18.12.2017

Wider die staatliche Zwangsernährung unserer Kinder

Rezension von Christoph Lövenich

Titelbild

Foto: vikvarga via Pixabay / CC0

Gängige Vorstellungen über gesunde Kinderernährung basieren auf mangelnder wissenschaftlicher Grundlage, wie ein Buch von Uwe Knop zeigt.

Die wichtigste Entwarnung gleich vorab: „Niemand [muss] Angst vor dem Schoko-Weihnachtsmann“ haben, wie Uwe Knop in seinem neuen Buch schreibt. Süßigkeiten können nach Erkenntnissen der Ernährungswissenschaft nicht als gesundheitsgefährdend betrachtet werden, es besteht keine entsprechende Studienlage. Die restliche Weihnachtszeit wäre also schon mal gerettet.

Knop, als Ökotrophologe selbst vom Fach, klärt seit Jahren in Publikationen und Fernsehauftritten über Ernährungsirrtümer auf. ‚Nichts Genaues weiß man nicht‘ muss das Credo der Ernährungswissenschaft lauten, da ständig mit Beobachtungsstudien gearbeitet wird, die methodische Grenzen aufweisen und am Ende ohnehin nur mit statistischen Korrelationen aufwarten können, keinen Ursache-Wirkungs-Belegen.

Und doch wird ständig behauptet, diverse Nahrung würde nachweislich krank oder dick machen. Gegen diese „bewusste Diskriminierung ‚unschuldiger‘ Lebensmittel, ohne dass wissenschaftliche Beweise vorliegen“, wendet sich Knop. Auch in seinem dieses Halbjahr erschienenen Buch „Gute Carbs. Warum Sie sich vor Brot und Nudeln nicht fürchten müssen“. Aber um selbiges soll es hier gar nicht gehen, sondern um sein anderes aktuelles Werk „Kind, iss was… dir schmeckt!“, wo er sich der Minderjährigen-Ernährung widmet. Hier lautet seine Botschaft ebenso: Fürchtet euch nicht!

„Kinder werden durch Fleischbeschränkung nicht gesünder.“

„Ernährungspropagandistisch unverdorbene Kinder wählen intuitiv-körpergesteuert das richtige Essen, nach dem ihr Organismus verlangt“, also weniger Obst und Gemüse (von teils ohnehin mangelndem Nährwert), sondern lieber energiegeladenes Futter, das sie zu ihrem Wachstum brauchen, wie Pasta, Pizza, Pommes, Schnitzel und Süßes. Und mögen vielleicht keine Vollkornprodukte, weil sie schwerer verdaulich sind. Ohne dass sie im Übrigen so „gesund“ wären, wie vielen glauben. Belastbare Daten und ein eindeutiger Forschungsstand fehlen auch für Behauptungen, dass Vegetarier länger leben, und Kinder werden durch Fleischbeschränkung nicht gesünder. Gleiches gilt für Fast Food und Softdrinks.

Dennoch kommt es immer wieder dazu, dass „Funktionäre und Gesundheitsapostel [bestimmte] Studien massiv überbewerten“, wenn sie nämlich zum ideologischen Feindbild passen. Dies sind durch die Bank genau die Speisen, die gerade Kindern am besten schmecken. In der Folge überziehen Politiker wie Bundesernährungsminister Christian Schmidt (CSU) und Renate Künast (Grüne) den Nachwuchs und seine Eltern mit „gewohnt gebetsmühlenhaftem Aktionismus“, ohne den Stand der Wissenschaft zu berücksichtigen.

So wird seit langem ein vermeintliches Schreckensbild „dicker Kinder“ an die Wand gemalt, obwohl deren Zahl zurückgeht und es in Deutschland weit mehr untergewichtige als fettleibige Kinder gibt. Anderslautende „Panikmache muss unter meinungsmanipulativer gesteuerter Propaganda verbucht werden“, wie Knop zu Recht anmerkt. Sie verunsichert Eltern, stigmatisiert Kinder und verleugnet den Umstand, dass zur „humanbiologischen Normalverteilung“ auch andere Körperformen als die der Durchschnittsgewichtigen gehören.

