30.07.2025

500 Jahre Bauernkrieg

Von Gunter Zimmermann

Titelbild

Foto: Victor Schivert via Wikicommons

Der Bauernkrieg war mit religiösen Fragen der Reformation eng verknüpft, er warf aber auch Fragen nach dem Verhältnis des Menschen zur weltlichen Obrigkeit auf.

Der Bauernkrieg 1524/25 bildet den Höhepunkt, aber auch das Ende der reformatorischen Bewegung. In dieser „Erhebung des Gemeinen Mannes“ ging es – dies sei gegen die beliebten und populären sozialen und ökonomischen Deutungen gesagt, die auch in diesem Jahr das Feld beherrscht haben – in erster Linie um die künftige Verfassung der christlichen Kirche. Seit der unvorhergesehenen Entwicklung, die der für eine Universitätsdiskussion vorgesehene Anschlag der 95 Thesen ausgelöst hatte, war die Frage der Gestalt der christlichen Kirche akut geworden. Allen Anhängern des Wittenberger Reformators war klar, dass die traditionelle hierarchische Konstitution der Kirche mit der klaren Trennung von Priestern und Laien, von Geistlichkeit und einfachem Volk keinen Bestand mehr haben konnte.

Nachdem Luther in einer der drei reformatorischen Hauptschriften aus dem Jahre 1520, in seiner Publikation „An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung“ den Gedanken des allgemeinen Priestertums aller Getauften entfaltet hatte, war evident, dass der 26 Punkte umfassende Katalog von Reformvorschlägen, den der Wittenberger Reformator im Anschluss an diese Zerstörung von wesentlichen „Brandmauern“ der römischen Kirche formuliert hatte, in irgendeiner Weise in die Wirklichkeit umgesetzt werden musste. Dass hier eine innere Logik vorliegt, zeigt sich darin, dass diese Schrift in der modernen Forschung als der erste Schritt zum „landesherrlichen Kirchenregiment“ gilt, das die evangelischen Landeskirchen in Deutschland bis 1918 bestimmt hat.

Im Unterschied zu allen mittelalterlichen, aber auch zu allen späteren Aufständen zeichnet sich der Bauernkrieg von 1524/25 dadurch aus, dass diese Frage, die Frage nach der künftigen Gestaltung einer christlichen Kirche bzw. einer christlichen Gemeinde, im Mittelpunkt des Geschehens stand. Ich verweise zur Erläuterung dieser Aussage auf die bedeutendste Schrift des Ereignisses, auf die „Zwölf Artikel der Bauern“, die in Memmingen, dem Zentrum des Bauernkriegs im Februar und März 1525, geschrieben und in Augsburg gedruckt worden sind. Verfasser sind der Kürschnergeselle und Laientheologie Sebastian Lotzer und der Memminger Stadtprediger Christoph Schappeler. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat Lotzer die Artikel aus ungefähr 330 Beschwerdeschriften extrahiert und den eingängigen Text verfasst, während der von Lotzer hinzugezogene Schappeler die Einleitung und den Schluss schrieb sowie die biblischen Belegstellen anfügte.

„Die wichtigste Lehre ist meiner Ansicht nach der Kampf gegen Zensur und Unterdrückung der Meinungsfreiheit.“

Das Leitbild der „Zwölf Artikel“ ist die souveräne christliche Gemeinde, die ihren Pfarrer selbst wählt (und unter Umständen entlässt), die ihre Finanzen durch den Zehnten, eine Art Kirchensteuer, ordnet, die Freiheit ihrer Angehörigen garantiert (Aufhebung der Leibeigenschaft) und alle gesellschaftlichen Konflikte nach dem Maßstab des göttlichen Rechts regelt. Die Chance zur Verwirklichung dieser „Gemeindereformation“ schien in diesen Monaten gegeben.

Wenn wir fragen, was wir heute vom Bauernkrieg lernen können, ist meine Antwort: Die wichtigste Lehre ist meiner Ansicht nach der Kampf gegen Zensur und Unterdrückung der Meinungsfreiheit. Die Freiheit des demokratischen Verfassungsstaats, die in einem freiheitlichen Verständnis auch die Freiheit zu „Hass und Hetze“ einschließt, ist gegenwärtig so bedroht wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik.

Seine Stellungnahme zum Bauernkrieg hat Luther in der kleinen, aber äußerst folgenreichen „Ermahnung zum Frieden auf die Zwölf Artikel der Bauernschaft in Schwaben“ entfaltet. Diese Schrift, verfasst als Erwiderung und Widerlegung und wohl Ende April veröffentlicht, hat das Ergebnis der Auseinandersetzung mitbestimmt, wenn ideelle Klärungen für den Ausgang eines Krieges ebenso wichtig sind wie blutige Schlachten. In den Ausführungen des Wittenberger Reformators wird die Legitimität jedes Versuchs einer Änderung oder Verbesserung gesellschaftlicher Verhältnisse bestritten, sofern dieser Versuch auf dem Fundament des christlichen Glaubens begründet ist. Den aufrührerischen Kräften, die sich in der reformatorischen Bewegung und im Bauernkrieg artikuliert hatten, wurde durch diese Argumentation der Boden entzogen, auf dem sie eine erfolgversprechende Umwälzung der kirchlichen und sozialen Ordnung hätten beginnen können.

