25.04.2025

Der Fußabdruck von Papst Franziskus

Von Brendan O’Neill

Titelbild

Foto: ptra via Pixabay

Das verstorbene Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche, Papst Franziskus, ließ sich zu sehr von postmodernen Eliten und ihren Themen instrumentalisieren: Klima, offene Grenzen, Relativismus.

Papst Franziskus ist tot. Der 266. Bischof von Rom starb in den frühen Morgenstunden des Ostermontags. Er war der erste Lateinamerikaner und der erste Jesuit im Papstamt. Es zeugt von seiner Standhaftigkeit im Angesicht der Krankheit, dass er am Vortag noch Tausenden von Gläubigen auf dem Petersplatz ein frohes Osterfest wünschte, nur wenige Stunden, bevor er „in das Haus des Vaters zurückkehrte“, wie es der Vatikan formulierte. Doch trotz aller Willensstärke war sein zwölfjähriges Pontifikat letztlich ein tragisches. Roms „Werkzeug Gottes“ ließ sich allzu oft zum Instrument der globalen Eliten machen, worunter sowohl der Glaube als auch die Politik gelitten haben.

Er wurde 1936 als Jorge Bergoglio in Buenos Aires als Sohn italienischer Einwanderer geboren, die vor der faschistischen Diktatur Mussolinis nach Argentinien geflohen waren. Dass ihr Sohn später nach Italien zurückkehrte, um das heiligste Amt des Katholizismus zu bekleiden, hat etwas Historisches: 2013 wurde er nach dem Rücktritt von Benedikt XVI. zum Papst gewählt. Er versuchte, die Tugenden, die er als Bischof von Buenos Aires verinnerlicht hatte, mit in den Vatikan zu bringen: die Liebe zu den Armen und Ausgegrenzten. Doch zeitlebens verfolgten ihn Vorwürfe, er habe die Militärdiktatur unterstützt, die Argentinien von 1976 bis 1983 regierte. Damals stand er an der Spitze des argentinischen Jesuitenordens, und der Orden unterstützte die Junta.

Das ist die Tragik von Franziskus: Nachdem er teilweise ein Instrument der Söldnerherrscher Argentiniens gewesen war, ließ er sich später zu einem Instrument der ebenso söldnerischen, wenn auch weniger tyrannischen Einflussnehmer des kulturellen Establishments machen. In den Augen des Konklaves, das ihn wählte, war das Pontifikat von Franziskus ein „Korrektiv" zu dem von Benedikt XVI. Wo Benedikt ein Traditionalist gewesen sei, sei Franziskus ein Reformer. Wo Benedikt sehr intellektuell gewesen sei, sei Franziskus bescheiden. Während Benedikt einen unaufhörlichen Krieg gegen die „Diktatur des Relativismus" führte, gegen diesen verfluchten ideologischen Kult, der „nichts als endgültig" anerkennt, sagte Franziskus bekanntlich als Antwort auf eine Frage über homosexuelle Priester: „Wer bin ich, um zu urteilen?"

Es war der neue Vibe: von einem Papst, der versuchte, das Werturteil aus den stürmischen Meeren des Relativismus zu retten, zu einem Papst, der jedes Urteil vermied, von einem abweisenden Papst zu einem Papst, der eine „radikale Willkommenshaltung" einnahm und die Türen der Kirche für alle „ohne Zensur" öffnete. Franziskus erntete sogar Applaus von jenen, die Benedikt als „Fanatiker" und „Tyrannen" gebrandmarkt hatten. „Der Papst ist woke - und wir sollten das feiern", titelte der Independent. Man nannte ihn sogar „queerfreundlich", nachdem er den priesterlichen Segen für gleichgeschlechtliche Partnerschaften unter bestimmten Umständen erlaubt hatte. Doch die Gunst, die Franziskus von den post-göttlichen Eliten erhielt, hatte einen hohen Preis für die Kirche, der er vorstand.

„Wo früher Katholiken Gott um Vergebung anflehten, sollten sie nun die Wettergötter durch ‚Änderungen des Lebensstils‘ besänftigen.“

Wie John Cornwell vom Jesus College in Cambridge schrieb, hatte der Argentinier vor seiner Wahl eine „gut geplante Reihe von Maßnahmen" vorbereitet. Und alles war ganz auf die Zeit nach Benedikt ausgerichtet. Das argentinische Pontifikat würde die Akzeptanz von „LGBTQ-Gemeinschaften" mit sich bringen, eine Ablehnung des Klerikalismus, eine Öffnung für die Idee weiblicher Diakone, eine Reform der Kirche, um sie weniger zentralistisch auf das Diktat des Vatikans auszurichten, und – am auffälligsten – einen neuen Fokus auf die „Klimakrise". Wie Cornwell zusammenfasste, würde Bischof Bergoglio, wenn er gewählt würde, „die Umweltsünden in den Vordergrund stellen" statt der Sünden im Zusammenhang mit „Sexualität und Lebensschutz". Vergessen Sie die Unzucht – es ist das Nicht-Recyceln, das Sie in die Hölle katapultieren wird.

