21.09.2015

Der lange Arm der Tabakbekämpfung

Kommentar von Christoph Lövenich

Gegen die Dortmunder Tabakmesse InterTabac haben am Wochenende wieder kleine Antirauchergruppen demonstriert. Der globale Einfluss der Tabakbekämpfer ist aber nicht zu unterschätzen. Sie gefährden die Wirtschaft in Entwicklungs- und Schwellenländern

Am Wochenende fand in Dortmund wieder die alljährliche InterTabac statt, die „weltweit größte Fachmesse für Tabakwaren und Raucherbedarf“, nur für Fachbesucher zugänglich. [1] Ein Großereignis für Hersteller und Händler von Tabakprodukten und Feuerzeugen, für Verbandsfunktionäre und Branchenjournalisten, aber nichts, wovon die allgemeine Öffentlichkeit Notiz nehmen müsste, möchte man meinen.

Dennoch versucht eine kleine Schar von Antirauchaktivisten seit Jahren, diese Geschäftsleute-Veranstaltung zum großen Politikum zu erheben. „Stoppt die InterTabac in Dortmund“ [2], schreit es wieder mal aus dem Forum Rauchfrei und seinen Kooperationspartnern heraus. Erneut hat es eine großspurig als Demonstration angekündigte Mahnwache der üblichen paar eingeschworenen Empörten gegeben. Das Forum Rauchfrei, eine aus der Berliner Gesundheitsbürokratie entstandene und mit weltweiten Antitabakorganisationen vernetzte Gruppierung, wird vor allem von seinem Frontmann, dem ehemaligen Grünen Bezirksstadtrat Johannes Spatz verkörpert. [3]

Da Tabak böse sei, dürfe „die Vertriebsmesse des Todes“ [4] keinesfalls stattfinden, lautet letztlich die Argumentation dieser Kreise. Deshalb ruft man diverse staatliche Autoritäten auf, gefälligst gegen die Handelsveranstaltung einzuschreiten und hat sogar die leuchtende Instanz des anständigen Bürgers, das Ordnungsamt, eingeschaltet. Veranstalter ist die städtische Messe-GmbH und so wird der Dortmunder Oberbürgermeister Ulrich Sierau (SPD) seit Jahren mit heftigen Vorwürfen überzogen.

Bezeichnend ist dabei, dass Spatz und die Seinen für sich selbstverständlich die Demonstrationsfreiheit in Anspruch nehmen, ihre Parolen öffentlich zu verbreiten, während die Tabakbranche nicht einmal hinter verschlossenen Türen ihre – unpolitischen – Geschäfte abschließen dürfe. Hier entpuppt sich Spatz ganz als intoleranter Alt-68er, der dem Feindbild und Andersdenkenden die Rechte abspricht. Ebenso bezeichnend ist, dass Spatz die Tabakkonzerne als „Spitze eines kapitalistischen Eisbergs“ betrachtet und ihn als Mediziner überhaupt die Frage umtreibt, „wie Kapitalismus krank macht“. [5] Nun werden Tabakprodukte seit Jahrzehnten zunehmend engmaschiger reguliert, so dass von einem freien Markt immer weniger übrig bleibt, aber Spatz‘ Denken steht stellvertretend für viele „Linke“, die durch Ausweichen auf Lebensstilfragen, Rufen nach dem verbietenden Staat und moralinsaure Parolen politischen Einfluss gewinnen wollen.

„Der in den Paternalismus abgeglittene Westen will seine Trend-Ideologien den Entwicklungs- und Schwellenländern aufpfropfen“

Der Mediziner und Präventionsexperte Prof. Romano Grieshaber, der sich seit Jahren intensiv mit Tabakforschung und -politik beschäftigt, urteilt: „Am Beispiel Johannes Spatz […] wird überdeutlich, wie Menschen mit Tunnelblick, die in fanatisierten, ideologisierten Vorstellungswelten leben, demokratische Grundprinzipien aushöhlen.“

Für die klamme Ruhrgebietsstadt Dortmund bedeutet die InterTabac eine relevante Einnahmequelle, und der OB lässt sich auf die hysterischen Attacken nicht ein. Sierau weigerte sich, Unterschriftenlisten von Spatz entgegenzunehmen [6] und soll sogar – zum blanken Entsetzen eines Antirauchers – eine Protestkarte gegen die Messe „vor den interessierten Augen zahlreicher Passanten“ zerknüllt haben, um sie sodann „im nächsten Mülleimer zu entsorgen“. [7]