„Kinder auf Diät zu setzen, pflastert den fatalen Weg in die Essstörungen.“

Da „kindlichen (Phantom-)Kilos weiterhin fleißig der Kampf angesagt“ wird, erfreuen sich in Kindergärten und Schulen diverse Programme großer Beliebtheit, bei denen den Kleinen allerhand ernährungsbezogener Unfug eingetrichtert wird und sogar die Pausenbrote „einem völlig willkürlichen Gesundheitscheck“ unterzogen werden. Bei Nichtgefallen Blauer Brief an die Eltern. Ein solcher „Ernährungsstalinismus“ beruht auf zeitgeistorientiertem Mitläufertum, naivem Vertrauen in staatliche Vorgaben und manchmal nur dem „Spaß am Drangsalieren“.

Dass Körpergewicht, auch Adipositas, wohl ganz wesentlich genetisch bedingt ist, ficht weder diejenigen an, die lauter vage Korrelationen berechnen, noch diejenigen, die an Therapieversuchen verdienen. Dabei scheitern rund 90 Prozent aller Abspeckprogramme, Adipositas kann bisher nicht wirksam therapiert werden und bereits Kinder auf Diät zu setzen, pflastert den fatalen Weg in die Essstörungen. Vor allem davon betroffene Mädchen werden immer jünger; Forscher der großen Kindergesundheitsstudie KiGGS fragen laut, ob die diversen Anti-Übergewichts-Kampagnen daran nicht ein gerüttelt Maß an Schuld tragen. Kampagnen, deren Kosten hoch und deren Nutzen unbekannt sind.

Uwe Knop rät hingegen zu Ernährungsunterricht, der auf die Praxis der Essenszubereitung statt auf postfaktische, dogmendurchsetzte Theorie setzt. Nach dem Motto „‚Lecker‘ ist das bessere ‚gesund‘“ sollten Kindergärten und Schulen in ihren Kantinen vor allem Speisen servieren, die den Kindern schmecken. Den natürlichen Bewegungsdrang der Kleinen gilt es zu fördern, aber nicht als gesundheitsreligiöses Zwangsprogramm.

„Vermeintlich ‚gesundes‘ Essen, das Ihr Kind verschmäht, sollten sie ihm keinesfalls aufdrängen oder heimlich unterjubeln.“

Eltern empfiehlt er, sich keine großen Sorgen machen. „Jedes Kind is(s)(t anders“, mal phasenweise nur wenige Speise, mal experimenteller und mit Kulinarischer Körperintelligenz ausgestattet, wie Knop seinen Ansatz nennt, vor allem auf den eigenen Körper zu hören. „Es kann nur einen geben“, zitiert er aus dem Film „Highlander“, der weiß, was und wieviel auf den Teller gehört, nämlich das betroffene Kind selbst. Eltern sollten abwechslungsreiche Mahlzeiten anbieten und genussvolles, vielfältiges Speisen vorleben. Vermeintlich „gesundes“ Essen, das ihr Kind verschmäht, sollten sie ihm keinesfalls aufdrängen oder heimlich unterjubeln. Und das Verbieten, z.B. von Süßigkeiten, bringt auch nichts, unterm Strich wird dann nur mehr davon gegessen.

An einer angeblichen ‚falschen‘ Ernährung ist noch kein Kind gestorben – mit einer Ausnahme: Bei veganer Ernährung bestehen große Gefahren, sie kommt insbesondere bei sehr jungem Nachwuchs der Kindeswohlgefährdung gleich. Das sehen neben Knop auch die offiziellen Autoritäten so. Die der Autor bei zahlreichen Aussagen zustimmend zitieren kann, die den gängigen Vorurteilen über Ernährung widersprechen. Dennoch nimmt Knop sie kritisch unter die Lupe, so bestehen etwa seit zehn Jahren Kinderernährungs-Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), ohne dass je der Beweis erbracht worden wäre, dass sie Kindergesundheit fördern.

Menschen, Kinder, sind unterschiedlich, auch ihr Ernährungsverhalten. Zuviel mag ungesund sein, aber niemand weiß, „wovon zu viel für wen zu viel ist“. Wenn einschlägige Ministerien die Abhängigkeit von Kindertagesstätten und Schulen ausnutzen, um Kinder besser in eine gewünschte Richtung lenken zu können als mündige Erwachsene, wenn sie agieren, „als müsse man zwangsernähren“, beschreiten sie einen paternalistischen Irrweg. Knop rät Eltern, Kritik am kindlichen Pausenbrot mit der Nachfrage nach belastbaren wissenschaftlichen Kausalbeweisen zu kontern. Solche Einmischung ins Familienleben sollte man schon aus Prinzip in aller Deutlichkeit zurückweisen.

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