23.10.2023

Wirtschaft mit Ricarda

Von Jörg Michael Neubert

Titelbild

Foto: Stefan Müller via Flickr / CC BY 2.0

Mindestlohn rauf und Mieten runter – das fordert die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang. Ökonomische Zusammenhänge blendet sie bei ihren Vorschlägen aber aus.

Manchmal können einen die Grünen ja fast leidtun. Alle Welt hackt auf ihren Ideen und Forderungen herum und inzwischen gelten sie gemeinhin als Wohlstandsvernichter und klimatisch verblendete Ideologen. Man möchte fast ein wenig Mitleid entwickeln. Und dann kommt Ricarda Lang. Die Grünen Co-Vorsitzende ließ aktuell verlauten, dass sie die geplante Erhöhung des Mindestlohns um 82 Cent bzw. 6,8 Prozent für zu niedrig hält. Sie gab zu Protokoll, dass diese Erhöhung „ein Schlag ins Gesicht“ von Menschen sei, die wenig verdienen1. Starke Worte für eine Studienabbrecherin, die sich normalerweise als potenzielles Mitglied dieser Gruppe qualifizieren würde.

Zum Glück ist Frau Lang trotz des Fehlens jeglichen berufsqualifizierenden Abschlusses Mitglied des Deutschen Bundestags. Damit erhält sie aktuell ein monatliches Salär von 10.195,70 Euro und sollte damit derartiger Probleme enthoben sein. Allerdings scheint sich ihre fehlende Ausbildung an zwei anderen Stellen Bahn zu brechen. Das wäre zum einen eine kleine Rechenschwäche. Der Mindestlohn ist nämlich seit Juli letzten Jahres bereits von 10,45 Euro auf 12 Euro oder, anders ausgedrückt, um 15 Prozent gestiegen. Nun sollen weitere 6,8 Prozent hinzukommen. Das summiert sich immer noch nicht zu einem hohen Einkommen – aber die implizite Behauptung, die Erhöhung läge unterhalb der Inflation, verfängt hier nicht.

Zum anderen hat sie offenbar ein grundlegendes betriebswirtschaftliches Prinzip nicht ganz verstanden. Löhne von Arbeitnehmern werden im Gegensatz zu Frau Langs Diäten nicht vom Steuerzahler beglichen. Vielmehr muss der Bruttolohn vom Arbeitgeber gezahlt werden. Daraus folgt, dass der Arbeitnehmer erst einmal dieses Gehalt plus einen Anteil an den Fixkosten plus Gewinn für den Arbeitgeber erwirtschaften muss. Wie das im Niedriglohnsektor grundsätzlich funktionieren soll, lässt Frau Lang hier offen. Doch ähnlich wie bei grüner Energiepolitik geht es hier ganz offenbar mehr darum, auf der moralisch richtigen Seite zu stehen.

„Höhere Löhne bedeuten, wie schon beschrieben, höhere Kosten für den Unternehmer. Dieser muss die Preise erhöhen, um zu überleben.“

Dass ein übertrieben hoher Mindestlohn aber dazu führt, dass Unternehmen sich unter Umständen den Arbeitnehmer nicht mehr leisten können oder gar aufgeben müssen und dann die (Ex-)Angestellten gar kein Gehalt mehr bekommen, ficht Frau Lang offenbar nicht an. OK, fairerweise gesagt übernimmt dann wie bei Frau Lang die Staatskasse, in diesem Fall über Arbeitslosengeld. Das steigert allerdings gerade nicht die monatlichen Einnahmen der Betroffenen. Außerdem bedeuten höhere Löhne, wie schon beschrieben, höhere Kosten für den Unternehmer. Dieser muss, so er nicht komplett aus dem Wirtschaftsleben aussteigt, die Preise erhöhen, um zu überleben. Damit sinkt aber wieder die Kaufkraft und der Ruf nach höheren Löhnen wird wieder laut. Die Ökonomie spricht hier von einer Lohn-Preis-Spirale.

Übrigens kann Frau Lang auch anders. Während ihr der Lohn nicht hoch genug sein, ist es bei anderen Dingen genau umgekehrt. Die dürfen nicht so hoch sein. Siehe das leidige Thema der steigenden Mieten. Hier fordert Frau Lang eine „Mieterschutzoffensive für bezahlbares Wohnen“. Im Einzelnen versteht sie darunter eine Verschärfung der Mietpreisbremse, Kappungsgrenzen sowie eine Begrenzung von Indexmieten.

Und auch hier hat Frau Lang offenbar nicht so gut aufgepasst. Denn ansonsten wüsste sie, dass hohe Preise eines Gutes eine Knappheit anzeigen. In diesem Fall also eine von Wohnungen und Häusern. Das einzig langfristig probate Mittel dagegen ist logischerweise die Vergrößerung des Angebots, sprich mehr Wohnungen zu bauen. Da wir (noch) nicht in einer reinen Staatswirtschaft leben, ist es nötig, dass auch der private Sektor mithilft, dass also Unternehmen und Privatleute Wohnraum zur Miete bereitstellen.

„Wenn es immer unattraktiver wird, Wohnraum bereit zu stellen, werden das auch immer weniger Personen und Unternehmen tun.“

Und was macht man, wenn man möchte, dass jemand etwas tut? Man macht es attraktiv. Grundsätzlich hat die Politik das Prinzip auch verstanden, man denke nur an die Elektroauto- oder Abwrackprämie. Nur an Frau Lang und einigen Sozialdemokraten bzw. Linken ist das wohl vorbeigegangen, denn sie wollen das Vermieten von Wohnungen offenbar unattraktiver machen. Gestützt werden Sie dabei noch vom grünen (Miss)Wirtschaftsminister, der mittels der Gesetzgebung zur energetischen Sanierung noch mehr Kosten für Immobilieneigentümer in seiner Wundertüte bereithält. Natürlich sollen Mieter hier auch vor einer eventuellen Umlage der Sanierungskosten geschützt werden.

Wenn es aber immer unattraktiver wird, Wohnraum bereit zu stellen, werden das auch immer weniger Personen und Unternehmen tun und am Ende bleibt – hatten wir das nicht schon mal? – der Steuerzahler. Aber es hat natürlich niemand vor, eine Planwirtschaft zu errichten oder die Menschen vom Staat abhängig zu machen.

Bekanntlich geht manchen Menschen erst ein Licht auf, wenn es richtig dunkel wird. Bei der Energiepolitik der Regierung möglichweise im Realen, bei manch anderen Plänen von Frau Lang im übertragenen Sinn.

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