Als er Papst wurde, setzte er diese Politik um. Vor allem beim Klimawandel. Er versprach, den CO2-Fußabdruck des Vatikans zu minimieren. Wo der Vatikan einst als glorreiches Denkmal Gottes galt, wurde er nun wie eine Pest auf Erden behandelt. Ein Ort des Staunens, der Kunst und des Gebets wurde zu einer Belastung für Mutter Natur umgedeutet, zu einem „Fußabdruck", den es zu verkleinern gilt. Die Katholiken müssten für ihre Sünden gegen die Natur „Buße tun" und ihren „Lebensstil ändern", verordnete Franziskus. Man konnte sich nur fragen, welchem Gott er da diente: dem Gott des Christentums oder dem Gott des Öko-Denkens? Wo früher Katholiken Gott um Vergebung anflehten, sollten sie nun die Wettergötter durch „Änderungen des Lebensstils" besänftigen. Neuheidnische Rituale wie Recycling und CO2-Kompensation konkurrierten mit dem älteren Ritual der Gemeinschaft in Gott.

Der Klimaalarmismus ist nicht die einzige modische Ideologie, der Franziskus in seinem Reformwillen den Vatikan geöffnet hat. Er wurde zum Verfechter der „Post-Border-Doktrin“ der neoliberalen Eliten, wie sein jüngster Zusammenstoß mit J.D. Vance zeigt. Da saß er in seiner befestigten Stadt, mit Wachen an jedem Tor, und beklagte die „Massenabschiebung" illegaler Einwanderer durch die Trump-Regierung. In jüngster Zeit schien er sich die Israelfeindlichkeit der geschwätzigen Schichten Europas  zu eigen zu machen. Zahlreiche Predigten widmete er der Verurteilung der „Grausamkeit" des israelischen Vorgehens. Dies brachte ihm eine scharfe Rüge des Oberrabbiners von Rom ein, der ihn der „selektiven Entrüstung" bezichtigte, weil er von Gaza besessen sei und andere menschliche Tragödien vernachlässige. Der Papst solle „die Welt nicht in Kinder und Stiefkinder einteilen", sondern „das Leiden aller anprangern", so der Rabbiner.

„Wo Überzeugung fehlt, kann auch der irdische Stellvertreter Gottes zu einem Stellvertreter der irdischen Torheiten werden.“

War der Vatikan unter Benedikt so etwas wie eine Bastion gegen den postfaktischen Wahn der neuen Eliten, so ließ er sich unter Franziskus allzu oft von den Sorgen dieser politischen Klasse überwältigen. Offenbar können die Aussetzung moralischer Urteile im Stil Benedikts und die Annahme einer „radikalen Willkommenshaltung“ anstelle dessen dazu führen, dass neben Sündern, die nach Erlösung suchen, auch fragwürdige Glaubensansichten Zutritt erhalten. Das ist eine Lehre für uns alle, auch für Nichtkatholiken: Nämlich, dass postmoderne Werturteilsfreiheit eher ein Rezept für moralische Verwirrung als für moralische Klarheit ist. Wenn man dem Leben „ohne Verurteilung und ohne Urteil" begegnet, ist man gefährdet, modischen Illusionen zu verfallen. Wo Überzeugung fehlt, kann auch der irdische Stellvertreter Gottes zu einem Stellvertreter der irdischen Torheiten werden.

Unter Franziskus änderte sich die Bedeutung der Kirche. Waren die Gläubigen nun Umweltverschmutzer? Waren ihre Kirchen ökologische Narben auf der Erde und keine Tempel für etwas Himmlisches? Wenn die Kirche etwas ist, dann sicherlich eine Festung gegen die Launen und den Druck des Lebens in einer marktwirtschaftlich orientierten Gesellschaft. Selbst als sehr abtrünniger Katholik, der den Glauben seiner Jugend vor langer Zeit aufgegeben hat, sehe ich darin eine Tugend. Ich bin ein Atheist, der den Neuen Atheisten erklären muss, dass es einen Sinn hat, dass die Menschen immer noch in die Kirche gehen. Warum sollten sie in einer Welt, in der ihre Arbeitskraft ausgebeutet, ihre Lebensweise gedemütigt und jede ihrer Handlungen als umweltschädlich angeprangert wird, nicht Zuflucht in einer Institution suchen, in der sie wenigstens die unumstößliche Gleichheit genießen, ein „Kind Gottes" zu sein? Doch selbst das ist in Gefahr, wenn die Kirchen sich postmoderne Ideologien zu eigen machen. Ist man denn nirgendwo sicher vor dem Zugriff einer herrschenden Klasse, die den Glauben an die Menschheit verloren hat?

Der Vatikan ist kein „CO2-Fußabdruck" – nein, er ist die beste Illustration für Marx' Verständnis der Religion, wo der Mensch „in der phantastischen Wirklichkeit des Himmels ein übermenschliches Wesen sucht und dort nichts als den Widerschein seiner selbst findet". Er ist ein Monument menschlicher Erfindungsgabe, das sich ebenso wenig zu entschuldigen braucht wie die Pyramiden.

Gewiss, Franziskus war nicht „woke" – einerseits war er ein Kritiker der „Cancel Culture" und versuchte, seinen Reformismus mit Prinzipien in Einklang zu bringen. Aber sein Pontifikat ist ein Zeugnis dafür, was passieren kann, wenn wir uns von selbstsüchtigen Eliten einschüchtern lassen. Benedikt musste lernen, dass der Preis für moralische Überzeugung Unbeliebtheit ist. Franziskus musste lernen, dass der Preis für moralische Kompromisse Verwirrung ist. Das ist die schwere Entscheidung, vor der wir alle in diesen turbulenten Zeiten stehen, Gläubige wie Nichtgläubige.

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