16.09.2015

Nudging gefährdet Ihre Urteilsfreiheit

Essay von Frank Furedi

Als neue Form des Paternalismus etabliert sich das Nudgen („Anschubsen“). Mittels sogenannter Entscheidungsarchitektur sollen Menschen zum „richtigen“ Verhalten motiviert werden. Das beeinträchtigt die moralische Autonomie und die öffentliche Debatte.

Ich war nie ein Freund der Vorstellung eines „falschen Bewusstseins“. Als linker Student in den frühen 1970er Jahren musste ich mir ständig Warnungen vor dieser gesellschaftlichen Krankheit anhören. Viele Linke waren der Auffassung, dass die Allgemeinheit, und ganz besonders die Arbeiterklasse, nicht in der Lage wären, ihre wahren Interessen zu erkennen. Als Beweis dafür mussten diesen selbsternannten Inhabern des richtigen Bewusstseins bestimmte Verhaltensweisen herhalten – etwa die Leidenschaft für Fußball oder das Wählen von konservativen Parteien.

Diese scheinbar aufgeklärte Minderheit, die sich anmaßte, die „wahren Bedürfnisse“ ihrer Mitbürger zu kennen, stützte sich regelmäßig auf die Behauptung Herbert Macuses, dass Menschen von „falschen Bedürfnissen“ angetrieben würden. In den letzten Jahrzehnten nahm der Einfluss dieser Anschauung innerhalb der Mittelschicht, vor allem in den USA, erstaunlich zu. Man bedenke die Texte des amerikanischen Journalisten Thomas Frank, der sich für eine modernisierte Version der Idee des „falschen Bewusstseins“ stark macht. Sein Buch What’s The Matter With Kansas erlaubt einen Einblick in diese bevormundende Weltanschauung. Frank schlussfolgert, dass „die amerikanische Politik darauf beruht, dass Menschen ihre grundlegenden Interessen nicht begreifen“. [1]

Der irrationale Mensch einst und heute

Die Mutmaßung, dass Menschen zu dumm dafür seien, ihre eigenen Interessen zu erkennen, beeinflusst und prägt die Gestaltung von Politik in der westlichen Welt. Im Grunde handelt es sich bei dieser Diagnose der dummen Massen nur um die Neuinterpretation einer alten Ideologie. Im 19. Jahrhundert erklärten Sozialreformer die Zielgruppe ihrer Arbeit – die breite Masse der Menschen – für so irrational wie leicht beeinflussbar. Im 20. Jahrhundert behaupteten Psychologen und Werbetreibende, dass sie die Welt verbessern könnten, indem sie die Leute manipulativ zu einem an den neuesten „wissenschaftlichen“ Erkenntnissen orientierten Verhalten motivieren. Sie nahmen ungeniert die moralische Autorität für sich in Anspruch, ohne Rücksicht auf das Empfinden der Betroffenen zu handeln.

„Das Manipulieren von menschlichen Beweggründen ist heute eine wesentliche Triebfeder sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor“

1941 formulierte der Präsident des Instituts für Motivationsforschung, Dr. Ernest Dichter, es so: „Eine erfolgreiche Werbeagentur manipuliert die natürlichen Beweggründe und Wünsche der Menschen und weckt in ihnen ein zuvor unbekanntes Verlangen nach bestimmten Dingen“. Heutzutage ist das Manipulieren von menschlichen Beweggründen eine wesentliche Triebfeder sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor. Erst kürzlich erfuhren diese altmodischen Motivationsmethoden einen neuen Schub durch die sogenannte Verhaltensökonomie und die Evolutionspsychologie.

Im 21. Jahrhundert erhält die Motivationsforschung Zuspruch von Regierungen, die nicht mehr bereit sind, ihre Bürger politisch oder moralisch zu überzeugen. Politikberater beschweren sich immer darüber, dass die Bürger die Weisheiten, die sie ihnen offenbaren, nicht annehmen, und stattdessen mit ihrem Verhalten im Widerspruch zum Expertenrat stehen. In der Folge sind Politikberater und mit ihnen Regierungsvertreter und Politiker dazu übergegangen, die offene Debatte für beendet zu erklären, da man mit Unvernünftigen sowieso nicht diskutieren könne. Nun sei es an der Zeit für neue Formen des Verhaltensmanagements und der Motivationsmanipulation, um die Leute zu vorbildlichem Verhalten anzutreiben.

