06.11.2013

Du sollst nicht atmen

Rezension von Walter Krämer

Der Theologe Sebastian Moll erinnert in seinem neuen Buch daran, dass die Natur für den Menschen da ist, nicht der Mensch für die Natur. Eine gelungene Abrechnung mit den vielfältigen Öko-Irrtümern und dem Gesinnungsterror des modischen Gutmenschentums.

Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil. Oder sollte man besser sagen: Auf eine grobe Desinformationskampagne eines rot-grün-dominierten bundesdeutschen Medienuniversums in allen Fragen, was Umwelt, Umweltschutz und die Rolle des Menschen bei der Gestaltung einer menschenwürdigen Zukunft betrifft, gehört ein ebenso grobes Nein.

Nun ist dieses Nein vom Umfang her gesehen eher klein. Aber grob. Auf jeder der 120 Seiten seines schmalen Buches hält Sebastian Moll den medienbeherrschenden Untergangspropheten hierzulande ein donnerndes ceterum censeo entgegen, das sich zu lesen lohnt. Einmal, weil es extrem gut geschrieben ist. Man schläft bei der Lektüre an keiner Stelle ein, ich habe das Buch im Bett in einem Rutsch gelesen. Dann weil der Autor ganz offensichtlich weiß, wovon er schreibt. Sebastian Moll ist promovierter Theologe und kennt sich in den Geistes- und Gefühlswelten unserer deutschen Gesinnungsethiker wie auch in der einschlägigen Vorgängerliteratur aufs Beste aus. Seinen Weber hat er genauso aufmerksam gelesen wie Darwin, Kant und Aristoteles. Und nicht zuletzt die Bibel. Hier haben es ihm besonders die Pharisäer angetan, laut Moll die geistigen Ahnherren des modernen Gutmenschentums, die archetypischen Bremser und Verhinderer, die ihre Erfüllung vor allem im Nicht-Tun fänden, im strikten Befolgen von Regeln um der Regeln willen, ohne Rücksicht auf die Folgen für den Menschen und dessen Wohlergehen.

Der Macher Jesus dagegen landete am Kreuz. Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen, predigte Jesus, und in gewissem Sinne kann man auch dieses Buch als eine moderne Jesus-Predigt lesen: Die Natur ist für den Menschen da, nicht der Mensch für die Natur, die Spezies Homo Sapiens hat allen Grund, auf sich selber stolz zu sein, Tierliebe kommt nach Menschenliebe usw. Zu diesem letzteren Punkt gibt es einen schönen Satz, der – wie viele andere Sprachdiamanten in diesem Buch – jede Aphorismensammlung in deutscher Sprache schmücken würde (und sicher eines Tages auch eine solche schmücken wird): „Dieselben Leute, die uns die Tiere stets als die besseren Menschen verkaufen wollen, haben panische Angst davor, dass wir uns genauso verhalten könnten.“ [1] Und auf der Seite gegenüber ist dann eine köstliche Zeichnung von Thomas Plassmann zu sehen (eine von vielen, die dieses kleine Buch so überaus bereichern): Zwei Katzen auf einer Mauer betrachten eine Krankenschwester, einen armen kranken alten Mann im Rollstuhl über die Straße schiebend. „Sind die bescheuert“, sagt die eine Katze zur anderen. „Krankheit! Wieso kippen die den nicht einfach in den Straßengraben?“

„Streift euer medieninduziertes schlechtes Gewissen ab, freut euch des Daseins, genießt das Leben, die Welt soll froh sein, dass es uns Menschen gibt.“

Aber Moll hört nicht beim reinen Beklagen der vielfältigen Öko-Irrtümer und anderen modischen Fehleinschätzungen zu Umwelt, Gesundheit und Gesellschaft auf, als evangelischer Theologe leitet er seine Schäflein auch zum Handeln an: „Die Aufklärung von Missständen und Fehlern ist wichtig, aber noch wichtiger ist es, diesen etwas positives entgegenzusetzen. Es hilft wenig, einen Acker zu pflügen, ohne etwas Neues drauf zu säen.“ [2] Und zur Bekräftigung seiner Gedanken bemüht Moll auch gern die katholische Konkurrenz: „Auch der Mensch hat eine Natur, die er achten muss und die er nicht beliebig manipulieren kann.“ [3] Streift euer medieninduziertes schlechtes Gewissen ab, sagt Moll, freut euch des Daseins, genießt das Leben, die Welt soll froh sein, dass es uns Menschen gibt.

Genau diese Beachtung der eigenen Bedeutung und Natur spricht Moll dagegen den modernen Gutmenschen ab. Diese sind für ihn degenerierte Kunstprodukte eines weitgehend aus dem Ruder gelaufenen Gesinnungsterrors, die mit ihrer realitätsblinden Selbstgerechtigkeit nicht nur sich selbst, sondern auch anderen und der Umwelt großen Schaden zufügen. Und sich an ihrem schlechten Gewissen sozusagen aufgeilen: „Wenn ich mich wegen irgendetwas schuldig fühle und sich dann herausstellt, dass es gar nicht meine Schuld war, empfinde ich Freude und Erleichterung. Dass dieser Effekt bei einigen Gutmenschen nicht einsetzt, kann letztlich nur einen Grund haben. Sie wollen ein schlechtes Gewissen haben. Es gibt Ihnen ein gutes Gefühl, sich über die Opfer erheben zu können.“

Möge die Welt auch untergehen, Hauptsache, wir fühlen uns selber gut. Eine brillante Generalabrechnung mit Spätromantikern, Ökoterroristen und Betroffenheitskaspern aller Art. Unbedingt lesen!

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