13.06.2022

Der Steuerstaat als Kriegsgewinnler?

Von Jörg Michael Neubert

Titelbild

Foto: Zauberin via Pixabay / CC0

Eine sogenannte Übergewinnsteuer für Mineralölkonzerne wäre willkürlich und könnte das Vertrauen in den Investitionsstandort Deutschland gefährden. Sie soll politisches Versagen überdecken.

Alle Jahre wieder… gibt es in Deutschland eine Diskussion über die großen Mineralölkonzerne. Während ansonsten aber eher über das mögliche Kartellverhalten selbiger diskutiert wird, geht es diesmal ans Eingemachte. Immer mehr führende Politiker greifen die Idee einer Übergewinnsteuer für Mineralölkonzerne auf. Andere europäische Länder sind hier schon weiter und so hat z.B. Italien diese bereits eingeführt. Worum geht es genau? Bedingt durch den Preisanstieg von Rohöl u.a. wegen des Ukrainekonflikts sind auch die Gewinne der Mineralölkonzerne stark gestiegen. So weit, so erwartbar. Neu ist die Forderung, diese Zusatzgewinne mittels einer Sondersteuer abzuschöpfen. Begründet wird das damit, dass die Ölkonzerne „unberechtigt“ – aufgrund unerwarteter äußerer Einflüsse –ihre Gewinne überproportional vermehren konnten. In der Ökonomie spricht man in einem solchen Fall von einer „Windfall Tax“ und diese hat es in der Vergangenheit schon öfters gegeben. Ist eine derartige Steuer aber sinnvoll? Oder gerecht? Um das zu beurteilen, wollen wir uns zunächst ein paar Praxisfragen stellen und dann eine kurze ökonomische Analyse vornehmen.

Gerechtigkeit

Fangen wir mal grundsätzlich an. Um die Übergewinnsteuer zu erheben, muss zuerst einmal festgelegt werden, was eigentlich ein Übergewinn ist. Übergewinn im Vergleich zu was? Wieviel Gewinn ist noch angemessen? Wie hoch soll die Gewinnsteuer sein? Viele Fragen, die objektiv gar nicht beantwortbar sind. Die „erlaubte“ Höhe des Gewinns wird also eine Zahl sein, die qua unendlicher Weisheit der Regierung vom Himmel fällt. Oder anders ausgedrückt: Sie ist komplett willkürlich. Zumal Unternehmen, wenn Sie mehr Gewinn machen, sowieso mehr Steuern zahlen.

Darüber hinaus stellt sich auch noch die Frage, warum ausgerechnet die Mineralölwirtschaft ins Blickfeld gerückt ist. In den letzten Jahren gab es einige Firmen, die aufgrund externer Ereignisse plötzlich Übergewinne gemacht haben. Zu nennen wären etwa Amazon, Netflix oder auch BioNTech/Pfizer. Hier sind bisher keine ähnlichen Forderungen erhoben worden. Man kann sich daher nur schwer des Eindrucks erwehren, dass es vor allem deshalb gegen die Mineralölwirtschaft geht, weil man sich hier sicher sein kann, den Volkszorn auf seiner Seite zu haben. Die Frage, welche Unternehmen mit einer solchen Steuer belegt werden, ist also offenbar relativ willkürlich. (Natürlich könnte es auch andere treffen. Siehe unten die Ausführungen zum Investitionsstandort). Das oft genannte Gerechtigkeitsargument ist damit auf jeden Fall obsolet.

„Gerne verschwiegen wird der Punkt, dass die aktuelle Misere teilweise durch die Politik selbst verursacht worden ist.“

Gerne verschwiegen wird auch der Punkt, dass die aktuelle Misere teilweise durch die Politik selbst verursacht worden ist. Zum einen haben es die letzten Regierungen verpasst, die deutsche Energieversorgung zu diversifizieren, um nicht zu abhängig von einem Lieferanten (in diesem Fall Russland) zu sein. Zum anderen hat die ideologisch vorangetriebene Energiewende den Bedarf an Erdgas stark nach oben getrieben, da Gaskraftwerke als Puffer benötigt werden, um den unregelmäßig fließenden regenerativen Strom auszugleichen. Mit mehr Atomkraftwerken wäre der negative Impact geringer ausgefallen. Aber dass darüber niemand spricht, war zu erwarten.

Ökonomische Überlegungen

Gehen wir nun etwas genauer auf die ökonomischen Folgen einer solchen Übergewinnsteuer ein. Für betroffenen Unternehmen stellt sie eine Form von Strafsteuer dafür da, dass sie zusätzlichen Gewinn gemacht haben. Dieser Mehrgewinn ist dabei nicht durch unternehmerische Leistung entstanden, sondern externen Einflüsse zuzuschreiben, die von den Unternehmen nicht beeinflusst werden konnten. Die Mineralölkonzerne sind also im wörtlichen Sinne „Kriegsgewinnler“.

Die gängige Argumentation ist nun, dass Sie diese Zusatzgewinne nicht „verdient“ haben und daher an den Kosten, die der Allgemeinheit durch diese Situation entstehen, beteiligt werden sollen. Was bedeutet das für die betroffenen Unternehmen? Nun zunächst macht eine solche Steuer (und die Möglichkeit, dass sie bei nächster Gelegenheit wieder erhoben wird) es für ein Unternehmen unattraktiver, zusätzliche Gewinne zu erzielen, wenn wieder eine derartige Situation auftritt. Die Unternehmen werden also, wenn sie sich rational verhalten, versuchen, Übergewinne zu vermeiden.