Deshalb heißen sowohl der britische als auch der amerikanische Staat die neue Nudge-Doktrin willkommen, welche von den amerikanischen Wissenschaftlern Richard Thaler und Cass Sunstein am prominentesten vertreten wird. [2] Diese Doktrin greift auf Methoden des Verhaltensmanagements zurück und läuft unter dem Etikett des „libertären Paternalismus“. Mittels manipulativer Techniken sollen die Leute die von den Mächtigen als „richtig“ erachteten Entscheidungen treffen.

Verhaltensmanagement statt Politik

In Großbritannien unterstützt das Cabinet Office Behavioural Insight Team, bekannt als „Schubseinheit“ (Nudge Unit), verschiedene Ministerien bei der Auswahl möglichst zielführender psychologischer Tricks. So erklärte die Schubseinheit in einem Bericht, dass die „traditionellen Regierungsmethoden“ nicht in der Lage seien, die „Verhaltensprobleme“ der Menschen zu verändern. Deshalb habe sie nun die Aufgabe, die „Regierung mit Methoden der Verhaltensökonomie und der Verhaltenswissenschaft bei der Politikentwicklung und -anwendung zu unterstützen.“

Zur Rechtfertigung des Einsatzes dieser Verhaltensmanagement-Techniken (anstelle der „traditionellen Regierungsmethoden“) dient die scheinbar neuartige Erkenntnis, dass Menschen nicht immer vernünftig handeln. Im Bericht heißt es: „Viele drängende politische Fragen können nur unter Berücksichtigung individueller Verhaltensweisen angegangen werden. Verhaltenswissenschaft und Verhaltensökonomie zeigen, dass wir uns sehr oft nicht so verhalten, wie man es von einem vollständig ‚rationalen‘ Menschen erwarten würde.“

„Der ‚libertäre Paternalismus‘ will öffentliche Debatten umgehen und setzt stattdessen auf psychologische Manipulation“

Eigentlich brauchen wir keine Verhaltenswissenschaft, um „zu zeigen“, dass menschliches Verhalten gegen das Diktat des Expertenrats und der ausgeklügelten Kosten-Nutzen-Analysen verstößt. Wir wissen alle, dass Menschen von Gewohnheiten, Trägheit und Leidenschaften beherrscht werden. Manche geben sich mit Freude Aktivitäten hin, die mit einem Warnhinweis versehen sind oder den neuesten Expertentipps zuwiderlaufen. Manchmal legen wir gar ein uneigennütziges Verhalten an den Tag, welches unserem persönlichen Interesse stark zuwiderläuft.

Seit Jahrhunderten halten diese unterschiedlichen Verhaltensformen Moralunternehmer und Experten auf Trab, die unser Verhalten verstehen und uns umerziehen wollen. Grundsätzlich steht es allen, die etwas gegen bestimmte Verhaltensformen von Menschen einzuwenden haben, zu, dies deutlich mitzuteilen und die Öffentlichkeit vor den potenziellen Gefahren eines solchen Verhaltens zu warnen. In einer Demokratie können Auseinandersetzungen und Debatten über negative und zerstörerische Verhaltungsfolgen zur lebendigen öffentlichen Auseinandersetzung beitragen. Tragischerweise will der „libertäre Paternalismus“ öffentliche Debatten umgehen und setzt stattdessen auf psychologische Manipulation.

Rein äußerlich wirken die Verhaltensmanagement-Techniken, die die Schubseinheit der britischen Regierung vorschlägt, zunächst harmlos. Beispielsweise prahlt man mit einem neuen Plan, der die Anzahl der Organspender steigern soll. Die Leute sollen befragt werden, ob sie Organspender werden wollen, während sie sich online für einen Führerschein bewerben. Die Schubser sind sich sicher, dass dadurch die Zahl von Organspendern immens anwachsen werde.

