01.07.2013

Willkommen im Zeitalter der Kohlenwasserstoffe!

Essay von Rudolf Kipp

Die Welt feiert die Energiequellen Schiefergas und Schieferöl – und Deutschland macht nicht mit. Wir bleiben beim Motto: Warum billig, wenn’s auch teuer geht? Der Stand der Dinge in der Frackingkontroverse.

Die Welt erlebt zurzeit eine Entwicklung auf den Energiemärkten, die nicht weniger als eine Revolution darstellt. Während bis vor kurzem noch die „Gewissheit“ vorherrschte, ein baldiges Ende der weltweiten Öl- und Gasreserven sei in Sicht und das Fördermaximum bereits erreicht oder stehe unmittelbar bevor, hat sich dieses Bild in den letzten Jahren gründlich gewandelt.

Der Grund dafür ist die zunehmende Förderung von Öl und Gas aus sogenannten unkonventionellen Lagerstätten. Durch Fortschritte in der Fördertechnologie ist es in den letzten Jahren gelungen, diese Rohstoffe aus Quellen zu fördern, die bislang als nicht erschließbar galten. Dieser Technologiesprung hat die Reserven an Öl und Gas weltweit sprunghaft ansteigen lassen.

Ressourcen und Reserven

An dieser Stelle verdient der Unterschied zwischen Energieressourcen und Energiereserven eine genauere Betrachtung. Bei den Reserven handelt es sich um die Menge, die sich zu heutigen Preisen und bei heutigem Technologiestand wirtschaftlich fördern lässt. Ressourcen sind Energiequellen, die zwar bekannt sind, deren Nutzung heute jedoch technologisch oder ökonomisch nicht oder noch nicht interessant ist. Aus diesem Umstand ergibt sich der auf den ersten Blick seltsam anmutende Effekt, dass die Energiereserven bei steigenden Rohstoffpreisen zunehmen. Zum einen weil durch höhere Preise auch solche Quellen genutzt werden, deren Erschließung bislang zu teuer war. Und zum anderen, weil durch höhere Preise und die daraus resultierenden höheren Gewinnerwartungen die Entwicklung neuartiger Technologien gefördert wird. Genau der letztgenannte Effekt hat den gewaltigen Technologiesprung bei der Förderung von unkonventionellem Gas in den letzten Jahren ausgelöst.

Interessante Kombination aus Technologien

Die Exploration von unkonventionellen Kohlenwasserstoffen ist technologisch durchaus anspruchsvoll. Es wird dabei ausgenutzt, dass unterirdische Bohrungen mittlerweile in die verschiedensten Richtungen gelenkt werden können. Dadurch können bislang nicht zugängliche Gasfelder auf einmal sehr interessant werden. Vor allem, wenn man die Möglichkeit des horizontalen Bohrens mit einer anderen Technik verbindet, dem Öffnen von Gesteinsporen durch das Einpumpen von Flüssigkeit, auch Hydraulic Fracturing oder Fracking genannt. Durch die Kombination dieser beiden Technologien wurde die Gasförderung in den letzten Jahren revolutioniert und es sieht momentan alles danach aus, als ob die neue Technologie auch der Ölförderung zu einem ähnlichen Boom verhelfen könnte. Neuerdings gibt es sogar Überlegungen, dass man durch Fracking bei der Gewinnung von Uran ebenfalls völlig neue Quellen erschließen könnte.

Fracking wird seit Langem angewendet

Das Fracking selbst ist eine Technik, die im 19. Jahrhundert zum ersten Mal angewendet wurde und seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts auf breiter Basis durchgeführt wird. Seit Beginn der 60er Jahre wird diese Technologie auch in Deutschland zur Stimulierung von Erdgaslagerstätten eingesetzt. Bei den heutzutage üblichen Verfahren wird zunächst eine Bohrung senkrecht in die Tiefe getrieben, bis die Zielgesteinsschicht erreicht ist. Diese befindet sich in der Regel zwischen 1.000 und 4.000 Metern Tiefe. Danach wird die Bohrung umgelenkt und horizontal weitergeführt. Das gesamte Bohrloch wird dabei mit einem Stahlrohr ausgekleidet, welches im gasführenden Gestein mit einer Perforationskanone durchlöchert wird. Beim dann folgenden eigentlichen Fracking-Prozess wird eine Flüssigkeit unter hohem Druck in die Erdgaslagerstätte gepumpt, um künstliche Fließwege für das Gas zu schaffen.

