02.09.2019

Das Weltrettungssommerloch

Von Thilo Spahl

Titelbild

Foto: derwiki via Pixabay / CC0

Nicht nur Greta Thunberg und Prinz Harry haben im Sommer versucht, das Klima zu retten. Es klappt noch nicht so ganz.

Die Sommerferien boten in diesem Jahr offenbar vielen Menschen genügend Muße, die Welt zu retten. Oder zumindest, ihren guten Willen dazu mehr oder weniger geschickt zum Ausdruck zu bringen.

In Island rüttelte man die Menschheit auf, indem man einen (schon seit 2014) weggeschmolzenen Gletscher Namens Okjökull beerdigte. Bei der Gelegenheit lernten wir etwas über die isländische Sprache. „Jökull“ heißt offenbar Gletscher. Deshalb blieb mit der Beerdigung für das  verbleibende Gebilde nur noch die Bezeichnung „Ok“ (weil der -jökull eben weggeschmolzen war.)

Besonders tragisch war es, da hier sozusagen ein Kind zu Grabe getragen wurde. Denn vor gerade einmal 700 Jahren hatte der Kleine das Licht der Welt erblickt. Das jugendliche Verglühen wurde allerdings nicht weiter erwähnt. Es passt ja auch nicht so recht zum Bild, dass es Jahrzehntausende nicht so warm gewesen sein soll in Island und der Welt.

Nun ja, glaubt man der Statistik, sind die Isländer gemütsmäßig häufig recht aufhellungsbedürftig. Ob man sich da wirklich auch noch mit sterbenden Gletschern belasten sollte?

Aber die Zielgruppe der Aktion war ja auch eher die Weltgemeinschaft. Was komischerweise keiner  aus der Nachrufgemeinschaft erwähnte, war die Tatsachen, dass der Okjökull sich tatsächlich für uns und die Welt opferte und durch sein Schmelzen den Klimawandel aktiv bekämpfte. Denn das Schmelzwasser von Gletschern nimmt große Mengen von CO2 auf, berichten Forscher in der Zeitschrift PNAS.

Ein gewisser Rupert Read, Sprecher der Gruppe „Extinction Rebellion“ erklärt uns, warum das Gedenktafelanbringen in Sachen Klimakrise ganz schön weiterhelfen könnte: „… acknowledging the growing emotional trauma and grief felt at present and future environmental tragedies may yet be the kick we need to limit their reach.“

Weniger akademisch verbrämt formuliert Luisa Neubauer die ihr so offensichtliche Wahrheit, die freilich übersieht, dass es sich bei Gletschern eher um ein prähistorisches, um nicht zu sagen durch und durch natürliches Gut in Gestalt von gefrorenem Wasser handelt.

Nun, zumindest gibt sie uns eine philosophische Frage mit auf den Weg in die Klimakrise. Worauf wartet die Menschheit eigentlich noch? Das Nachdenken darüber könnte in der Tat das Absetzen vieler von Millionen Tweets ersetzen. Aber sie zu stellen, scheint nicht Nachdenken zu fordern, sondern dazu zu dienen, eine andere Frage aufleuchten zu lassen: Ist jetzt nicht Handeln, Handeln, Handeln angesagt?!

Zum Glück gibt es welche, die nicht nur rumjammern. Es gibt Macher, die sich nicht scheuen, extra zu einer großen Google-Party zu reisen, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Harry, Barack und Leonardo steckten in Sizilien die Köpfe zusammen, um „den Klimawandel zu lösen“. Ein paar andere waren auch noch mit dabei.

Das Köpfezusammenstecken erbrachte, dass Harry es richten möge. Der willigte ein und machte die Sache mit Jane Goodall, der berühmten Schimpansenmutter, klar.

Da wollte das bayerische Prinzenpaar nicht nachstehen. Markus Söder forderte ein bundesweites Plastiktütenverbot und sein Parteikollege Dobrindt eine „Kampfpreis-Steuer“ für Billigflieger.

Und Greta gelangte auf ihrem High-Tech-Askese-Trip zum Glück ohne zu Kotzen oder noch Schlimmeres über den Atlantik, verursachte dabei durch die Hin- und Herfliegerei des Segelbootpersonals und das ganze Drumherum locker ein Vielfaches der CO2-Ausstoßes, durfte sich aber gewiss sein, dass die gute Absicht genügend Verteidiger finden würde.

Verteidiger vom Kaliber eines „Eisen“ sind natürlich nur ein schwacher Trost, wenn man nach langer Reise feststellen muss, dass einem im fernen Amerika keine jubelnden Massen erwarten und überhaupt die Begeisterung und der ganze Drive der Bewegung allmählich deutliche Spuren der Abnutzung zeigen. Es ist zu hoffen, dass Greta aus der ganzen Sache am Ende einigermaßen unbeschadet wieder herauskommt. Es liegt schon eine tiefe Traurigkeit in ihrem aktuellen Klimamaskottchendasein.

Der Prinz jedoch und seine Frau waren nach dem Köpfezusammenstecken auf der Google Party so erschöpft, dass sie ein paar Tage Ruhe brauchten und ihren Freund, den alten John besuchten. Um hinzukommen bot sich ein Privatjet an. Das führte natürlich wieder zu Gemecker. Was John wiederum wütend machte, weshalb er  sich bemüßigt fühlte, an seine verstorbene Freundin, die Prinzessin der Herzen zu erinnern, ihrerseits Mutter des Prinzen der Flugscham, der mit seiner Familie dennoch auch das Recht auf ein bisschen Worklifebalance und Privatsphäre über den Wolken haben müsse.

Unterdessen versuchten zwei schwedische Jungs im Rennen um den Friedensnobelpreis das Ruder noch herumzureißen, blieben jedoch von der Welt weitgehend unbeachtet. Ob Sie eine Chance haben gegen Greta? Ich fände eine Nominierung jedenfalls der Fairheit halber geboten.

Vielleicht geht der Preis ja in diesem Jahr auch an VW. Die haben nämlich in Berlin ein Car-Sharing mit Elektro-Golfs eingeführt. Oder an Stephan von Orlow.

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