03.05.2019
Den Klimawandel erwachsen diskutieren
Von Andrea Seaman
Die „Fridays for Future“-Demonstrationen um Greta Thunberg zeigen, dass die Klimawandel-Debatte immer kindischere Züge annimmt. Zumal Schüler den Unterricht schwänzen, der sie erst indoktriniert hat.
Greta Thunberg, der 16-jährigen schwedischen Umweltschützerin, die die Aufmerksamkeit der westlichen Medien auf sich gezogen hat, sollten wir nicht vertrauen. Verstehen Sie mich nicht falsch: Es sind nicht ihre Motive, denen ich misstraue. Es ist die Tatsache, dass sie ein Kind ist, das, wenig überraschend, schlechte Ratschläge zu komplexen politischen Themen gibt und trotz ihrer gegenteiligen Beteuerungen ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat.
Nehmen wir, um nur ein Beispiel zu nennen, Gretas Dogma, dass jeden Tag ungefähr 200 Arten aussterben, was ca. 73.000 pro Jahr ergibt. Dies wird von ihr als Tatsache propagiert, obwohl ihrer Behauptung keine empirische Basis, keine Beweise zugrunde liegen. Beweise liegen jedoch vor, dass seit 1900 die Aussterberaten von Säugetieren und Vögeln sogar gefallen sind (von 1,6 auf 0,2 pro Jahr). Es überrascht, dass kein Erwachsener sie diesbezüglich in der Öffentlichkeit in Frage stellt und dass Politiker ihr, wenn sie diese unbegründete Behauptung aufstellt, auch noch Beifall spenden. So viel zu den vernachlässigten Hausaufgaben.
„Ich möchte, dass ihr [über den Klimawandel] in Panik geratet", rät Thunberg. Aber seit wann ist Panik eine weise Reaktion auf irgendeine Art Krise? Panik, insbesondere in einem vermeintlichen Weltuntergangsszenario, führt fast zwangsläufig zu den ineffizientesten, unvernünftigsten und kontraproduktivsten Ergebnissen. Je gravierender die Krise, desto notwendiger ist es, Ruhe zu bewahren. Wenn ein Erwachsener uns riete, in Panik zu geraten, würden wir ganz anders reagieren. Wir würden davon ausgehen, dass er entweder selbst auf unreife Weise in Panik gerät – dann würden wir ihn umsichtig ignorieren –, oder bei anderen einen irrationalen Geisteszustand hervorrufen möchte, während er ihn selbst heuchlerisch vermeidet. Aber von wem ein solcher Panikappell auch kommen mag, er bleibt eine intellektuell und politisch fragwürdige Position.
„In ganz Europa sind Lehrer zu Predigern des grünen Alarmismus geworden.“
Greta Thunberg hat zweifellos echte Angst davor, was in einigen Jahrzehnten mit der Welt passieren könnte. Aber warum sollten wir den Worten eines Kindes so viel Autorität zubilligen? Die Politiker, die derzeit gegenüber Thunberg katzbuckeln, müssen erklären, wie sie plötzlich von der Huldigung der Experten für Fragen der globalen Erwärmung dazu übergehen, einer Person zu Füßen liegen, die noch nicht einmal einen Schulabschluss besitzt. Thunberg löste die „Fridays for Future“-Bewegung aus, die Kinder dazu auffordert, die Schule zu schwänzen, um gegen den Klimawandel zu protestieren. Aber es wird zweifellos die Schule gewesen sein, wo der schwedische Teenager die Idee herhat, dass die Welt bald in Flammen steht. In ganz Europa, und insbesondere in Ländern wie der Schweiz, Deutschland und Schweden, sind Lehrer zu Predigern des grünen Alarmismus geworden. Deshalb freuen sich viele Lehrer über protestierende Kinder, die für einen „guten Zweck" der Schule fernbleiben.
Das zeigt übrigens, wie wenig radikal diese Schulstreiks sind. Wenn Lehrer (oder die deutsche Bundeskanzlerin) damit einverstanden sind, wird es sich wohl nicht um eine radikale Sache handeln. Aber es ist auch töricht, diesen protestierenden Kindern einfach zu sagen, dass sie aufhören sollen, ihre Plakate zu schwenken und wieder zur Schule gehen sollen. Das wäre, als würde man dem religiösen Fanatiker mit einem „Das Ende ist nah“-Plakat bitten, zu der fundamentalistischen Kirche, der er angehört, zurückzukehren.
Lehrer, insbesondere aus den Naturwissenschaften, haben politische Positionen in sachliche und objektive Themen geschmuggelt. Es ist natürlich in Ordnung, Kindern beizubringen, dass das steigende CO2 den Planeten erwärmt. Aber diese Tatsache sagt uns nicht, wie wir darauf reagieren sollen. Die Vorstellung, dass wir CO2 reduzieren müssen, ist eine politische Sichtweise. Doch jeder Schüler, der die Reduzierung von CO2 im Klassenzimmer in Frage stellt, wird als unwissenschaftlich hingestellt.
„Die Dreikäsehoch-Soldaten der grünen Ideologie sind gut mit der ökologischen Weltuntergangsrhetorik indoktriniert.“
Thunberg verwendet dieselbe Taktik, die sie wahrscheinlich in der Schule gelernt hat. Im gleichen Atemzug fordert sie uns auf, uns „hinter die Wissenschaft zu stellen" und daran zu arbeiten, die CO2-Emissionen auf null zu senken. Sie glaubt, dass die Wissenschaft tatsächlich vorschreibt, wie wir handeln sollen. Es kommt ihr nicht in den Sinn, dass Menschen den Konsens über den Klimawandel voll und ganz akzeptieren könnten, während sie gleichzeitig davon ausgehen, dass eine drastische CO2-Reduktion nicht der richtige Weg ist.
In seinem Buch „A System of Logic“ schreibt John Stuart Mill, dass Wissenschaftler uns nicht anweisen können, wie wir handeln sollten, wenn sie wissenschaftlich bleiben wollen. Ein Wissenschaftler, sagt er, „ist kein Berater für die Praxis" und dient nur dazu, „aufzuzeigen, dass bestimmte Wirkungen aus bestimmten Ursachen folgen und dass, um bestimmte Ziele zu erreichen, bestimmte Mittel die effektivsten sind". Die Wissenschaft, zum Beispiel, kann uns sagen, was wir tun müssen, wenn wir mehr Häuser bauen wollen, aber sie kann uns nicht sagen, dass wir diese Häuser bauen sollten. Die Wissenschaft beschäftigt sich mit dem, was ist, nicht mit dem, was sein sollte.
Dasselbe gilt für den Klimawandel. Der wissenschaftliche Konsens besteht darin, dass die globale Erwärmung hauptsächlich durch den CO2-Ausstoß der Menschheit verursacht wird. Aber daraus folgt wissenschaftlich nicht, dass wir weniger ausstoßen sollten, ebenso wenig wie es folgt, dass wir mehr emittieren oder die derzeitigen Werte beibehalten sollten. All das sind politische Positionen, die ohne weiteres aus wissenschaftlichen Erkenntnissen herrühren können. Es ist unaufrichtig, etwas anderes zu behaupten.
Dieses Abfeiern von Greta Thunberg und der Schulstreiks ist ein Zeichen dafür, wie kindisch die politische Debatte über den Klimawandel geworden ist. Diese Dreikäsehoch-Soldaten der grünen Ideologie sind gut mit der ökologischen Weltuntergangsrhetorik indoktriniert. Was wir jetzt brauchen, ist eine offenere, ruhigere und erwachsenere Debatte.