Dies mag auch der Fall sein und vielleicht ergibt dieses Vorgehen in mancherlei Hinsicht Sinn. Diesem Vorschlag – und vielen anderen Nudges – liegt jedoch ein zutiefst rückschrittlicher Ansatz zugrunde. Statt einer öffentlichen, vernünftigen Debatte über die gegenseitige Verantwortlichkeit von Bürgern zieht die heutige Führungselite es vor, Erwachsene wie Kinder zu behandeln, die zu richtigen Entscheidungen angespornt und überredet werden müssten. Diese Strategie der Verhaltensänderung verdrängt die eigentliche Herausforderung der Politik, Menschen durch aussagekräftige Ideen und Argumente zu überzeugen.

Entscheidungsarchitektur und „Mindspace“

Paternalistisches Verhalten hat seinen Platz bei der Kindeserziehung. Viele Eltern merken, dass sich der Streit mit einem Kleinkind nicht lohnt. Viel besser ist, Erziehungsmethoden anzuwenden, die das Verhalten der kleinen Marie auf die Wünsche ihrer Mutter abstimmen. Wenn jedoch ähnliche Mittel beim Umgang mit erwachsenen Bürgern eingesetzt werden, lässt das die Zersetzung und letzten Endes den Zerfall des öffentlichen Lebens erwarten.

Paternalismus gegenüber Kindern gilt als akzeptabel, weil wir Eltern die Erfahrung und das Wissen zubilligen, das ihren Kindern noch fehlt. Eltern sind für ihre Kinder verantwortlich und müssen folglich zu einem gewissen Grad als Autoritäten auftreten und das Verhalten ihrer Kinder steuern. Kindern mangelt es an Erfahrung und vor allem an Autonomie und moralischer Unabhängigkeit. Ganz anders liegt das bei der Beziehung zwischen Staat und Erwachsenen. Zunächst einmal ist unklar, woher Verhaltenswissenschaftler, Beamte und Politiker die moralische Autorität dafür beziehen, menschliches Verhalten zu manipulieren. Die Erfahrung lehrt, dass Experten nicht den Stein der Weisen besitzen und normale Leute sehr wenig von ihnen lernen können.

„Faktisch will man den Menschen der Fähigkeit berauben, falsche Entscheidungen zu treffen.“

Nudging-Vertreter nennen sich selbst „Entscheidungsarchitekten“ und behaupten, ihre Methoden würden beim Treffen der richtigen Entscheidungen helfen. Damit meinen unsere moralischen Vorgesetzten Szenarien, in denen wir die aus deren Sicht richtigen Entscheidungen treffen. Verhaltensmanagement-Techniken sollen einen davon abhalten oder es einem wenigstens erschweren, sich „falsch“ zu entscheiden. Faktisch läuft das implizite Anliegen dieser Methoden darauf hinaus, den Menschen der Fähigkeit zu berauben, falsche Entscheidungen zu treffen. Wenn jedoch der Bürger von der Last befreit wird, zwischen richtig und falsch zu unterscheiden, dann hat man keine Wahl mehr.

Befürworter der Entscheidungsarchitektur geben sich der Illusion hin, ihr Paternalismus sei libertär und ihre Strategien seien weder autoritär noch beruhten sie auf Zwang. Tatsächlich gleichen ihre Ziele jedoch denen totalitärer Systeme. So meinte der britische Vizepremier Nick Clegg, dass die Nudge Unit „das Denken der Bürger verändern könnte“. Doch seit wann steht es einer demokratischen Regierung zu, einen ideologischen Kreuzzug zur Veränderung des Denkens seiner Bürger zu führen? Nach dieser Auffassung muss eine Regierung nicht den Ansprüchen des Volkes gerecht werden, sondern diese der Weltsicht der „Entscheidungsarchitekten“ anpassen.

