06.03.2015

Abtreibungsrecht

Rezension von Ann Furedi

Abtreibung ist das Recht einer jeden Frau und Teil ihrer privaten Entscheidungsfreiheit. So lautet die Kernbotschaft von Katha Pollitts neuem Buch Pro: Reclaiming Abortion Rights. Daran können sich alle Befürworter ein Beispiel nehmen, meint Ann Furedi

Katha Pollitt ist eine meiner Lieblingskolumnisten aus Amerika und bekennende Unterstützerin reproduktiver Selbstbestimmung. Sie schreibt intelligent, wohlüberlegt und fesselnd. Sie ist also genau die Richtige, um die Unentschiedenen zu überzeugen. Die unentschiedene, „konfuse Mitte“ (Pollitt) ist weder für das allgemeine Recht einer Frau auf Abtreibung noch für ein allgemeines Abtreibungsverbot seitens des Staates. Die Unentschiedenen sehen Abtreibung als etwas an, das größtenteils falsch ist, aber in bestimmten Fällen erlaubt sein sollte. Abtreibungen sollten in ihren Augen legal sein, Frauen aber nicht dazu ermutigt werden. Sie sollte nur als letzter Ausweg oder für besonders „verletzliche“ Frauen gestattet sein. Es gibt den Unentschiedenen zufolge zu viele Abtreibungen und der Zugang dazu ist zu einfach, so Katha Pollitt in ihrem brillanten neuen Buch Pro: Reclaiming Abortion Rights. Sie sind die Art von Menschen, denen man in der Kneipe, beim Abendessen mit Freunden oder beim Fußballspiel der Kinder begegnet.

Die Unentschiedenen machen einen riesigen Teil der Bevölkerung aus. In Großbritannien sind sie eher für Abtreibung – man zieht sie der unfreiwilligen Mutterschaft vor, aber hält es für besser, die Schwangerschaft von vornherein zu verhindern. Wir sind mehrheitlich eine „Abtreibung? Ja, aber…“-Nation, wobei das „aber“ die Fälle abdeckt, in denen Menschen nicht unbedingt zustimmen würden, dass die Entscheidung bei der Frau liegt. Pollitt sieht die USA ebenfalls als „Ja, aber…“-Nation an, wobei das „aber“ dort ohne Frage mehr Platz einnimmt.

Im Vereinigten Königreich blieben die Bürger größtenteils davon verschont, sich politisch mit der Abtreibung auseinandersetzen zu müssen. Unsere Gesetze machen daraus schlussendlich eine Angelegenheit der Medizin: Eine Abtreibung ist nur legal, wenn ihr zwei Ärzte zustimmen, etc. In den USA spielen ärztliche Entscheidungen keine Rolle – zumindest nicht in den frühen Stadien der Schwangerschaft. Falls eine Frau Zugang zu einer Klinik und das nötige Geld hat, wird die Abtreibung nach ihrem Wunsch ohne weiteren Rechtfertigungsbedarf durchgeführt. Die Angelegenheit ist privat (wie sie es im Vereinigten Königreich auch sein sollte). Aber während Frauen so der ärztlichen Hinterfragung entgehen, fehlt ihnen auch der Schutzschild medizinischer Zustimmung. Die private Entscheidung einer Frau erscheint als ebendies: die private Entscheidung einer Frau.

„Etwa 70 Prozent der amerikanischen Bevölkerung sind beim Thema Abtreibung unentschlossen“

Vor dem Hintergrund der britischen Gesetzgebung, die einen juristischen Schutz für Ärzte, aber keine Entscheidungsfreiheit für Frauen bietet, scheint es also recht vernünftig, diese Entscheidungsfreiheit auszuweiten. In den USA, wo Abtreibung bereits als Entscheidung der Frau betrachtet wird, mag sich das ein wenig anders anhören. Die Religion spielt im konservativeren gesellschaftlichen und ökonomischen Klima der USA außerdem eine größere Rolle. Dies und die stärkere Fragmentierung der Gesellschaft erklären, warum die Abtreibungshaltung in amerikanischen Kneipen und beim Fußballspiel der Kinder weniger liberal ausfallen mag.