Diese Flüssigkeit besteht zu rund 98 Prozent aus Wasser und Quarzsand. Bis zu 2 Prozent sind chemische Stoffe, die unter anderem für den Korrosionsschutz und zur Reibungsminderung erforderlich sind. Die Gesteinsrisse werden von dem beigegebenen Quarzsand offen gehalten. Sie stellen sicher, dass das Erdgas aus dem festen Gestein entweichen und zum Bohrloch fließen kann. Das Bohrloch selbst wird mit mehreren Schichten einzementierter Stahlrohre abgedichtet. So wird eine undurchdringbare Barriere zwischen dem Bohrloch und wasserführenden Schichten geschaffen. Beim gesamten Prozess dauert die Bohrung einige Wochen, das Fracking selbst benötigt nur wenige Tage. Die eigentliche Gasförderung ist weit weniger arbeitsintensiv, kann aber, abhängig von der Lagerstätte, zwischen 10 und 30 Jahre andauern. [1]

Technologie nicht unumstritten

Wie bei jeder neuen Technologie werden auch beim Fracking die möglichen Umweltauswirkungen von verschiedenen Seiten sehr genau untersucht. Die lautstärksten Bedenkenträger kommen aus der Umweltbewegung. Vor allem die beim Fracking eingesetzten Chemikalien sorgen hier für Verunsicherung.

Um solche Bedenken möglichst erst gar nicht aufkommen zu lassen, wird zurzeit intensiv an alternativen Fracking-Additiven geforscht. Bereits heute kommen dabei Stoffe zum Einsatz, die mancher vielleicht aus der Küche kennt, aber nicht als Schlüsselsubstanz bei der Exploration von Gas- und Ölvorkommen vermuten würde. So ist etwa der beliebteste Gelbildner für Fracking-Flüssigkeiten ein alter Bekannter aus der Nahrungsmittelindustrie, das Guarkernmehl. Es sorgt in der Lebensmittelproduktion dafür, dass Brot länger frisch und Joghurt schön cremig bleibt. Die Guarbohne hat sich damit von einem Nischenprodukt, das wenigen indischen Kleinbauern kaum mehr als ein karges Zubrot lieferte, zu einem echten Wohlstandsbringer entwickelt. Die Nachfrage nach Guarkernmehl durch das Fracking hat für eine Vervierfachung der Weltmarktpreise gesorgt.

Ein relativ neuer Ansatz, beim Fracking möglichst wenig bedenkliche Substanzen einzusetzen, besteht darin, ganz aufs Wasser zu verzichten und stattdessen die Risse im Gestein mit Flüssiggas zu erzeugen. Es ist zu erwarten, dass die fortschreitende Entwicklung auch hier zu immer umweltfreundlichen Verfahren führen wird. Allerdings ist ebenfalls zu erwarten, dass dies die Kritiker am Fracking nicht verstummen lässt und dass diese immer neue Gründe finden werden, die Exploration von unkonventionellem Gas und Öl zu verteufeln. Und sei es nur, weil durch immer neue Funde einem der großen Themen der Ökobewegung, nämlich dem nahenden Ende der fossilen Energieträger und damit dem zwingend notwendigen Umstieg auf alternative Energien, zunehmend die Grundlage entzogen wird.

Es sieht nämlich ganz danach aus, als würde mit dem Fracking-Boom das passieren, wovon einer der Väter des modernen Ökologismus, Paul Ehrlich, einmal gesagt hat, das wäre wie „einem zurückgebliebenen Kind ein Maschinengewehr in die Hand geben“. Gemeint war damit nicht etwa eine neue Superwaffe oder ein bislang unbekannter Killervirus, sondern die reichliche Verfügbarkeit billiger Energie.

Boom erfasste als erstes die USA

Weltweiter Vorreiter bei der Erschließung und Förderung von Gas und Öl aus unkonventionellen Quellen sind die USA. Dort hat der Boom durch das Schiefergas und -öl dazu geführt, dass sich der Gaspreis in den letzten Jahren halbiert hat. Die internationale Energieagentur (IEA) erwartet, dass die USA sich bereits 2020 von einem der größten Importeure für Kohlenwasserstoffe zu einem Netto-Exporteur entwickeln werden. Ein solcher Umbruch hat offenbar gravierende wirtschaftliche, finanzielle und geostrategische Folgen. Zu dem Ergebnis kommt auch eine vor Kurzem in Auftrag gegebene Studie des Bundesnachrichtendienstes (BND). Das Thema wird globalpolitisch als so bedeutend angesehen, dass es in diesem Jahr bei der Münchener Sicherheitskonferenz eigens im Panel „The American Oil & Gas Bonanza – The Changing Geopolitics of Energy“ prominent diskutiert wurde.

