05.01.2022

Scholz, der Baumeister?

Von Jörg Michael Neubert

Die Bundesregierung will Wohnungsneubau massiv vorantreiben. Das ist im Prinzip richtig. Dabei steht ihr aber die Verteuerung von Immobilien, nicht zuletzt aufgrund staatlicher Politik, im Wege.

Und wenn Sie nicht gestorben sind, dann steigen Sie noch heute. Gemeint sind die Mieten in großen Städten. Das ruft erwartungsgemäß die neue Regierung auf den Plan. Erfreulich ist, dass sie offenbar grundsätzlich verstanden hat, dass mit einer Mietpreisbremse das Problem der Knappheit an sich nicht zu lösen ist. Laut Koalitionsvertrag sollen vielmehr jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen entstehen. Um diese Zahl zu erreichen, wurde sogar wieder ein separates Bauministerium eingerichtet, was zumindest institutionell anzeigt, dass es der Koalition mit diesem Vorhaben ernst ist. Die große Frage ist nun: Hilft diese Bauoffensive gegen die steigenden Mietpreise und wie realistisch ist die Umsetzung?

Beginnen wir mit der Zahl der Wohnungen. Sind 400.000 Wohnungen im Jahr genug? Das kann man bejahen. Eine Studie des IW Köln geht davon aus, dass zunächst aufgrund des Nachholbedarfs ca. 340.000 Wohnungen pro Jahr benötigt werden. Sobald dieser gedeckt ist, wird der jährliche Bedarf (incl. Ersatzbedarf) auf ca. 245.000 Wohnungen sinken. Natürlich verteilt sich dieser Bedarf nicht gleichmäßig über Deutschland, sondern betrifft vor allem die großen Städte und Ballungsräume. Es würde ja, überspitzt gesagt, wenig helfen, 10.000 neue Wohnungen in den dünn besiedelten Gebieten von  Sachsen-Anhalt zu bauen. Hier herrscht nämlich ein Überschuss an Immobilien, der zu Leerständen führt. In Großstädten würden diese Wohnungen hingegen eine Entlastung bedeuten.

Finanzierung

Wenn wir das Problem, dass auch entsprechender Baugrund vorhanden sein muss, und die zu erwartenden Proteste der Anwohner beiseite, stellt sich die Frage, wer den Bau dieser Wohnungen bezahlen soll. Die Regierung selbst ist zum einen durch die Schuldenbremse eingeschränkt und zum anderen will sie ja auch noch größere Summen für den Klimaschutz ausgeben. Um einen Eindruck zu bekommen: Der Durchschnittsbaukosten pro Quadratmeter in Deutschland betragen 1951 Euro. Die durchschnittliche Wohnfläche 47 Quadratmeter. Eine Durchschnittswohnung kostet also 91697 Euro. Hochgerechnet auf die 400.000 geplanten Wohnungen ergibt das einen jährlichen Finanzbedarf von 36,6 Milliarden Euro pro Jahr. Nicht mit eingerechnet ist, dass die Wohnungen ja in eher teuren Gebieten (Lage!) gebaut werden sollen.

Das wird der Staat nicht alleine stemmen können, denn nur zum Vergleich: Das gerade mal 10 Milliarden weniger als der gesamte Verteidigungshaushalt. Der tatsächliche Finanzierungsbedarf dürfte daher noch höher liegen. Einen Teil des Geldes will die Bundesregierung wohl darüber beschaffen, dass die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) die Erlaubnis erhält, sich zu verschulden. Das würde die Schuldenbremse zwar formal umgehen, aber die Schulden müssten trotzdem bedient werden. Natürlich würde der Staat später aus den Mieten auch Einnahmen generieren, aber diese würden wahrscheinlich nicht alleine reichen, die Schulden zu bedienen. Nun ist es eine ökonomische Binsenweisheit, dass die Schulden von heute die Steuererhöhungen von morgen sind und daher wären die Folgen, wenn der Staat alle Wohnungen auf eigene Kosten baut, absehbar. Der Staat wird also nicht umhinkommen, private Investoren mit ins Boot zu holen, um seine Ziele zu erreichen.

