05.11.2025

Zensur durch LinkedIn und die EU

Von Christian J. Zeller

Titelbild

Foto: ACBAhn via WikiCommons (CC BY 3.0 / bearbeitet)

Ein Berliner Gericht erlaubt der Plattform LinkedIn, das Konto eines Nutzers zu sperren, weil er in Sachen Coronapolitik Beiträge geteilt hatte, die vom offiziellen Narrativ abwichen.

Passiert ist Folgendes: Im Jahr 2022 hatte ein Nutzer des zu Microsoft gehörenden sozialen Netzwerks LinkedIn drei impfskeptische Beiträge veröffentlicht. Die Betreiber löschten die Beiträge und sperrten das Konto des Nutzers. Dieser klagte. In der ersten Instanz entschied das Landgericht Berlin im Jahr 2024, dass das Profil des Klägers wiederherzustellen sei, allerdings nicht die Beiträge. Im Berufsverfahren, das der Nutzer angestrengt hatte, wurde schließlich im September 2025 entschieden, dass nicht nur die Löschung der Beiträge, sondern auch die Sperrung des Kontos rechtmäßig war.

Stein des Anstoßes war ein Beitrag von Dr. Alexander Zinn in der Berliner Zeitung vom 12. März 2022 mit dem Titel „Zwischenruf eines Geimpften. Warum ich Verständnis für die Impfskeptiker habe“, ein offener Brief des emeritierten Wirtschaftsrechts-Professors Gerd Morgenthaler und Kollegen vom 9. März 2022 mit dem Titel „Eine COVID-19-Impfpflicht ist verfassungswidrig“ sowie ein Offener Brief des Netzwerks Kritische Richter und Staatsanwälte (KRiSta) vom 6. April 2022, ebenfalls anlässlich der Abstimmung zur Impfpflicht im Deutschen Bundestag am 7. April 2022.

LinkedIn hatte es in seinen Nutzerrichtlinien untersagt, Beiträge zu veröffentlichen, die im Widerspruch zur Interpretation des Pandemiegeschehens durch die WHO und nationale Gesundheitsbehörden wie das Robert-Koch-Institut sowie deren daraus abgeleiteten Leitlinien stehen. Der geteilte Beitrag von Zinn bemerkte die nur kurze Erprobungsphase des Impfstoffs und leitete daraus ab, dass es legitim sei, sich auch gegen eine Impfung zu entscheiden. Der Brief von Morgenthaler et al. verwies auf das enorme Risikopotenzial mit Blick auf die Nebenwirkungen, die den Autoren zufolge ein tödliches Risiko einschlössen. Das Netzwerk KRiSta warf dem Staat vor, mit der geplanten Impfpflicht vorsätzlich Menschen zu töten. Das Netzwerk verwies dabei auf zu jenem Zeitpunkt 2255 Verdachtsmeldungen über einen tödlichen Ausgang der Impfung beim Paul-Ehrlich-Institut.

„Der Digital Services Act, auf den sich das Kammergericht Berlin maßgeblich stützte, ist ein entscheidender Baustein in der gegenwärtig zu beobachtenden Zerstörung der Meinungsfreiheit.“

Die in den Beiträgen geäußerten Auffassungen widersprachen in wesentlichen Hinsichten den Leitlinien von WHO und nationalen Gesundheitsbehörden. Das Berliner Gericht führte aus, dass ein pauschaler Verweis von LinkedIn auf diese Leitlinien ausreiche, wenn es darum gehe, widersprechende Beiträge sowie das korrespondierende Nutzerkonto zu löschen. Es stützte sich bei seiner Entscheidung auf den Digital Services Act, der im Februar 2024 das 2017 in Kraft getretene deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz abgelöst hatte. Das Gericht verwies auf Artikel 14, der die allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Internetplattformen regelt. Nach Artikel 14 Abs. 4 müssen die Plattformbetreiber mit ihren AGBs zwar die Grundrechte der Nutzer, einschließlich des Rechts auf Meinungsfreiheit, angemessen berücksichtigen. In dem konkreten Fall sei jedoch die unternehmerische Freiheit höher zu gewichten als die Meinungsfreiheit. LinkedIn müsse nicht in jedem Einzelfall prüfen, „ob eine konkrete Aussage richtig, teilweise richtig oder falsch ist“, heißt es in dem Urteil vom 18. September, das dem Autor vorliegt.

