02.05.2024

Antisemitismus an US-Universitäten

Von Joanna Williams

Titelbild

Foto: rajatonvimma via Flickr / CC BY-SA 2.0

Die israel- und judenfeindlichen Proteste an amerikanischen Hochschulen, insbesondere an Eliteuniversitäten, sind das Ergebnis einer identitätspolitischen Agenda im Bildungswesen.

Erst war es die Columbia University, jetzt haben sich Anti-Israel-Proteste in ganz Amerika ausgebreitet. In der vergangenen Woche haben Studenten an Eliteuniversitäten wie Harvard, der University Michigan und dem Massachusetts Institute of Technology Zeltlager errichtet. Kürzlich wurden Dutzende von studentischen Besetzern an der University of Southern California wegen Hausfriedensbruchs verhaftet. Die „Wut der Privilegierten gegen die einzige jüdische Nation der Welt", wie Brendan O'Neill die Proteste an der Columbia Anfang der Woche auf Spiked beschrieb, ertönt nun auf den begrünten Campusanlagen von Kalifornien bis Boston.

Bei diesen angeblichen „Anti-Kriegs-Protesten" fordern die Studenten die totale Zerstörung Israels, schwenken Plakate zur Unterstützung der Hamas und beschimpfen jüdische Professoren und Studenten. Die erschreckende Orgie des Antisemitismus, die an Amerikas Spitzenuniversitäten entfesselt wurde, sollte uns beunruhigen. Es ist dringend notwendig, die Aktionen dieser Studenten zu verurteilen. Und ja, wir sollten ihr Recht zu protestieren verteidigen. Gleichzeitig ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir uns ehrlich mit der Frage auseinandersetzen, wie der Antisemitismus, den sie zur Schau stellen, ungestört schwelen konnte.

Leider ist die Reaktion auf die Proteste auf dem Campus bisher alles andere als besonnen gewesen. In einem Fall wurden die Studenten umschmeichelt und beschwichtigt, im nächsten wurden sie von der Polizei mit Gewalt gestoppt. So versuchte die Polizei letzte Woche, die Proteste an der Universität von Texas in Austin zu unterdrücken. In einer unverhältnismäßigen Reaktion auf einen dem Anschein nach friedlichen Protest wurden Studenten handgreiflich angegangen und ein Journalist zu Boden geworfen. Dieser Einsatz von Polizeigewalt birgt die Gefahr, dass die protestierenden Studenten zu Märtyrern gemacht und ihrer Sache moralisches Gewicht verliehen wird.

Währenddessen sind die Professoren weit davon entfernt, die bigotten Ausbrüche der protestierenden Studenten zu verurteilen, sondern verteidigen sie. An der Columbia University demonstrierten letzte Woche Hunderte von Lehrenden in Solidarität mit den Studenten. Nachdem die Polizei den Campus betreten hatte, um zuvor suspendierte Studenten zu verhaften, kam es zu einem Massenstreik des Personals. Ein Juraprofessor erklärte, er verteidige die protestierenden Studenten, denn: „Das unterscheidet sich nicht vom Alltag auf dem Campus". Wenn Wissenschaftler Antisemitismus auf diese Weise verharmlosen, bestärkt das die Studenten in ihren Überzeugungen. Es ist notwendig, das Demonstrationsrecht zu verteidigen und gleichzeitig die Aussagen und das Verhalten der Studenten scharf zu kritisieren.

„Die Identitätspolitik legitimiert antijüdische Bigotterie, indem sie Juden als ‚hyper-weiß‘ und daher ethnisch privilegiert darstellt.“

Diese unkritische Billigung des studentischen Aktivismus war auch kennzeichnend bei den Campus-Protesten zur Unterstützung von Black Lives Matter 2020. Universitäten auf der ganzen Welt gaben ausführliche Erklärungen ab, in denen sie die Tötung von George Floyd verurteilten und die BLM-Bewegung unterstützten. Wenn Studentenproteste von Professoren und Universitätsmanagern unterstützt werden, handelt es sich bei ihnen weniger um eine Herausforderung von Elitenideologie als vielmehr um eine praktische Zurschaustellung der institutionalisierten Werte.