„Vor allem in den Ballungsgebieten sind die Kaufpreise wesentlich stärker gestiegen als die zu erzielenden Mieten.“

In diesem Bereich kann man grob zwei Parteien unterscheiden. Zum einen gewerbliche Immobilienkonzerne sowie zum anderen Privatpersonen. Letztere unterscheiden sich noch darin, ob sie die Immobilie vermieten oder selbst bewohnen wollen. Betrachten wir zunächst die gewerblichen Akteure. Der Bau und die Bewirtschaftung von Immobilien sind ihr Geschäftsmodell, d.h. sie wollen eine Rendite und damit einen Gewinn erzielen. Die Rendite von Immobilien hängt hauptsächlich von zwei Faktoren ab. Zum einen dem Kaufpreis und zum anderen von der erzielbaren Miete. Abbildung 1 und 2 zeigen die Indices für Kaufpreise und Mieten.

Abb. 1:  Entwicklung des Preisindex für Ein- und Zweifamilienhäuser seit 2015 (2015 = 100), Quelle.

Abb. 2 : Entwicklung des Preisindex für Mieten seit 1995 (2015 = 100), Quelle.

Es zeigt sich deutlich, dass vor allem in den Ballungsgebieten die Kaufpreise wesentlich stärker gestiegen sind als die zu erzielenden Mieten. Oder etwas technischer ausgerückt: Die Mietrenditen sind gesunken. Das Geschäft der Immobilienunternehmen ist also, entgegen der öffentlichen Wahrnehmung, unrentabler geworden. Trotzdem wird aktuell weiter viel gebaut, wie die Entwicklung des Kreditvolumens von Baufinanzierungen zeigt.

Abb. 3: Entwicklung des Kreditvolumens für Baufinanzierungen seit 2003, Quelle.

Hier sind allerdings zwei Dinge zu beachten. Zum einen wird dieser Boom vor allem durch Privatleute getrieben, von denen sich viele aufgrund der niedrigen Zinsen überhaupt erst jetzt eine Immobilie leisten können. Zum anderen werden die Zinsen nicht ewig auf diesem Niveau bleiben. Langfristig planende gewerbliche Investoren werden etwaige künftige Zinssteigerungen bei ihren Entscheidungen antizipieren, was die Neigung zu Neubauten senken wird. Außerdem werden die Preise in Zukunft vorrausichtlich weiter steigen (s. unten).

„Verzinste Anlageformen werden unattraktiver, folgerichtig fließt mehr Geld in Sachwerte wie eben Immobilien.“

Bei Privatleuten gilt, wenn die Immobilie als Renditeobjekt genutzt werden soll, das gleich wie für gewerbliche Investoren. Bei einer Immobile für die Eigennutzung ist die Lage etwas anders. Neben psychologischen Faktoren spielt hier vor allem der Gedanke, spätestens im Alter mietfrei zu wohnen, eine große Rolle. Die entscheidende Frage ist also, ob man die Immobilie bis zur Rente abbezahlt hat. Womit wir beim Kaufpreis wären. Wie bereits gezeigt, ist dieser in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Damit wird es aber für Privatleute immer teurer, eine eigene Immobilie zu erwerben.

Kostentreiber

Warum aber sind die Baukosten jetzt so stark gestiegen? Trotz steigender Preise gab es die letzten Jahre einen Aufwärtstrend, was die Zahl der Baugenehmigungen und auch der Baufertigstellungen betrifft.

Abb. 4: Zahl der Baugenehmigungen und Baufertigstellungen seit 1991, Quelle.

Dieser Trend wird vor allem durch die Niedrigzinspolitik der EZB befeuert. Verzinste Anlageformen werden unattraktiver, folgerichtig fließt mehr Geld in Sachwerte wie eben Immobilien. Die dadurch bedingten Preissteigerungen werden durch die niedrige Zinshöhe für diejenigen kompensiert, die den Kauf auf Kredit finanzieren, so dass die Nachfrage hoch bleibt. Die jüngst deutlich angestiegene Inflation verschärft dieses Problem. Verstärkt wurde dieser Effekt übrigens durch das von 2018 bis 2021 bestehende Baukindergeld, das von Verkäufern oft bereits eingepreist war.

