14.12.2020

Der harte Lockdown: Die Regierung stellt sich gegen die Bevölkerung

Von Sabine Beppler-Spahl

Wer die harten Lockdown Massnahmen zu Weihnachten und Neujahr nicht einhalten wird, sollte gegen sie protestieren.

Die Wahrheit ist das erste Opfer des Krieges, schrieb der griechische Tragödiendichter Aischylos vor über 2000 Jahren. Gut möglich, dass dies auch für den Krieg gegen Corona gilt. In Deutschland jedenfalls, wo die Regierungen mit wenig ehrlichen Methoden die Weihnachts- und Neujahrsfeiern der Bürger einschränken wollen, scheint dies der Fall zu sein.

Nachdem die Verwaltungen aufgrund ständig ansteigender Covid-Zahlen unter Druck geraten waren, hat die Regierung nun ihre harten neuen Regeln für Dezember angekündigt. Dazu gehört die Aufforderung, das Haus nur aus wichtigen Gründen zu verlassen und die sozialen Kontakte auf höchstens fünf Personen (ausgenommen sind Kinder unter 14 Jahren) aus maximal zwei Haushalten zu beschränken. Ab Mittwoch bleiben auch die Läden geschlossen.

Einem Großteil der Bürger wird es sehr schwer fallen, sich an diese Regeln zu halten. Viele Familien werden niemanden zum Weihnachts- oder Neujahrsfest einladen können. Onkel, Tanten, Großeltern und so weiter werden wohl allein zu Hause bleiben müssen. Paare mit erwachsenen Kindern, die nicht mehr zu Hause wohnen, werden entscheiden müssen, welcher ihrer Söhne oder Töchter sie besuchen kann. Selbst das Treffen mit anderen zu einem Weihnachts- oder Neujahrsumtrunk in einem Park könnte, den neuen Vorschriften zufolge, verboten sein.

Diese Regeln drücken sowohl die Hilflosigkeit der Regierung als auch ihr tiefes Misstrauen gegenüber den Bürgern aus. Die Behörden haben es nicht geschafft, trotz des anhaltenden Lockdowns die Covid-Todesrate unter Kontrolle zu bringen. Es ist ihnen auch nicht gelungen, die Intensivkapazitäten der Krankenhäuser in manchen Hotspots auszubauen (am letzten Sonntag im November sprang das Covid-Alarmsystem in Berlin auf Rot, da mehr als 25 Prozent der verfügbaren Betten mit Covid-Patienten belegt waren).

„Aber anstatt ihre Strategie zu überdenken, der Öffentlichkeit zu vertrauen, die Bande der Solidarität zu stärken und die Debatte zu eröffnen, greift die Regierung zu noch mehr Repressionen.“

Aber anstatt ihre Strategie zu überdenken, der Öffentlichkeit zu vertrauen, die Bande der Solidarität zu stärken und die Debatte zu eröffnen, greift die Regierung zu noch mehr Repressionen. Und genau hier beginnt die Unehrlichkeit. Es ist einfacher für die Regierung, die Öffentlichkeit verantwortlich zu machen, als zuzugeben, dass sie viele ihrer ursprünglichen Ziele bei der Bekämpfung der Krankheit verfehlt hat – wie z. B. einen Weg zu finden, die Alten und Schwachen abzuschirmen (ein Drittel aller Covid-Todesfälle ereignet sich z.B. in Berlin in Pflegeheimen. In anderen Bundesländern, z.B. Hessen wo zwei Drittel aller Todesfälle in Altenheimen zu beklagen sind, sieht es ähnlich aus.

Doch das ist nur die eine Seite der Geschichte. Die andere ist, dass bisher zu wenige bereit sind, sich offen gegen die strengen Vorschriften zu stellen – selbst im freiheitsliebenden Berlin. Dafür gibt es natürlich einen Grund. Seit Monaten werden all diejenigen, die gegen die Maßnahmen – z.B. bei den Querdenken-Demonstrationen – protestieren, von vielen Medien und Politikern mit Rechtsextremen gleichgesetzt. Und das, obwohl eine aktuelle Studie zeigt, dass die meisten Teilnehmer dieser Proteste gar nicht rechtsextrem sind. Zunehmend wird sogar die Forderung erhoben, Querdenken unter Beobachtung des Verfassungsschutzes zu stellen (in Baden-Württemberg geschieht dies bereits seit Anfang Dezember).