Das Denken und das Handeln der Menschen umzugestalten, setzt eine Einschränkung des Rechts der Bevölkerung voraus, der Regierungspolitik zuzustimmen oder sie eben abzulehnen. Eine Diskussion zwischen Bürgern und deren Anführern kann so gar nicht mehr in beide Richtungen erfolgen. Die britische Staatskanzlei führt in ihrem Text Mindspace [3] dazu aus:

„Effekte des ‚Mindspace‘ hängen zumindest teilweise von automatischer Verhaltensbeeinflussung ab. Das bedeutet, dass sich die Betroffenen u.U. nicht dessen voll bewusst sind, dass – oder jedenfalls, wie – ihr Verhalten verändert wird. Deshalb haben Bürger nur wenige Möglichkeiten, ausdrücklich zu widersprechen oder sich anders zu entscheiden. Das Konzept der ‚Entscheidungsarchitektur‘ ist in diesem Falle weniger von Bedeutung. Jede Handlung, die das ‚Recht, falsch zu liegen,‘ einschränkt, ist tendenziell umstritten.“

Die Autoren des Mindspace verhehlen nicht, dass einige ihrer Ziele hinter dem Rücken der Wählerschaft erreicht werden müssen. Folglich werden die Leute sich „u.U. nicht voll bewusst“ sein, was vor sich geht und keine Möglichkeit zum Widerspruch haben. Kurz gesagt haben Bürger keine andere Wahl, als sich dem zu fügen.

„Unter der Herrschaft des liberalen Paternalismus geht alle Macht an die Entscheidungsarchitekten“

Im Zentrum der Nudge-Industrie und ihrer Mission, die Vorlieben der Menschen durch Verhaltensmanagement zu beeinflussen, steht die Annahme, dass die Bevölkerung ihre eigene Zukunft nicht selbst zu gestalten vermag. Die Autoren des Mindspace bilden sich ein, dass Regierungshandeln die „Freiheit steigern“ kann, indem sie als „stellvertretende Willenskraft“ („surrogate willpower“) der Bevölkerung agiert. Eine Regierung, die die Gestalt des freien Willens aller Menschen annimmt, wird sich wohl kaum mit der Idee der Freiheit identifizieren können. Dementsprechend warnt der amerikanische Politikwissenschaftler Alan Wolfe: „Unter der Herrschaft des liberalen Paternalismus geht alle Macht an die Entscheidungsarchitekten.“

Vier Gründe gegen das Nudging

Aus drei moralischen und einem praktischen Grund sollte man sich der neuen Politik des Nudgings widersetzen.

1) Nudging verachtet moralische Unabhängigkeit

Für Immanuel Kant bildet die Fähigkeit, für sein Leben eigene Entscheidungen zu treffen, eine Grundvoraussetzung, um überhaupt moralische Autonomie entwickeln zu können. In seinem berühmten Werk „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ aus dem Jahr 1784 argumentiert er wie folgt:
„Es ist so bequem, unmündig zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat, einen Seelsorger, der für mich Gewissen hat, einen Arzt, der für mich die Diät beurteilt usw., so brauche ich mich ja nicht selbst zu bemühen. Ich habe nicht nötig zu denken, wenn ich nur bezahlen kann; andere werden das verdrießliche Geschäft schon für mich übernehmen“. [4]

Nach Kant ist es besser, falsche Entscheidungen auf seinem Weg zu moralischer Unabhängigkeit zu treffen, als sich an den „richtigen“ Ratschlägen zu orientieren. Warum? Weil Menschen durch die Einübung ihrer moralischen Autonomie wichtige Erfahrungen für ihren Reifungsprozess sammeln. Einer autonomen Person wird unterstellt, über moralische Unabhängigkeit zu verfügen bzw. sich moralisch verantwortungsvoll zu verhalten. Während der Einübung der Autonomie übernehmen Menschen Verantwortung für ihr Leben und entwickeln somit ihre Persönlichkeit. Zur Entfaltung der moralischen Unabhängigkeit gehört es, sich frei zu entscheiden und zu eigener Erkenntnis darüber zu gelangen, wie man sein Leben bestmöglich gestalten kann.

