05.02.2016

Datenkrake Payment Blocking

Kommentar von Christoph Lövenich

Das fragwürdige staatliche Glücksspielmonopol soll unter anderem durch die Blockierung von Finanzströmen, das sog. Payment Blocking, umgesetzt werden. Das würde zu Vorratsdatenspeicherung und anderen Problemen führen.

Das Drama um die deutsche Glücksspielgesetzgebung setzt sich fort: Gestern hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass eine bayerische Anbieterin von Sportwetten nicht bestraft werden darf, nur weil sie über keine Konzession verfügt. 1 Das erschüttert den verfassungs- und europarechtlich überaus wackligen Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) der Bundesländer von 2012 einmal mehr. Dieser soll das staatliche Glücksspielmonopol der ländereigenen Gesellschaften festschreiben, zur Erteilung von Konzessionen ist es bisher nicht gekommen. 2

Der GlüStV beinhaltet auch ein Verbot des Online-Glücksspiels. Bekanntlich macht aber das Internet nicht an Landesgrenzen halt und so kann man am Computer bequem bei ausländischen Anbietern Roulette, Black Jack oder Poker spielen. Allerdings werden bei Online-Casinos Einsätze überwiesen und Gewinne ausgeschüttet, es finden Finanztransaktionen statt. Und hier setzt eine Bestimmung des GlüStV an, nämlich die Blockade entsprechender Zahlungsströme (Payment bzw. Financial Blocking). In diesem Beritt ist Niedersachsen für die Länder zuständig und hat bisher noch keine Regelung auf den Weg bringen können. Bei näherem Hinsehen vermag das wenig zu verwundern, denn hinter dem Etikett Payment Blocking verbergen sich Abgründe.

Zunächst bedarf es bestandskräftiger Verbotsverfügungen gegen Glücksspielanbieter – die das z.B. auf Gibraltar wenig juckt –, aber schon da gibt es Probleme, etwa bei der Zustellung. Dann muss man Zahlungen einer illegalen Glücksspielaktivität zuordnen können, wobei es auch darauf ankommt, ob der Spieler sich zum Zeitpunkt der Spielteilnahme überhaupt auf deutschem Boden aufgehalten hat – und dort wiederum nicht in Schleswig-Holstein, wo für einen Übergangszeitraum noch liberalere Regelungen gelten. Eine Geolokalisierung über die IP-Adresse scheitert aber nicht nur am Datenschutz, sondern auch an den praktischen Möglichkeiten ihrer Umgehung und dem Umstand, dass die Spielteilnahme nicht zeit- bzw. ortsgleich zur Zahlung erfolgt sein muss.

„Der damalige Landesdatenschutzbeauftragte warnt vor ‚einer unzulässigen Vorratsdatenerhebung‘“

Auch wenn die staatliche Glücksspielaufsicht den Finanzdienstleistern die Namen der inkriminierten ausländischen Anbieter zur Verfügung stellt, müssten diese erst mal die Transaktionen ihrer gesamten Kunden durchforsten, um auf Verdächtiges zu stoßen. Dies entspräche einer „rasterfahndungsartigen Überwachung“ 3, wie der Deutsche Verband für Telekommunikation und Medien (DVTM) betont. Auch das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) spart in einem Gutachten von vor einem Jahr nicht an kritischen Hinweisen. Der damalige Landesdatenschutzbeauftragte Thilo Weichert warnt darin vor „einer unzulässigen Vorratsdatenerhebung“, die „unverhältnismäßig“ wäre. 4 „Die Banken sollen für die Inhalte von Zahlungsdiensten in die Verantwortung genommen werden“, urteilt der frühere Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar, „was im Ergebnis nicht mit ihrer Rolle als neutraler Zahlungsdienstleister vereinbar ist“. 5

Schon die hiesigen Banken zeigen sich wenig begeistert von den bei einer Umsetzung des Payment Blocking auf sie zukommenden Problemen und äußern über ihre Verbände Bedenken. Andere Finanzdienstleister, etwa britische Onlinebanken oder E-Geldinstitute mit Sitz auf der Isle of Man, werden dem Ansinnen deutscher Provinzbehörden ohnehin mit gepflegtem Desinteresse begegnen. 6 „Im Zweifel werden Glücksspieler auf solche Zahlungsmethoden ausweichen, die (noch) nicht blockiert sind“ 7, vermutet das schleswig-holsteinische ULD wohl zutreffend.