Wer also seinen Unmut über die Coronapolitik äußert, läuft Gefahr, als Covid-Leugner oder rechter Verschwörungstheoretiker diskreditiert zu werden. In einem solch repressiven Klima ist es kaum verwunderlich, dass Umfragen immer noch eine hohe Zustimmung für die Einschränkungen ausweisen (so z.B. das Politbarometer des ZDF). Abgesehen davon, dass solche Befragungen wegen des genannten Meinungsklimas mit Vorsicht zu genießen sind, sagen die Statistiken außerdem wenig darüber aus, welche Maßnahmen die Menschen im Einzelnen befürworten. Analysen, die die Maßnahmen getrennt gewichten, weisen auf ein komplexeres Bild hin. So hielten im November (vor der Ankündigung des strengeren Lockdowns) zwar satte 94 Prozent der Befragten die Abstandregelungen für angemessen (was sehr vernünftig ist). Doch nur 42 Prozent fanden es richtig, dass die Gastronomie geschlossen wurde.

Was die Bürger von den Maßnahmen ihrer Regierung halten, ist bisher nur unvollständig erfasst worden. Wir können jedoch davon ausgehen, dass viele gegen die Regeln verstoßen werden. In meinem eigenen Bekanntenkreis, in dem viele die Querdenken-Demonstrationen ablehnen, erwägen manche, die Fünf-Personen-und-zwei-Haushalte-Regel zu missachten – zumindest kurzzeitig. Das sollte niemanden überraschen. Wir wissen, dass Regierungen, die es nicht schaffen, die Menschen von der Richtigkeit ihres Handelns zu überzeugen, nicht nur Respekt und Unterstützung verlieren, sondern auch einer „mauvaise foi” (Unaufrichtigkeit) Vorschub leisten.

„Die Grünen versuchen natürlich schon seit Jahren, Feuerwerke an Silvester zu verbieten. Corona dient hier lediglich als Vorwand.“

Ältere Berliner, Sachsen, Thüringer usw. werden sich daran erinnern, wie die DDR-Bürger immer perfektere Methoden entwickelten, um sich staatlichen Beschränkungen und Regeln zu entziehen. Doch paradoxerweise spielt auch diese Unaufrichtigkeit den Regierungen in die Hände. Warum? Weil sie zu keiner wirklichen Veränderung führt und außerdem die Gesellschaft spaltet. Ihr liegt nicht selten die Annahme zugrunde, dass der härtere Lockdown nur deswegen notwendig geworden sei, weil sich „die anderen” – also die Dummen oder Rücksichtslosen, die Corona nicht ernst nehmen – falsch verhalten hätten. Da man von sich selbst meist eine bessere Meinung hat, sieht man das Gesetz als ein Problem dieser anderen an.

Und da ist etwas Wahres dran: Die Weihnachts- und Neujahrsregeln werden nicht alle in gleicher Weise betreffen. Familien, die in den besser gestellten Vororten wohnen, werden wahrscheinlich leichter damit durchkommen, eine kleine Weihnachtsfeier zu veranstalten. Diejenigen, die in einer kleinen Wohnung in den ärmeren Bezirken leben – und die sicherlich einem höheren Maß an polizeilicher Kontrolle ausgesetzt sein werden – müssen vorsichtiger sein. Andere, privilegiertere Berliner, wie ein befreundeter Arzt, werden versuchen, ihre Familie in ein Ferienhaus einzuladen, in der Hoffnung, dass es dort weniger auffällt.

Unterschiede gibt es auch darin, was die Menschen an den Festtagen und zu Silvester gerne tun. Während viele Mittelschichtsfamilien kein Problem damit haben, den letzten Tag des Jahres ruhig in ihrem Wohnzimmer mit etwas Sekt zu verbringen, können sich viele Berliner aus der Arbeiterklasse kein Silvester ohne ihr geliebtes Feuerwerk vorstellen. Und genau das wollen die Grünen verbieten – mit der Begründung, dass Feuerwerkskörper zu Verletzungen und zusätzlichen Belastungen für die Krankenhäuser führen könnten. In Wahrheit versuchen die Grünen natürlich schon seit Jahren, Feuerwerke an Silvester zu verbieten. Corona dient hier lediglich als Vorwand.

Letztlich betreffen die repressiven Verordnungen der Regierung jedoch uns alle. Die Menschen müssen selbst entscheiden dürfen, wie sie mit den Risiken der Krankheit in der Zeit des Jahreswechsels umgehen. Die Vorstellung, dass sich die harten Vorschriften nur gegen ein paar faule Äpfel richten, ist so, als würde man sagen, dass die öffentliche Überwachung für diejenigen, die nichts zu verbergen haben, kein Problem darstellt. Freiheit und Demokratie sind nicht teilbar, und deshalb sollten wir alle gegen diese immer schärferen Vorschriften eintreten.

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