Das ist seit geraumer Zeit ein Problem für die Befürworter reproduktiver Entscheidungsfreiheit in den USA. Kampagnen, die einst eine „kostenlose Abtreibung auf Abruf“ forderten, machen sich jetzt Sorgen, dass die grundsätzliche Unterstützung reproduktiver Selbstbestimmung „extremistisch“ und befremdlich wirken könnte. Meinungsumfragen zufolge sind nur etwa 15 Prozent der US-Bevölkerung entschiedene Befürworter frei verfügbarer legaler Abtreibung, während ebenfalls etwa 15 Prozent entschieden dagegen sind (auch wenn erhebliche Unterschiede zwischen den Bundesstaaten bestehen). Aktivisten beider Seiten versuchen, die 70 Prozent in der Mitte zu erreichen, und konzentrieren einen Großteil ihrer Energie darauf, mit ihren Botschaften den richtigen Ton für diese Gruppe zu treffen.

Während der 2000er-Jahre waren Pro-Choice-Aktivisten vor allem damit beschäftigt, das weit verbreitete Missverständnis, sie wären „radikal“ und würden Abtreibung „jederzeit, an jedem Ort, überall“ propagieren, aus der Welt zu schaffen. Die meisten Menschen hatten mit ihrer instinktiven Ablehnung einer Beendigung des Lebens im Mutterleib Anstoß an der radikalen Position genommen. Organisationen wie NARAL Prochoice America betonten nicht mehr das Recht der Frau, „selbst zu entscheiden“, sondern schlossen sich einer Position in der Nähe von Hillary Clinton an: „Abtreibung sollte sicher, legal und selten sein“.

Diskussionen über die Notwendigkeit einer Waffenruhe im Kampf um die Abtreibung und der Wunsch nach der Etablierung gemeinsamer Grundlagen führten zu einem offenen Brief des Präsidenten von NARAL an die Abtreibungsgegner des Right to Life Movement. Unter dem Titel „Bitte helft uns, Abtreibung zu verhindern“ wurde vorgeschlagen, gemeinsam für einfacher zugängliche Verhütungsmittel zu werben. Die Absicht war, die Befürworter der Schwangerschaftsprävention in einer breiten Allianz zusammenzubringen.

„Man hat die echten Frauen, die eine Abtreibung wollen, aus dem Auge verloren“

In der Zwischenzeit attestieren Aktivisten für reproduktive Selbstbestimmung nicht nur einer Kampagne, die sich entschieden für den Zugang zu Abtreibungen einsetzt, abschreckende Wirkung auf potentielle Unterstützer. Auch die Zusammensetzung der Bewegung wurde zu einem wichtigen Faktor erklärt. Strukturen, führende Aktivisten, Botschaften, selbst die Identität der Bewegung sollten diversifiziert werden. Sie wurde als eine Bewegung der privilegierten weißen Mittelklasse wahrgenommen. Das Ziel war eine vielfältige Bewegung, in der Alter, Hautfarbe, soziale Herkunft und Ethnie eine größere Rolle als Politik und Ziele spielen. Wie ich anderswo auf Spiked geschrieben habe [1]: Eine Bewegung für reproduktive Gerechtigkeit, die versucht, eine gemeinsame Basis aufgrund der Erfahrungen und Identitäten ihrer Mitglieder zu finden, gibt das Anliegen der reproduktiven Selbstbestimmung auf. Aus der Abtreibungsfreiheit wird so ein Luxusanliegen, das nur wenige interessieren muss – oder höchstens ein Anliegen unter vielen. Wie Pollitt bemerkt: „Die Pro-Choice-Bewegung ist so defensiv geworden, dass 2013 die Organisation Planned Parenthood bekanntgab, man werde den Begriff ‚pro-choice‘ nicht mehr verwenden. Er sei schließlich schon immer ein wenig euphemistisch gewesen. Entscheidungsfreiheit wofür?“

Pollitts Argumentation bringt frischen Wind in die aktuellen Debatten. Pro ist ein Manifest für die Abtreibung als das Recht einer jeden Frau und als ein gesellschaftliches Wohl. Es ist eine temporeiche Darstellung der Abtreibung als Lebenswirklichkeit moderner Gesellschaften, die nie selten sein wird, solange Frauen danach streben, selbst zu bestimmen, wann und von wem sie Kinder kriegen. Stattdessen, meint Pollitt, sollte Abtreibung als ein Teil der reproduktiven Erfahrung der Mutterschaft wahrgenommen werden – nicht als deren Gegensatz. Sie sollte als positive Erfahrung angesehen werden, die die Bedeutung des Lebens von Frauen bestärkt. Pollitt stellt Abtreibung als etwas dar, das für Frauen gut sein kann – wie auch für Familien und für die Gesellschaft. Die gemeinsame Grundlage, nach der sie sucht, ist ideologischer Natur: Ein allgemeines Verständnis, was Abtreibung notwendig und nicht falsch macht.