Der Spitzenverband der Landeslottogesellschaften, der Deutscher Lotto- und Totoblock (DLTB), will die Blockade des Blockierens aber irgendwie überwunden sehen. Zu diesem Zweck ließ er 2015 ein Gutachten vom ehemaligen mecklenburg-vorpommerschen Landesdatenschutzbeauftragten und NVA-Politoffizier 8 Karsten Neumann anfertigen, der bei einer Beratungsfirma tätig ist, deren Berliner Büro bei der Ole von Beust Consulting residiert – der Hamburger Ex-Bürgermeister ist für den DLTB als Lobbyist tätig. 9 Wie bei solchen Auftragsarbeiten üblich, sieht Neumann ganz im Sinne des Verbands einen datenschutzrechtlich korrekten Weg für das Payment Blocking eröffnet. Der DLTB frohlockte zwar ob dieses Gutachtens 10, bei dessen genauer Lektüre 11 stößt man aber hauptsächlich auf Schwierigkeiten und Fallstricke.

„Unterm Strich handelt es sich beim Payment Blocking um eine Schnapsidee“

So kann z.B. eine Bank, die über eine schwarze Liste von Betreibern hierzulande illegalen Glücksspiels verfügt, aus den Gewinnausschüttungsbeträgen und den vorsichtshalber unverfänglich formulierten Verwendungszweckangaben nicht einfach auf illegales Glücksspiel schließen. Der Aufenthaltsort des Spielers muss sowieso im Dunkeln bleiben (s.o.). Es soll nach dem Gutachten darauf hinauslaufen, dass die Banken – als Hilfssheriffs der Regulierung – nach Indizienlage blocken und bei fälschlichem Overblocking für die Schäden aufzukommen haben. Sie müssten selbst branchenweite Regelungen mit den Datenschutzbehörden vereinbaren, komplizierte Verfahren zur Kommunikation mit dem Kunden (Benachrichtigung, Einspruch, Freigabe) und der staatlichen Glücksspielaufsicht umsetzen und sogar einen „Fonds zum Ausgleich von Nachteilen durch unberechtigtes Blocking“ 12 einrichten. Fälschlicher Verdächtigung könnten u.a. Dienstleister für die ausländischen Firmen, die ihr Honorar erhalten, zum Opfer fallen.

Hinzu kommt nach dieser Vorstellung, auch wenn der GlüStV das nicht explizit vorsieht, dass jegliche Glücksspieltransaktionen von Personen unterbunden werden sollen, die auf einer zentralen Sperrliste für Spielsüchtige gemeldet sind. Diese Information darf rechtlich gesehen nicht an eine Bank weitergegeben werden (sie könnte für den Kunden auch durchaus nachteilige Konsequenzen zeitigen). Das Gutachten schlägt vor, dass der Staat dem Finanzdienstleister die entsprechenden Namen dennoch durchgeben könnte, ohne expliziten Bezug auf die Sperrdatei, aber verbunden mit der Aufforderung, einschlägige Transaktionen der Betreffenden zu blockieren. Das käme allerdings aufs Gleiche raus, und der Gutachter ist ehrlich genug, hier noch eingehenden rechtlichen Prüfungsbedarf zu attestieren.

Unterm Strich handelt es sich beim Payment Blocking um eine Schnapsidee, die sich schwieriger umsetzen ließe als der geplante Kondomzwang in der Prostitution. In Norwegen, wo man es 2012 in einem vergleichbaren Kontext eingeführt hatte, erwies es sich nicht als erfolgreich. 13 Statt also erheblichen Aufwand auf Seiten der Behörden und der Finanzdienstleister zu betreiben, der überwiegend wie das Hornberger Schießen ausginge, sollte man lieber den GlüStV mit seiner Verteidigung des Staatsmonopols ins Visier nehmen. Wie es ja auch die Rechtsprechung nicht erst seit der gestrigen Entscheidung überdeutlich nahegelegt. Alternativ könnte man nämlich das Online-Glücksspiel legalisieren – ohne es zu überregulieren und damit wieder Spieler zu vergraulen. Das würde die hiesige Wirtschaft beleben und Steuereinnahmen generieren. Insbesondere würde es mündigen Einwohnern gerecht, die selbst entscheiden, wie und wo sie dem Glücksspiel nachgehen.

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