Allzu oft scheinen Universitätsmanager den Antisemitismus unbehelligt zu lassen. Ende letzten Jahres stritten sich die damaligen Präsidentinnen von Harvard, dem Massachusetts Institute of Technology und der University of Pennsylvania während einer Kongressanhörung zum Antisemitismus auf dem Campus darüber, ob der „Aufruf zum Völkermord an den Juden" gegen die Verhaltenskodizes ihrer Einrichtungen verstößt. Es ist unvorstellbar, dass der Völkermordaufruf gegenüber irgendeiner anderen ethnischen Gruppe auf solch legalistischen Art diskutiert werden könnte. Die Präsidentin der University of Pennsylvania trat umgehend zurück, und die völlig unterqualifizierte Harvard-Präsidentin, Claudine Gay, wurde kurz darauf aufgrund von Plagiatsvorwürfen abgesetzt. Diese traurige Episode zeigt das Ausmaß, in dem der beiläufige Antisemitismus zur Normalität in den Eliteinstitutionen geworden ist.

Die institutionelle Unterstützung von Black Lives Matter – und die Anstellung von Präsidenten wie Gay, die offenbar wegen ihrer Verdienste um die Diversität ins Amt gekommen sind – zeigt, dass Diversität, Gleichstellung und Inklusion (DEI) auf dem Campus zur Normalität geworden sind. Die Campus-Proteste, die seit dem 7. Oktober stattgefunden haben, führen jedoch deutlich vor Augen, dass diese vermeintlich „antirassistische" Politik keinen Schutz für Juden vorsieht. Es liegt nahe, diese Heuchelei anzuprangern, aber das ginge an der Sache vorbei. Es ist nicht so, dass die Identitätspolitik hinter den DEI-Initiativen einfach einen blinden Fleck für Juden aufweist. Viel schlimmer ist, dass die Identitätspolitik antijüdische Bigotterie legitimiert, indem sie Juden als „hyper-weiß" und daher ethnisch privilegiert darstellt.

„Jungen Erwachsenen hat man beigebracht, ihr eigenes Land zu verabscheuen, und ihnen wurde ein ungutes Gefühl über ihre Privilegien vermittelt.“

Seit Beginn ihrer Schullaufbahn haben die heutigen Studenten ein grobes Verständnis dafür entwickelt, dass Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres Geschlechts und ihrer Sexualität in verschiedene Gruppen eingeteilt werden können, wobei jeder Gruppe ein bestimmter Status als entweder privilegiert oder unterdrückt zuerkannt wird. Von der kritischen Rassentheorie inspirierte Übungen, die die Kinder dazu bringen sollen, „ihre Privilegien zu überprüfen", stehen neben Geschichtsstunden, die die Schüler dazu bringen sollen, sich nur mit der Schande der ehemaligen Kolonialmächte zu beschäftigen. Anstatt sich mit den Errungenschaften der Bürgerrechtsära zu befassen, wird den Schülern beigebracht, rassistische Ungerechtigkeit als ein unendliches Kontinuum zu betrachten, das von der Sklaverei über die Jim-Crow-Gesetze bis hin zur Tötung von George Floyd reicht.

Die Studenten wurden mit der Ansicht indoktriniert, dass die Welt in Unterdrücker und Unterdrückte unterteilt werden kann. Am stärksten haben diese Botschaft die Studenten der amerikanischen Elitehochschulen verinnerlicht. Diesen jungen Erwachsenen hat man beigebracht, ihr eigenes Land zu verabscheuen, und ihnen wurde ein ungutes Gefühl über ihre Privilegien vermittelt. Vor diesem Hintergrund liegt es sehr nahe, sich mit den Palästinensern zu verbünden und Feindseligkeit gegenüber Israel zu demonstrieren. Es ermöglicht den Studenten, sich mit einer unterdrückten Gruppe zu identifizieren und sich von ihrer eigenen Nation und Kultur zu distanzieren.

Dass eine solche Haltung leicht in Antisemitismus umkippen kann, vermag nicht zu überraschen. Die Studenten macht man vor, dass sie ihre eigene Tugend umso besser unter Beweis stellen können, je extremer ihre Forderungen nach der Abschaffung Israels und je abscheulicher ihre Angriffe auf Juden sind. Erschreckenderweise gelangt Antisemitismus so in den Ruf einer moralisch tugendhaften Haltung. In der Tat wird eher beschwichtigend mit ihm umgegangen, als dass er vom Lehrpersonal in Frage gestellt wird.

Antisemitische Proteste auf dem Campus müssen laut und deutlich verurteilt werden. Die Universitätsleitungen sollten bei friedlichen Protesten nicht die Polizei rufen, sondern die Borniertheit ihrer Studenten moralisch und intellektuell in Frage stellen. Sie könnten damit beginnen, sich von der identitären DEI-Agenda zu verabschieden, die solche abscheulichen Vorurteile legitimiert.

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