Dieser Trend wirkt zwar auf den ersten Blick nicht gewaltig, trifft aber auf ein grundsätzliches Problem auf der Angebotsseite. Der Baubranche geht es zwar seit einigen Jahren  relativ gut, sie kann ihre Kapazitäten nicht vollständig an die Nachfrage anpassen. Was zu Preissteigerungen aufgrund des Nachfrageüberhangs führt. Immerhin hat sich die Zahl der Baugenehmigungen seit dem Ende der Baukrise 2010 fast verdoppelt. Einer der Gründe dafür ist, dass vielen Firmen schlicht und ergreifend Mitarbeiter fehlen, da es zu wenig Nachwuchs gibt. Abbildung 4 zeigt sowohl die Zahl der Rentenzugänge als auch die Zahl der Azubis im Baugewerbe.  

Abb. 5:  Azubis im Baugewerbe, Quelle.

Eine Lehre im Baugewerbe ist offenbar trotz guter Beschäftigungs-, Verdiensts- und Aufstiegschancen bei entsprechender Weiterqualifizierung  unattraktiv, was, wie ich hier gezeigt habe, auch an einer verfehlten Bildungspolitik der Regierung liegt. Dieser Mangel an Personal in Verbindung mit der hohen Nachfrage führte u.a. zu steigenden Löhnen und damit auch höheren Baukosten. Abbildung 6 zeigt die Entwicklung des Bruttolohns im Baugewerbe.

Abb. 6 : Lohnentwicklung in der Bauwirtschaft, Quelle.

Seit Ende der Baukrise haben Beschäftigte im Baugewerbe durchschnittlich im Westen 2,7 Prozent und im Osten 3,1 Prozent mehr Gehalt pro Jahr bekommen. Das sind aufgrund der geringen Inflation reale Lohnsteigerungen, was für die Beschäftigten natürlich positiv ist, aber gleichzeitig die Preise treibt. Wobei zu sagen ist, dass es sich hier nicht um den Haupttreiber handelt. Aktuell wird der Aufwärtstrend der Preise durch die Corona-Krise verstärkt. Die Störungen der Lieferketten haben dazu geführt, dass Baumaterial nicht nur schwerer zu bekommen, sondern auch deutlich teurer ist. Wobei sich damit nur ein Trend verschärft, der sich – aus den oben dargestellten Gründen – bereits länger abzeichnet. So sind seit 2015 die Preise für Roharbeiten um 22 Prozent gestiegen. Erdarbeiten schlagen sogar mit 28 Prozent Preissteigerung zu Buche.1  

„Die sozial-ökologische Transformation, die von der Regierung propagiert wird, wird vor allem zu steigenden Kosten im Alltagsleben führen.“

Kommen wir wieder zum Staat. Ein wichtiger Faktor, mit dem dieser die Baupreise treibt, sind (Umwelt)Vorschriften. Hohe Anforderungen an die Dämmung von Neubauten sind ein typisches Beispiel. Ab 2025 müssen Neubauten außerdem 65 Prozent ihres Energiebedarfs aus erneuerbaren Energien beziehen. Neben dem Einbau von (teuren) Kraft-Wärme-Anlagen wird diese Vorschrift dazu führen, dass hauptsächlich mit Strom geheizt werden wird. Leider ist dieser in Deutschland aber sehr teuer, so dass diese Maßnahme nicht nur die Baukosten, sondern auch die Nebenkosten in die Höhe treibt. Dazu kommt noch der steigende CO2-Preis. Beides ist sicherlich nicht im Interesse einer Bauoffensive. Hier zeigt sich allerdings exemplarisch sehr gut, dass die sozial-ökologische Transformation, die von der Regierung propagiert wird, vor allem zu steigenden Kosten im Alltagsleben führen wird. Hauptsächlich betroffen werden hier wieder die einkommensschwachen Haushalte sein. Gerade diese wollte die SPD aber entlasten. Man darf gespannt sein, wie das funktionieren soll.