Vielen Menschen war es während der Pandemie bekanntermaßen ähnlich ergangen. Googles „Richtlinie zu medizinischen Fehlinformationen zu Covid-19“ führte zu unzähligen Beitragslöschungen und Reichweitendrosselungen auf YouTube. Derartige Vorgänge wurden mutmaßlich durch einen Geheimgipfel der Bundesregierung mit Google und Facebook befeuert.

Der Digital Services Act, auf den sich das Kammergericht Berlin maßgeblich stützte, ist ein entscheidender Baustein in der gegenwärtig zu beobachtenden Zerstörung der Meinungsfreiheit. Diese EU-Verordnung, die in allen Mitgliedstaaten unmittelbar rechtsverbindlich ist, bekämpft – ausweislich der Website der deutschen Bundesnetzagentur, die für die Umsetzung des DSA in Deutschland zuständig ist – nicht nur illegale, sondern auch „schädliche“ Informationen. Wörtlich heißt es: „Illegale oder schädliche Online-Aktivitäten sowie die Verbreitung von Desinformation können [mit Hilfe des DSA, CJZ] leichter verhindert werden.“

„Im DSA selbst wird auf nicht rechtswidrige Inhalte fokussiert.“

Das ist eine Abkehr vom Rechtstaatsprinzip durch eine deutsche Behörde und eröffnet staatlicher Willkür Tür und Tor. Auch im DSA selbst wird auf nicht rechtswidrige Inhalte fokussiert. So werden in den Vorbemerkungen des Gesetzes (Erwägungsgründe 80-83) sowie im Gesetz selbst (Art. 34 1a-d) vier Typen sogenannter systemischer Risiken aufgelistet, auf die das Gesetz reagiert:

  • die Verbreitung rechtswidriger Inhalte, z.B. Kinderpornographie;
  • Auswirkungen von Online-Inhalten auf Grundrechte wie Menschenwürde, Freiheit der Meinungsäußerung [!] und Datenschutz;
  • negative Auswirkungen auf demokratische Prozesse wie gesellschaftliche Debatten und Wahlprozesse;
  • nachteilige Auswirkungen auf den Schutz der öffentlichen Gesundheit, auf den Schutz von Minderjährigen sowie in Bezug auf geschlechtsspezifische Gewalt.

In Erwägungsgrund 84 des DSA heißt es, dass sich sehr große Online-Plattformen bei der Bewertung dieser Risiken auch auf Informationen konzentrieren müssen, „die zwar nicht rechtswidrig sind, aber zu den in dieser Verordnung ermittelten systemischen Risiken beitragen“ [Hervorhebung von CJZ]. Tun die Plattformen dies nicht, so müssen sie mit Strafzahlungen rechnen, die bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes betragen können.

Das Urteil des Berliner Kammergerichts im LinkedIn-Fall bringt damit den Kern der Logik des DSA und des durch ihn betriebenen Kampfes gegen „Desinformation“ zum Vorschein: Die Einschränkung von Meinungsfreiheit durch staatliche Willkür. Der Staatsrechtler Dietrich Murswiek, Mitglied im akademischen Komitee von Bündnis Redefreiheit, hat Klage vor dem Bundesverfassungsgericht erhoben. Die Entscheidung des Berliner Kammergerichts mache – so Murswiek in einer am 20. Oktober veröffentlichten Presseerklärung – „falsche oder irreführende Aussagen der hoheitlichen Gesundheitsinstitutionen unangreifbar und entzieht sie der Korrektur durch richtige Aussagen der Plattformnutzer. Dafür kann es keine Rechtfertigung geben.“ Mit der Errichtung unangreifbarer Wahrheitsinstanzen komme der Geist von „diktatorischen Willkürregimen“ zum Ausdruck.

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