01.12.2016
„Wir begreifen uns als Staatswächter“
Interview mit Frank Schäffler und Clemens Schneider
Die beiden Gründer des Prometheus-Instituts, Frank Schäffler und Clemens Schneider, stellen ihre Anti-Nudging-Kampagne vor.
Novo: Herr Schäffler, Herr Schneider, Anfang des Jahres haben Sie die Kampagne „Ich brauch kein Kindermädchen“ ins Leben gerufen. Worum geht es dabei?
Frank Schäffler: Es gibt eine unschöne Tendenz zu Bevormundung in unserem Land. Politiker versprechen den Bürgern, sie sanft auf den Pfad der Tugend zu geleiten. Die Bundesregierung hat ihren Bürgerdialog doch tatsächlich betitelt „Gut leben in Deutschland“. Wir fragen uns: Wer bestimmt hier eigentlich, was gut ist? Die Bundesregierung und ihre Experten oder jeder mündige Bürger für sich?
Clemens Schneider: Vom „mündigen Verbraucher“ haben sich viele in Politik und Bürokratie eh schon verabschiedet. Für Heiko Maas ist der nur „ein schönes Ideal“. Dazu passt die Idee des Nudging. Wenn der Bürger ohnehin nur als Opfer der Konzerne gesehen wird, kann man auf die Idee kommen, es sei an der Zeit, seine Blauäugigkeit nun endlich zu seinem eigenen Nutzen einzusetzen – was auch immer das ist …
Was stört Sie insbesondere am Nudging?
Frank Schäffler: Der psychologische Druck, mit dem diese Methode arbeitet. Dazu hat der Ökonom Jan Schnellenbach im Auftrag von Prometheus ein Gutachten verfasst. Die Autonomie und Freiheit des Menschen wird eben nicht gewahrt, wenn Optionen als faktisch oder gar moralisch besser gekennzeichnet werden. Hier wird in Kindermädchen-Manier vorgegeben, was gut und was böse ist. Wer tut schon gerne freiwillig etwas, das als schädlich oder schlecht gilt?
„Es wird in Kindermädchen-Manier vorgegeben, was gut und was böse ist.“
Was ist ihrer Meinung das Besondere an dieser neuen Form des Paternalismus?
Clemens Schneider: Nudging ist sehr clever, es beruht auf wohldurchdachten und in sich schlüssigen wissenschaftlichen Theorien. Dadurch kann es sich einen objektiven, wertfreien Anstrich verschaffen. Aber als Mittel der Politik ist es eben nicht mehr wertfrei. Dann ist es ein Instrument, um politische Ziele durchzusetzen. Die klassische paternalistische Politik tut das mit Verboten und Steuern. Da sind die Politiker gezwungen, ihre Agenda dem öffentlichen Diskurs anheim zu stellen. Am Nudging wird oft gerühmt, dass es nicht mit dem Holzhammer daherkommt. Aber der Holzhammer ist halt leichter auszumachen als das sanfte Schubsen.
Welche Aktivitäten planen Sie noch im Rahmen ihrer Kampagne?
Frank Schäffler: Wir beobachten sehr genau, was die Regierung und Behörden so vorhaben. Schriften wie das „Nationale Programm zum nachhaltigen Konsum“ oder den verbraucherpolitischen Bericht haben wir auf dem Schirm. Wenn dort neue paternalistische Maßnahmen und Wege geplant werden, schlagen wir Alarm. Das Verbraucherschutzministerium plant gerade die Einführung von sogenannten „Marktwächtern“ – wir als Prometheus begreifen uns als „Staatswächter“.
Welche grundlegenden Ziele verfolgen Sie darüber hinausmit ihrer Organisation?
Frank Schäffler: Campact und Attac haben vor kurzem Hunderttausende mobilisiert, um gegen TTIP und CETA zu demonstrieren. Wir sind entschlossen, an vorderster Stelle einer Bewegung mitzuwirken, die Hunderttausende auf die Straße bringt, um für Freihandel zu demonstrieren, gegen staatliche Bevormundung und für eine fundamentale Reform unseres Wohlfahrtsstaates …
Clemens Scheider: Wir wissen, dass es viel Zeit braucht, um das Selbstverständnis einer Gesellschaft zu ändern. Aber wir haben ja nicht Sisyphos, sondern Prometheus als unseren Namenspatron gewählt – und der hat sein Ziel erreicht. Wir bleiben zuversichtlich!