„Im Prinzip erhebt der Wittenberger Reformator die christliche Existenz zu einer spirituellen Angelegenheit, von der keine Impulse für das politische Zusammenleben zu erwarten sind.“

Luther ist davon überzeugt, dass der Begriff „Christliche Vereinigung“, mit dem die Bauernhaufen sich selbst als kohärente Organisation definierten, eine contradictio in adiecto darstellt. Christen können sich seiner Auffassung nach vom Wesen christlichen Daseins her nicht zu einer Vereinigung zusammenschließen, und eine Vereinigung kann a priori nicht christlich sein. Im Prinzip erhebt der Wittenberger Reformator die christliche Existenz zu einer spirituellen Angelegenheit, von der keine Impulse für das politische Zusammenleben zu erwarten sind.

Den umfassenden Rahmen für seine „Widerlegung“ der „Christlichen Vereinigung“ bietet für Luther jedoch die Ablehnung jedes aktiven Widerstandsrechts. Dies begründet er mehr oder weniger konventionell mit dem einschlägigen Wort des Apostels Paulus (Rom 13,1): „Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit ohne von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet.“

Aufgrund dieser nach dem Wittenberger Reformator eindeutigen Aussage rechtfertigt selbst das Faktum, dass die Obrigkeit ungerecht und böse ist, keine Zusammenrottung und keinen Aufruhr. Ungerechtigkeit und Bosheit zu bestrafen gebührt allein der Obrigkeit, die zu diesem Zweck vom Allmächtigen eingesetzt ist. Bereits das natürliche Recht erklärt, dass niemand in eigener Sache Richter sein darf. Aber auch das Alte und das Neue Testament stimmen diesem fundamentalen Grundsatz zu, so dass Luther schließen kann: Die Bauern, die seiner Ansicht nach „iudices in causis suis“ sein wollen, haben nicht nur das göttliche und christliche, sondern auch das natürliche Recht gegen sich, das jeden aktiven Widerstand gegen die Obrigkeit verbietet.

Im Unterschied zu Luther nimmt der Nürnberger Reformator Andreas Osiander bei der Auslegung von Rom 13,1 eine wichtige Unterscheidung vor, die er in seinem Widerstandsgutachten des Jahres 1530 in aller Ausführlichkeit entfaltet hat, die Differenzierung von Obrigkeit und Oberherr – oder, modern gesprochen, von Konstitution und Person.

„Luthers Theorie der absolutistischen Monarchie ist das genaue Gegenteil zur Idee des modernen Verfassungsstaats.“

Die Obrigkeit ist damit nach Osianders Auffassung die Konstitution, die zwar in einzelnen Personen, den Oberherren, Gestalt annehmen und verkörpert werden kann, die aber nicht mit ihnen zu identifizieren und im gegebenen Fall sogar von ihnen zu trennen ist. Ein Oberherr, der die Konstitution der Obrigkeit nicht mehr darstellt, kann daher auch nicht mehr als konstitutionelle Obrigkeit gelten, sondern nur noch als Privatperson.

Osiander legt seinen Ausführungen den Gedanken der unpersönlichen Geltung des Gesetzes zugrunde legt, in dem unschwer der Gedanke der Verfassungs- und Rechtssouveränität („rule of law") zu erkennen ist. Luthers Konzeption, die im Gegensatz zu den Reflexionen des Nürnberger Reformators Oberherrn und Obrigkeit ohne Bedenken identifiziert, wäre dagegen verfassungstheoretisch mit einer Auffassung gleichzusetzen, in der die Souveränität in einer Person gefunden wird („rule of man"). Diese Theorie der absolutistischen Monarchie ist nicht nur das genaue Gegenteil zur Idee des modernen Verfassungsstaats – sie widerspricht auch der politischen Ordnung, die Osiander entwirft.

Unter diesem Gesichtspunkt sind und bleiben „Gerechtigkeit, Freiheit und gemeinsame Selbstbestimmung“ die Leitbegriffe einer Gesellschaft, die einen demokratischen Verfassungsstaat wünscht und konstituiert. Dass die Verhältnisse in der Bundesrepublik diesen Prinzipien nicht mehr entsprechen, heißt nicht, dass die Leitbegriffe, sondern dass die Verhältnisse geändert werden müssen.

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