Diese neue Beleuchtung und Zurückeroberung der Abtreibung wäre in jeder Form willkommen. Die prägnanten, vernünftigen und wahrheitsgetreuen Antworten auf die Argumente der Abtreibungsgegner sind ein Geschenk. Es gibt Stellen, etwa in ihrem Kapitel über die amerikanische Abtreibungshaltung, an denen Pollitt wie der Freund beim gemeinsamen Abendessen wirkt, der einfach nicht aufhört, die Meinungen der anderen Gäste auseinanderzunehmen.

Pollitts selbsterklärtes Ziel ist es, echte Frauen „wieder ins Zentrum der Diskussion“ zu rücken. Man habe die echten Frauen, die eine Abtreibung wollen, aus dem Auge verloren. „Es ist eine Sache, wenn eine Frau abtreiben will, weil sie Opfer einer Vergewaltigung geworden ist oder weil sich die gewollte Schwangerschaft in einen medizinischen Albtraum verwandelt hat. Aber warum kann eine Frau nicht einfach sagen: Das war nicht der richtige Zeitpunkt für mich? Oder: Zwei Kinder (oder eins, oder keins) reichen mir. Warum muss sich die Frau dafür entschuldigen, dass sie kein Kind bekommen möchte, nur weil sie zufällig schwanger wurde?“

Bei einer Abtreibung, so Pollitt, handelt es sich einfach um eine dringende praktische Entscheidung, die „so moralisch ist wie die Entscheidung, ein Kind zu bekommen“. Aus diesem Grund sollte ihr Buch willkommen geheißen werden – und gelesen werden.

„Abtreibungsgegner möchten nicht unbedingt Frauen unterdrücken“

Wer mit der Politik der Pro-Choice-Bewegung eng vertraut ist, wird natürlich bei einigen Punkten von der Meinung Pollitts abweichen. Ich unterstelle anders als sie nicht, dass Abtreibungsgegner entweder schlecht informiert sind oder bloß scheinheilig die Abtreibung ablehnen, um Frauen in ihr traditionelles Rollenbild inklusive Mutterschaft und sexueller Unterwerfung zu zwängen. Pollitt glaubt zu bereitwillig, dass die Ablehnung der Abtreibung lediglich auf die Republikaner und die katholische Kirche zurückgeht. Leider vernachlässigt sie deshalb weniger offensichtliche, kompliziertere Standpunkte. Dazu zählen etwa Feministen, die behaupten, Abtreibung würde Frauen schaden. Dazu zählen auch Vertreter der „reproduktiven Gerechtigkeit“, für die eine „freie Entscheidung“ in dieser Sache eine privilegierte, „vom Konsum geprägte“ Forderung ist.

Ich stehe klar hinter der Ansicht Pollitts, dass Abtreibung und Mutterschaft als etwas Zusammenhängendes betrachtet und verstanden werden sollten. Sie liegt richtig, dass das Recht, Mutter zu sein, und das Recht, keine Mutter zu sein, zusammengehören. Aber ich bin nicht der Meinung, dass diese Verbindung nur im Rahmen einer „reproduktiven Gerechtigkeit“ möglich ist, welche die Entscheidung über Abtreibung als privilegierte Forderung einer weißen Mittelschicht charakterisiert. Ferner akzeptiere ich nicht, wie Pollitt es zu tun scheint, dass ein Fokus auf der Entscheidungsfreiheit der Frau – ihre Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, ihre moralische Handlungsfreiheit – einzig eine privilegierte Elite anspricht und somit die Bewegung geschwächt hat.

Wem das Privileg dazu fehlt, der benötigt die Freiheit, sich auf Wunsch für eine Abtreibung zu entscheiden – genauso, wie eine Frau das Recht benötigt, eine Schwangerschaft fortzusetzen, wenn sie das wünscht.

Alle Frauen müssen frei über die Zukunft ihrer Schwangerschaft entscheiden dürfen. Am besten, wir ergänzen Pollitts beeindruckende Vielzahl an Argumenten durch unsere eigenen. Wir sollten nicht nur die Abtreibung, sondern die Entscheidungsfreiheit an sich verteidigen.

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