„Bei der nächsten Krise wird nicht die Höhe des Preises, sondern die Verfügbarkeit von Benzin überhaupt das Problem sein.“

Warum kann das problematisch sein? Dazu muss man sich den Markt für Energie im Allgemeinen und Kraftstoffe im Besonderen etwas genauer ansehen. Bekannterweise sehen sich die Anbieter von Energie keiner konstanten Nachfrage gegenüber. Diese schwankt vielmehr sehr stark. So wird z.B. abends deutlich mehr Strom nachgefragt und zu Ferienzeiten oder am Wochenende mehr Kraftstoff. Als Folge dieser Tatsache müssen die entsprechenden Unternehmen ihre Waren bevorraten, um diese schwankende Nachfrage bedienen zu können. Bei der Stromerzeugung besteht diese „Bevorratung“ darin, dass die Unternehmen Gaskraftwerke betreiben, die sehr schnell hoch und auch wieder heruntergefahren werden können. So können dann auch Nachfragespitzen bedient werden.

Die Mineralölwirtschaft lagert ihre Produkte dagegen in Tanks, Speichern etc. Selbstverständlich ist die Bevorratung für die Unternehmen nicht kostenlos. Zum einen kostet die eigentliche Lagerinfrastruktur Geld, zum anderen verursachen auch die eingelagerten Produkte Kosten. Sie können erstmal nicht verkauft werden, verursachen also Produktionskosten, bringen aber noch keinen Umsatz. Für dieses Risiko, das mit der Überproduktion bzw. dem Bereithalten von Kapazitäten einhergeht, will das Unternehmen nun über eine zusätzliche Rendite entschädigt werden. Normalerweise passiert das über den Preismechanismus, der die Preise bei hoher Nachfrage nach oben treibt und damit dem Unternehmen zusätzliche Gewinne beschert. Genau das konnte man seit Beginn des Ukrainekonflikts an den Tankstellen beobachten. Die Mineralölkonzerne wurden dafür, dass sie in einer schwierigen Lage trotzdem die Versorgungssicherheit gewährleistet haben, mit einer Überrendite belohnt. Wenn nun aber die Regierung beschließt, in diesen Mechanismus einzugreifen, verringert sich der Anreiz für Unternehmen, dieses Risiko einzugehen. Sie könnten also anfangen, ihre Bevorratung zurückzufahren. Damit wird aber das ganze System destabilisiert und die Widerstandsfähigkeit gegenüber externen Störfaktoren nimmt ab. Oder einfacher ausgedrückt: Bei der nächsten Krise wird nicht die Höhe des Preises, sondern die Verfügbarkeit von Benzin überhaupt das Problem sein.

Unternehmen müssen oft langfristige Entscheidungen über Investitionen, Standorte etc. treffen. Ein wichtiger Entscheidungsfaktor ist dabei, dass die Umweltbedingungen einigermaßen konstant bleiben. Das bedeutet, dass externe Störfaktoren möglichst reduziert sind. Manche dieser Faktoren – wie etwa der Ukrainekrieg – sind nicht plan- oder steuerbar, andere schon. Zu nennen sind hier vor allem die staatlichen Rahmenbedingungen vor Ort. Das hier eine gewisse Konstanz, auch als Rechtssicherheit bekannt herrscht, war und ist seit jeher ein Standortvorteil von Demokratien. Das ist ein Punkt, der von Unternehmen gerne mal „übersehen“ wird, wenn Sie sich über die guten Bedingungen in autoritär regierten Ländern auslassen. Es kann durchaus zutreffen, dass dort viele Dinge einfacher und schneller funktionieren, aber das ist eben nur so lange der Fall, wie die entsprechende Autorität dem Unternehmen wohlgesonnen ist. Wenn sich das ändert, wünschen sich viele Unternehmen plötzlich Dinge wie einen Rechtsstaat, Klagemöglichkeiten etc. zurück.

„Die Übergewinnsteuer ist vor allem ein populär anmutendes Projekt, das aber weder durchdacht noch zielführend ist.“

Um nicht falsch verstanden zu werden: Eine Übergewinnsteuer verwandelt Deutschland nicht in einen autoritären Staat. Aber diese staatliche „Übergriffigkeit“ führt bei potentiellen Investoren zu Unsicherheiten. Sie können nämlich langfristig noch schwerer planen, da sie immer damit rechnen müssen, dass der Saat plötzlich auf die Idee kommt, die Spielregeln nachträglich zu seinen Gunsten zu ändern. Derartige Unsicherheit ist aber Gift für Deutschland als Investitionsstandort. Und da die Bundesrepublik nicht gerade als Niedrigsteuerland bekannt ist, wäre es unklug, einen wichtigen Standortfaktor ohne Not zu gefährden. Zumal die Regierung hierzulande bei vielen ihrer Vorhaben wie Energie-, Verkehrs,- oder welchen Wenden auch immer sehr stark auf Unterstützung, sprich Investitionen, der Wirtschaft angewiesen ist. Wie man aber Unternehmen davon überzeugen soll, sich in Deutschland anzusiedeln, wenn diese damit rechnen müssen, dass die Spielregeln im Nachhinein zu ihren Ungunsten geändert werden, bleibt wohl das Geheimnis der Regierung.

Fazit

Die Übergewinnsteuer ist vor allem ein populär anmutendes Projekt, das aber weder durchdacht noch zielführend ist. Außerdem lenkt es von der Verantwortung der Politik für die aktuelle Situation ab. Anstatt also danach zu fragen, wem man jetzt noch wieviel Geld abnehmen kann, wäre es besser seine Hausaufgaben zu machen und einige strukturelle Probleme anzugehen. Mit Symbolpolitik auf Stammtischniveau ist das aber nicht möglich.

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