2) Nudging beschädigt unser Urteilsvermögen

Eine wichtige Tugend für Aristoteles ist die Klugheit, die Fähigkeit zur Urteilsbildung. Urteilsvermögen und Entscheidungsfindung sind für ihn Bedingungen eines tugendhaften Verhaltens. Einem Kollegen etwas zu sagen, was er nicht hören möchte, kann je nach Situation aus der Tugend der Ehrlichkeit oder aus der schlechten Eigenschaft der Prahlerei rühren. Durch das Treffen von moralischen Entscheidungen entwickeln wir die Tugend der Klugheit. Deshalb können wir das Fällen von Urteilen nicht den „Entscheidungsarchitekten“ überlassen. Klugheit können wir nicht an Experten outsourcen – es ist eine Tugend, die wir selbst erlernen müssen. Es ist möglicherweise die wichtigste Tugend, um nach einem guten Leben zu streben und es zu führen.

„Je unfähiger die staatliche Politik geworden ist, sich der großen Herausforderungen anzunehmen, desto stärker neigt sie dazu, das Verhalten der Einzelnen zu manipulieren“

3) Nudging entwertet die Privatsphäre

Da das Zielobjekt der Verhaltensmanagement-Industrie unser persönliches Verhalten ist, fördert Nudging das Eindringen in unser Privatleben. Eine der bedeutendsten Errungenschaften der Liberalisierung in den letzten Jahrhunderten war die Entwicklung der Privatsphäre. Der englische Philosoph John Locke vertrat als Hauptbegründer dieser Vorstellung im 17. Jahrhundert die Auffassung, dass der Glaube der Menschen und ihr Verhalten nicht Gegenstand staatlicher Einmischung sein dürfen. Für ihn erfordert moralische Entwicklung die Freiheit der Menschen, ihrem Glauben und ihren Gefühlen gemäß handeln zu können. Heute gilt dem Staat individuelles Verhalten leider nicht mehr als Privatangelegenheit. Je unfähiger die staatliche Politik geworden ist, sich der großen Herausforderungen der Gesellschaft anzunehmen, desto stärker neigt sie dazu, stattdessen schnell mal das Verhalten der Einzelnen zu manipulieren.

4) Nudging entleert das öffentliche Leben

Als Handwerkszeug der Politik führen Verhaltensmanagement-Methoden selten zu positiven Ergebnissen. Jahrzehntelange Erfahrung zeigt, dass die Milliarden, die in Elternkurse, Sexual- und Drogenaufklärung sowie frühzeitiges Eingreifen in Familien investiert wurden, nicht die gewünschten Ergebnisse hervorbringen. Warum nicht? Weil soziale Probleme nur teilweise auf individuelles Verhalten zurückzuführen sind.

Individuelles Verhalten wird durch kulturelle und moralische Normen vermittelt und von sozialen Umständen beeinflusst. Und dennoch liegen Sinn und Zweck des Nudgings gerade darin, den wirkmächtigen kulturellen, moralischen und politischen Fragen aus dem Weg zu gehen. Deshalb kann man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass beispielsweise die Pläne des Behavioural Insight Teams zur Verminderung der Teenagerschwangerschaften nicht aufgehen werden. Wer meint, schwangere Teenager wie Laborratten betrachten zu können, wird unsanft auf dem harten Boden der gesellschaftlichen Realität landen. Man biete Teenagern stattdessen größere Chancen auf ein besseres Leben – man betrachte also alles in einem größeren gesellschaftlichen Rahmen – und dann werden die Schwangerschaftsraten auch sinken.

Die bedauerlichste Folge der Nudge-Industrie ist der lähmende Effekt auf die öffentliche Debatte und die Politik. Zweifelsohne meinen es seine Vertreter nur gut. Doch indem sie die Vorstellungskraft der Menschen manipulieren, verderben sie den Wesenskern des öffentlichen Lebens.

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