Gibt es auch gute Nachrichten? Ja, gibt es. So will die Regierung die Möglichkeit schaffen, dass bei Neubauten eine höhere Abschreibung möglich ist, was vor allem Immobilienunternehmen nützen dürfte. Außerdem soll die Grunderwerbssteuer angepasst werden. Das dürfte allerdings schwierig werden, da es sich hier um eine Ländersteuer handelt, diese eine der Haupteinnahmequellen der Länder darstellen und erst in den letzten Jahren immer mehr erhöht wurde. Ohne entsprechende Kompensation wird hier wohl kein Landesparlament zustimmen.

Ist also in Zukunft damit zu rechnen, dass die private Bautätigkeit in dem Umfang steigen wird, der nötig wäre, um das Ziel der Regierung zu erreichen? Das ist eher unwahrscheinlich. Wie oben gezeigt, ist in der Zukunft eher mit steigenden Preisen zu rechnen, die nicht über eine deutlich höhere Miete amortisiert werden können. Es gibt also aktuell wenig Anreize für den privaten Sektor, verstärkt ins Bauen zu investieren.

Sozialwohnungen

Betrachten wir zuletzt noch kurz das Thema sozialer Wohnungsbau. Das ist eigentlich ein Herzensthema der SPD und daher sollen laut Koalitionsvertrag ein Viertel der neu gebauten Wohnungen Sozialwohnungen sein. Betrachten wir daher die bisherige Entwicklung in diesem Bereich.

Abb. 7, Anzahl der Sozialwohnungen in Deutschland, Quelle.

Es ist klar erkennbar, dass sich die Zahl der Sozialwohnungen in Deutschland seit dem Jahr 2007 fast halbiert hat. Die 100.000 geplanten Neubauten können also höchstens den Trend nach unten stoppen. Diesen Trend darf man zwar nicht der FDP oder der Grünen, wohl aber der SPD anlasten. Bis hier wieder eine angemessene Zahl von Wohnungen bereitsteht, wird also noch etwas Zeit vergehen.

„Insgesamt setzen die aktuellen Pläne der Regierung zu sehr auf staatsgetriebene, fast planwirtschaftliche Lösungen.“

Wobei der prinzipiell Plan zu befürworten ist. Gerade für arme Haushalte, die besonders unter steigenden Mieten leiden, ist an einen Hauskauf kaum zu denken. Hier hat der Staat zwei Möglichkeiten. Er könnte erstens die Wohnungen selbst bauen und bewirtschaften oder zweitens über z.B. steuerliche Anreize den sozialen Wohnungsbau für Investoren interessanter machen. Noch gibt es nur vage Andeutungen, aber keine konkreten Pläne zu diesem Thema und der Koalitionsvertrag enthält keine näheren Angaben.

Fazit

Die grundsätzliche Intention der Bundesregierung, 400.000 neue Wohnungen pro Jahr zu bauen ist absolut zu begrüßen, da sich so der Wohnungsmangel beheben lässt. Damit würden auf längere Sicht Angebot und Nachfrage wieder ins Gleichgewicht kommen und der Preisauftrieb bei den Mieten gebremst. Unabhängig davon bleibt das Problem bestehen, dass das Bauen durch politische Interventionen immer teurer wird. Insgesamt setzen die aktuellen Pläne der Regierung zu sehr auf staatsgetriebene, fast planwirtschaftliche Lösungen. Besser und für den Steuerzahler insgesamt billiger wäre es aber, wenn man das Bauen für private Investoren günstiger machen würde. Dazu müsste aber an der staatlich verursachten Kostenschraube gearbeitet werden. Als positiver Nebeneffekt würden dann auch Bestandsimmobilien günstiger, was sich ebenfalls positiv auf das Mietwohnungsangebot auswirken könnte. Auf diese Weise ließe sich der benötigte Wohnraum effizienter und billiger zur Verfügung stellen. Man wird sehen, ob sich die Verantwortlichen in der konkreten Umsetzung doch noch auf bessere Ideen besinnen.

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