genau wissen. Dagegen sind sie sich sehr sicher, allen anderen ihren Lebensstil vorschreiben zu können, denn sie wissen ja, was das ist, das „gute Leben”.
Wenn Deutschland sich ehrlich macht, wählt es Baerbock zur Kanzlerin. Grünes Denken bestimmt ohnehin schon lange die Politik. CDU und SPD haben sich diesem Zeitgeist ergeben und gehen davon aus, dass der Öko-Pietcong irgendwie modern wäre und auch ein großer Teil der Medien hängt dieser Idee an.
„Zu diesem Land, das in Bigotterie und Realitätsverweigerung zu seinen romantischen Wurzeln zurück will, passt Baerbock."
Nein, eine Kanzlerin Baerbock bedeutet keine Revolution. Der Wahnsinn der Energiewende mit dem Doppelausstieg aus Kohle und Kernenergie läuft seit Jahren, Identitätspolitik bestimmt zusehends die öffentlich-rechtlichen Anstalten, die Verwaltungen und die Universitäten. Die Bedeutung von Industrie, Ingenieurs- und Naturwissenschaften für den Wohlstand dieses Landes ist weitgehend vergessen. Angst und Betroffenheit sind hoch angesehene Gefühle, und wer sich in seiner Ruhe gestört fühlt, hat immer Recht, egal ob er gegen den Bau von Wohnungen, Flüchtlingsunterkünften oder eine neue Schule protestiert.
Zu diesem Land, das in Bigotterie und Realitätsverweigerung zu seinen romantischen Wurzeln zurück will, passt Baerbock. Sie würde nichts anderes tun als, den kulturprotestantischen Weg der Askese weiter zu gehen, den Merkel in den 16 Jahren ihrer Kanzlerschaft eingeschlagen hat.