23.12.2025
Der Kampf um den Weihnachtsmarkt
Zwischen islamistischem Terror, elitärer Verachtung und öffentlich-rechtlichen Faktenchecks strömt die normale Bevölkerung weiterhin auf die Weihnachtsmärkte – trotz Anschlagssorgen.
Die „Faktenchecker“ haben dieser Tage viel zu tun. Seit Wochen schieben sie ganz offensichtlich Überstunden, um Behauptungen über das langsame Sterben der deutschen Weihnachtsmärkte zu widerlegen. „Nein, Weihnachtsmärkte werden nicht massenhaft abgesagt“, schreibt das Faktencheck-Team des ZDF. In einem anderen ZDF-Beitrag wird davor gewarnt, dass gerade „Fake News über Weihnachtsmärkte“ viral gingen. Es sei doch alles gut – so lautet die Botschaft solcher Meldungen.
Diese Beschwichtigungen fruchten jedoch immer weniger, wie Umfragen zeigen. Zwar besuchen weiterhin Millionen Menschen Weihnachtsmärkte, doch eine aktuelle YouGov-Umfrage ergab, dass sich rund 62 Prozent der Befragten durchaus Sorgen um ihre Sicherheit machen: 22 Prozent sind sehr besorgt, 40 Prozent zumindest leicht.
Diese Befürchtungen sind, wie wir wissen, keineswegs unbegründet. Das zeigen allein die Meldungen über vereitelte Anschläge der vergangenen Wochen. In Bayern wurden fünf Männer – drei Marokkaner, ein Ägypter und ein Syrer – festgenommen, die einen islamistisch motivierten Anschlag mit einem Fahrzeug auf einen Markt im Raum Dingolfing-Landau geplant haben sollen. Am selben Tag wurde in Magdeburg ein 21-Jähriger aus Zentralasien festgenommen, dem ebenfalls die Planung eines Anschlags vorgeworfen wird.
Dies sind keine Einzelfälle. Im Jahr 2023 soll ein Iraker einen Messerangriff auf den Weihnachtsmarkt in Hannover geplant haben. Im November des vergangenen Jahres wurde in der Nähe von Hamburg ein 17-jähriger Islamist festgenommen, zu dessen mutmaßlichen Zielen ebenfalls ein Weihnachtsmarkt gehörte.
„Ein Großteil der politischen und medialen Elite versucht, Ausmaß und Bedeutung dieser Bedrohung herunterzuspielen.“
Die tatsächlich verübten Anschläge in Berlin 2016 und Magdeburg 2024, bei denen insgesamt 19 Menschen getötet und über 200 schwer verletzt wurden, zeigen, wie real diese Gefahr ist. „Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod“ – mit diesem Satz beschreibt der französische Islamwissenschaftler Olivier Roy die Weltanschauung radikaler Islamisten. Er trifft die innere Logik dieser Anschläge. Weihnachtsmärkte sind zu symbolischen Zielen in einer Art heiligem Krieg gegen ganz normale Menschen geworden: Familien, Paare, Kollegen und Freunde, die eine alte Tradition genießen.
Dennoch versucht ein Großteil der politischen und medialen Elite, Ausmaß und Bedeutung dieser Bedrohung herunterzuspielen. Wer das Thema anspricht, riskiert, als rechtsextremer „Islamophober“ abgestempelt zu werden. Wie die gescheiterten Versuche zeigen, die Ängste der Öffentlichkeit mit „Faktenchecks“ zu zerstreuen, ist Leugnen zur bevorzugten Reaktion geworden.
Es gibt noch eine weitere Ironie in dieser Debatte. Es sind nämlich nicht nur Terroristen, denen Weihnachtsmärkte ein Dorn im Auge sind. Seit Jahrzehnten werden sie auch von Teilen der kulturellen und politischen Elite mit mehr oder weniger offener Verachtung betrachtet. Verfechter von Multikulti, Klima- und Umweltaktivisten sowie Lifestyle-Moralisten sehen im Weihnachtsmarkt etwas Vulgäres oder Rückständiges – eine Tradition, gepflegt von der ‚falschen‘ Sorte Mensch. Die Kritikpunkte sind bekannt: zu viel Müll, zu viel CO₂, zu viel Alkohol und Essen, oder schlicht mangelnde „Inklusivität“. Kurz gesagt: Die grün-linke Elite betrachtet Weihnachtsmärkte häufig als etwas, das reformiert, gezähmt oder ersetzt werden müsse.