Das klingt vordergründig beruhigend: Antiraucher rufen im Rahmen ihrer Meinungsfreiheit hysterische Phrasen, und die Karawane zieht weiter. Tatsächlich aber ist Spatz, im Verbund mit der internationalen Tabakbekämpfungs-Maschinerie, im letzten Jahr ein Coup gelungen: Die Tochterveranstaltung Inter-tabac ASIA, 2014 auf der indonesischen Insel Bali geplant, musste kurz vor Beginn abgesagt werden. Durch gezielte Protestaktionen hatte man die örtliche Politik unter Druck gesetzt, und mit fadenscheiniger Begründung wurde schließlich die Genehmigung für die Messe zurückgezogen. „Die gesamte Entwicklung trägt Züge von politisch motivierter Willkür“, kritisierte die Messegesellschaft. [8] In einem weniger stabilen Rechtsstaat bei nicht so klaren Strukturen lassen sich für Spatz und die Seinen eher Erfolge erzielen.

Auch in Deutschland rührte man unter der Bezeichnung „Dortmund Kills“ eifrig die Protesttrommel: Rauchende Kinder in Indonesien und Kinderarbeit in der dortigen Tabakwirtschaft wurden argumentativ gegen die asiatische Messe in Stellung gebracht und zu Themen der Dortmunder Kommunalpolitik gemacht. Derlei Angelegenheiten gehören aber in den Aufgabenbereich des souveränen Staates Indonesien und nicht in den westlicher Behörden, westlich gelenkter NGOs und aufgeregter Gutmenschen. Die Tabakbekämpfung unter dem Dach der WHO, mit den Staaten bzw. ihren Gesundheitsbürokratien, großen Pharmafirmen und Spenden amerikanischer Antiraucher-Milliardäre im Hintergrund [9], verfolgt aber genau diesen Ansatz: Der in den Paternalismus abgeglittene Westen will seine Trend-Ideologien den Entwicklungs- und Schwellenländern aufpfropfen – die nun wirklich andere Probleme bewältigen müssen.

„Was würde das für die Menschen in Malawi bedeuten, wenn man ihnen die Lebensgrundlage entzieht?“

Da passt es ins Bild, dass Bundes- und Landesbehörden das Berliner Projekt Unfairtobacco.org, das auch an der Verhinderung der Inter-tabac ASIA beteiligt war, subventionieren. Dort arbeiten verschiedene Damen aus dem ‚alternativen‘ Spektrum in enger Abstimmung mit WHO-Strukturen an einer Darstellung des Tabakanbaus als gesundheitlich und ökologisch schädlich sowie menschenrechtsverletzend. [10] Dem entspricht eine Formulierung des Heidelberger WHO-Kollaborationszentrums für Tabakkontrolle: „Vernichtete Wälder, verseuchte Böden, vergiftete Gewässer, erkrankte Arbeiter auf Tabakplantagen, ja sogar Kinderarbeit, Hunger und Armut – der Tabakanbau hinterlässt eine Spur der Umweltzerstörung und des sozialen Elends.“ [11] „Da staunen die deutschen Tabakbauern sicherlich“, merkt dazu der oben zitierte Prof. Grieshaber an, „in deren Anbaugebieten solche verheerenden Folgen doch irgendwann im Lauf der letzten 400 Jahre hätten auftreten müssen.“ [12]

Nicht nur der Tabakanbau hierzulande hat über Jahrhunderte Wesentliches geleistet, heute trägt dieser Agrarzweig in vielen aufstrebenden Ländern erheblich zur wirtschaftlichen Entwicklung bei. Das bitterarme afrikanische Malawi lebt zu einem großen Teil vom Anbau des „Braunen Goldes“. Antitabak-Organisationen wollen dem ein Ende bereiten. Was würde das für die Menschen in Malawi bedeuten, wenn man ihnen die Lebensgrundlage entzieht? Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) muss sich wirklich fragen, warum es die Arbeit von Unfairtobacco.org finanziell unterstützt, die die Existenz von Menschen in Entwicklungsländern dermaßen gefährdet.

So macht der lautstarke Eifer gegen die Dortmund InterTabac-Messe nur einen Stein des Mosaiks aus, der den an der Tabakwirtschaft Beteiligten, bis hinein in kleinste afrikanische und indonesische Dörfer, die Existenzgrundlage in Abrede stellt. Es bleibt den Johannes Spatzens dieser Welt unbenommen, irgendwo mit Plakaten zu posieren. Aber bei dem ganzen Steuergeld, das zum Zwecke der Vernichtung unliebsamer Wirtschaftszweige und Konsumformen ausgegeben wird, ist das Ende der Fahnenstange längst überschritten.

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