11.04.2025
Die Axt an der Meinungsfreiheit
Laut neuem Koalitionsvertrag wollen Union und SPD die Meinungsfreiheit weiter einschränken. Das betrifft nicht zuletzt die oppositionelle AfD, gefährdet aber die demokratische Kultur insgesamt.
Der Koalitionsvertrag steht – und mit ihm eine Reihe von Gesetzesverschärfungen, die sich deutlich gegen die freie Meinungsäußerung richten. Besonders betroffen ist der Straftatbestand der Volksverhetzung (§ 130 StGB), dessen Anwendung künftig verschärft werden soll. Im Namen der „Resilienzstärkung unserer Demokratie“ soll Wiederholungstätern das passive Wahlrecht entzogen werden können – ein beispielloser Vorgang.
Das Ziel liegt offen zutage: Die AfD soll politisch ausgebremst werden. Politiker kaum einer Partei sehen sich so häufig mit Vorwürfen nach § 130 konfrontiert. Zwar wurden viele Verfahren eingestellt, doch nicht alle. So wurde im Februar 2024 der Thüringer AfD-Vorsitzende Björn Höcke angeklagt – wegen eines Telegram-Posts aus dem Jahr 2022. Darin hatte er nach einem tödlichen Messerangriff durch einen somalischen Täter geschrieben: „Wahrscheinlich ist der Täter psychisch krank und leidet an jener unter Einwanderern weit verbreiteten Volkskrankheit, welche die Betroffenen ‚Allahu Akbar' schreien lässt…“.
Auch gegen die AfD-Politikerin Vanessa Behrend wird derzeit wegen Volksverhetzung ermittelt – weil sie die Regenbogenfahne als ein Symbol für „Machenschaften pädophiler Lobbygruppen" bezeichnet hatte.
Die geplante Verschärfung des § 130 zeigt, wie nervös die etablierten Parteien angesichts des Erstarkens der AfD geworden sind. Trotz jahrelanger Kampagnen und der Beobachtung durch den Verfassungsschutz ist die Partei zur zweitstärksten Kraft aufgestiegen – laut jüngsten Umfragen liegt sie unterdessen sogar vor der CDU. Nun, da sich die bisherigen Mittel als wirkungslos erwiesen haben, greift man zur nächsten Eskalationsstufe: der Einschränkung demokratischer Grundrechte.
„Was einst gegen Rechtsextremisten gedacht war, trifft zunehmend auch konservative und migrationskritische Stimmen.“
Dass in Deutschland die Einschränkung von Meinungsfreiheit Tradition hat, macht es nicht besser. Der Ursprung des Volksverhetzungs-Paragrafen liegt im Kaiserreich, als er gegen Sozialisten eingesetzt wurde und als Klassenkampfparagraf bezeichnet wurde. In den 1960ern reaktiviert, um Neonazis zu verfolgen, ist er heute ein flexibles Instrument im Kampf gegen politischen Populismus. Die jüngsten Gesetzesverschärfungen lassen erkennen: Was einst gegen Rechtsextremisten gedacht war, trifft zunehmend auch konservative und migrationskritische Stimmen.
§130 ist wahrlich ein Lehrstück für die gefährliche Dynamik von Gesetzen gegen die Meinungsfreiheit. Dabei ist der Wortlaut des § 130 StGB längst ein scharfes Schwert: Wer öffentlich zu Hass oder Gewalt gegen Gruppen aufruft oder deren Menschenwürde verletzt, macht sich strafbar. Auch das Leugnen oder Verharmlosen von NS-Verbrechen kann zu mehrjährigen Haftstrafen führen. Die Zahl der Verurteilungen steigt rapide – über 5000 allein im Jahr 2024.
Verurteilt wegen Volksverhetzung wurde 2024 u.a. der Islamkritiker Michael Stürzenberger – sechs Monate nach einem islamistischen Anschlag, bei dem er selbst schwer verletzt und ein Polizist getötet wurde. Eine Rentnerin muss 7950 Euro Strafe zahlen, weil sie auf Facebook die Migrationspolitik kritisierte und u.a. schrieb: „Wir brauchen Fachkräfte und keine Asylanten, die sich hier nur ein schönes Leben machen wollen, ohne unsere Werte und Kultur zu respektieren. Schickt die, die hier sind, mal zum Arbeiten. Wir sind nicht auf Faulenzer und Schmarotzer angewiesen und schon gar nicht auf Messerkünstler und Vergewaltiger.“ Der Ton: deftig. Die Strafe: drakonisch.
„Die neue Koalition zementiert den restriktiven Kurs der Vorgängerregierung.“
Verteidiger des § 130 berufen sich auf das Prinzip der „wehrhaften Demokratie“. Doch was bedeutet das in der Praxis? Demokratie gegen die Wähler zu verteidigen? Der Missbrauch dieses Paragraphen offenbart eine autoritäre Tendenz: die Absicht, Kritik an der Regierung, am System oder an bestimmten Gruppen strafrechtlich zu unterbinden.
Viele CDU-Wähler hatten auf eine liberale Wende gehofft. Stattdessen zementiert die neue Koalition den restriktiven Kurs der Vorgängerregierung. Dass man nun versucht, Oppositionspolitikern die Kandidatur zu verbieten, ist ein Tiefpunkt demokratischer Kultur.
„Die Tendenz, die Meinungsfreiheit mit Mitteln des Strafrechts einzugrenzen, ist hochproblematisch“, warnte der frühere Verfassungsrichter Christoph Degenhart. Es ist nicht nur problematisch – es ist gefährlich. Es ist Ausdruck einer Politik, die sich von der Bevölkerung entfremdet hat und lieber mit Verboten als mit Argumenten reagiert.
Redefreiheit, Parteigründung, kontroverse Debatten – all das sind Grundpfeiler einer demokratischen Ordnung. Die geplanten Eingriffe untergraben diese Prinzipien zutiefst. Sie müssen unbedingt gestoppt werden.