Ein Beispiel lieferte ein im vergangenen Monat erschienener Spiegel-Kommentar mit dem Titel: „Weihnachtsmärkte sind die Hölle“. Illustriert wurde er – fast schon zynisch – mit einem Bild der Berliner Gedächtniskirche, dem Ort des bislang tödlichsten islamistischen Anschlags auf einen Weihnachtsmarkt. Der Autor Nikolaus Blome spricht von einer „christlich-kulturellen Verbrämung von Kitschkonsum“ und fragt: „Was hat dieser zumeist völlig verkitschte, verfressene, versoffene Rummel-Rums mit ‚Weihnachten‘ zu tun?“
„In Potsdam forderten Mitglieder der Grünen und ihre Verbündeten, ein ‚Expertengremium‘ solle die Kontrolle über den örtlichen Weihnachtsmarkt übernehmen.“
In Potsdam forderten Mitglieder der Grünen und ihre Verbündeten, ein „Expertengremium“ solle die Kontrolle über den örtlichen Weihnachtsmarkt übernehmen, um sicherzustellen, dass er ausreichend „nachhaltig“ und „integrativ“ sei. Bemerkenswerterweise fiel die Empörung in denselben Kreisen im vergangenen Jahr gering aus, als sich Tausende Syrer auf dem Stuttgarter Weihnachtsmarkt versammelten, um den Sturz des Assad-Regimes mit „Allahu-Akbar“-Rufen zu feiern. Wieder beeilten sich Faktenprüfer, Berichte über Islamisten auf Weihnachtsmärkten als „Fake News“ abzutun.
Fairerweise muss man sagen, dass auch die andere Seite des Kulturkampfes nicht ganz unschuldig ist. Behauptungen, Weihnachtsmärkte würden aus Gründen politischer Korrektheit massenhaft in „Wintermärkte“ umbenannt, sind stark übertrieben. In den meisten Fällen liegt die Erklärung schlicht darin, dass diese Märkte bereits vor Beginn der Adventszeit – etwa um den Totensonntag herum – eröffnen oder erst nach Weihnachten enden, z.B. zum Dreikönigstag.
Dennoch gibt es Bestrebungen, die christliche Tradition der Weihnachtsmärkte aufzuweichen. In manchen Städten sind „LGBTQIA“ oder „multikulturelle“ Weihnachtsmärkte entstanden. Obwohl sie als besonders inklusiv präsentiert werden, signalisieren sie oft eine eigene Form von Exklusivität, indem sie implizit jene „normalen“ Besucher ausschließen, die die ideologischen Moden der Eliten nicht teilen.
Natürlich soll hier keine direkte Verbindung zwischen islamistischem Terror und elitärem Snobismus gezogen werden. Doch in beiden Fällen tritt eine kaum verhohlene Verachtung für die Gewohnheiten, Vorlieben, Vergnügungen „normaler“ Menschen und auch ihre Verbundenheit mit Traditionen zutage.
„Dass die Terroristen die Moral nicht vollständig gebrochen haben, sagt viel über die Widerstandsfähigkeit der Bevölkerung aus.“
Viele konservative Kritiker des Islamismus argumentieren, Weihnachtsmärkte müssten als christliche Tradition verteidigt werden. Doch auch das greift zu kurz. Weihnachtsmärkte waren nie rein religiös motiviert. Sie waren aber ebenso wenig bloße Konsumveranstaltungen. Ja, sie sind bedeutende Wirtschaftsfaktoren – rund 3000 finden jährlich statt –, generieren Milliardenumsätze und sichern Existenzen von Schaustellern und Kunsthandwerkern. Nicht nur berühmte Märkte wie der Nürnberger Christkindlesmarkt ziehen Touristen aus aller Welt an. Vor allem aber sind sie soziale Räume. Sie bringen Menschen in den dunkelsten Monaten des Jahres zusammen. Familien besuchen sie, Kollegen treffen sich nach der Arbeit, Sportvereine und Chöre kommen dort zusammen. Sie wecken Kindheitserinnerungen und stiften Zugehörigkeit.
Das Moralisieren der Elite allein war lange keine ernsthafte Bedrohung. Die einfachen Leute ließen sich davon kaum beeindrucken. Die Märkte florierten weiter und verbreiteten sich sogar international. In Deutschland sind sie auch bei Einwanderern beliebt – was nicht zuletzt dadurch unterstrichen wird, dass unter den Opfern der jüngsten Anschläge Menschen mit Migrationshintergrund waren.
Was ihren Charakter jedoch wirklich verändert hat, ist der Terrorismus – in Verbindung mit einer Elite, die nicht bereit ist, sich der Realität islamistischer Gewalt und den massiven Problemen der Einwanderungspolitik zu stellen. Betonklötze, bewaffnete Polizisten und Sicherheitsschleusen gehören heute auf fast allen Märkten zum Standard.
Ja, die allermeisten Weihnachtsmärkte konnten auch in diesem Jahr öffnen. Doch einige wurden wegen der hohen Sicherheitsauflagen abgesagt. Der Druck ist groß, die Zukunft vieler Märkte ungewiss. Dass die Terroristen die Moral nicht vollständig gebrochen haben, sagt viel über die Widerstandsfähigkeit der Bevölkerung aus. Wenn die Faktenprüfer in einem Punkt Recht haben, dann in diesem: Die Märkte sind noch immer voll. Viele Besucher scheinen damit eine Botschaft zu senden – nicht nur an elitäre Langweiler, sondern auch an jene, die den Tod verherrlichen.