Zunächst einmal bedeutete der Status der USA als Selbstversorger, dass deren Interesse an einer stabilen Situation im Nahen Osten bedeutend geringer werde würde. Konnte man bislang zuverlässig damit rechnen, dass etwa jede Drohung, die Straße von Hormuz zu blockieren, mit der Entsendung amerikanischer Flugzeugträger beantwortet werden würde, ist dies für die Zukunft nicht mehr gegeben.

Ebenfalls bedeutsam sind die wirtschaftlichen Folgen. Die stark vom Öl- und Gas-Export abhängigen OPEC-Staaten und auch Russland werden machtpolitisch geschwächt. Von der Situation eher profitieren könnte hingegen Deutschland. Ohne Amerika als Kunde am Weltmarkt ergeben sich für uns völlig neue Rohstoffquellen. Durch ein verstärktes Angebot steigt auch die Versorgungssicherheit. Und man kann mit einigem Recht annehmen, dass das zusätzliche Angebot auch eine preisdämpfende Wirkung haben wird.

Der eigentliche Gewinner des bevorstehenden Booms bei der Förderung unkonventioneller Kohlenwasserstoffe in den USA, sind jedoch unzweifelhaft die USA selbst. Zunächst einmal profitieren die Regionen, in denen der Fracking-Boom neue Arbeitsplätze in der Förderindustrie selbst und in der Zulieferindustrie schafft und zusätzliche Kaufkraft entsteht. Von entscheidendem Vorteil ist die Entwicklung aber auch gerade für solche Industrien, bei denen die eingesetzte Energie einen großen Teil der Kosten ausmacht. Das ist etwa die chemische Industrie oder die Metallgewinnung und -verarbeitung, Industriesektoren also, in denen Deutschland bislang noch eine wichtige Rolle auf dem Weltmarkt einnimmt. Bislang: Denn der zunehmende Unterschied der Energiepreise zwischen Deutschland und den USA wird für die Grundstoffindustrie zu einem immer größeren Problem. Mit den markigen Worten „Deutschland wird abgehängt“ hat vor kurzem der BDI-Präsident Ulrich Grillo die Situation auf den Punkt gebracht, dass die Gaspreise in den USA inzwischen auf ein Drittel des deutschen Niveaus gefallen sind.

Dass die Verfügbarkeit und Bezahlbarkeit von Energie und Energierohstoffen von entscheidender Bedeutung für eine Industriegesellschaft ist, geht so langsam auch dem einen oder anderen Entscheidungsträger auf dieser Seite des Atlantiks auf. Als eines der ersten Länder in Europa hat deshalb Großbritannien im Dezember letzten Jahres die kommerzielle Erschließung seiner reichlich vorhandenen Schiefergasressourcen beschlossen.

Gas für Jahrzehnte in Großbritannien

Erdgas ist seit vielen Jahrzehnten einer der wichtigsten Energieträger auf der britischen Insel. Es wird in den meisten Haushalten zum Kochen und Heizen genutzt und seit dem „Dash for Gas“-Programm der Achtziger und Neunziger Jahre auch zunehmend zur Stromproduktion. Aktuell gewinnt Großbritannien knapp 40 Prozent seiner Primärenergie aus Erdgas. Dieser Anteil könnte in den nächsten Jahren noch weiter steigen, wenn man sich vor Augen führt, welch gigantische Ressourcen die Briten in der Erde vermuten: Nach einer Studie der British Geological Society könnten die Offshore-Gasreserven von Großbritannien größer als 1.000 Billionen Kubikfuß und damit fünfmal größer als die Onshore-Reserven sein. 1.000 Billionen Kubikfuß sind 28,32 Billionen Kubikmeter. Das ist mehr als halb so viel wie der weltweit mit Abstand größte Gasbesitzer Russland als Reserve angibt. Damit spielt England in einer Liga mit dem Iran und Katar. Deutschlands aktueller Bedarf könnte mit dieser Menge für 300 Jahre gedeckt werden. Selbst wenn, wie einige konservative Untersuchungen vermuten, nur 10 bis 20 Prozent davon tatsächlich nutzbar sein sollten, würde dies ausreichen, damit sich Großbritannien für die kommenden Jahrzehnte mit Gas selbst versorgen kann und so die Abhängigkeit von importiertem russischen, norwegischen oder katarischen Öl beenden, mit dem zurzeit etwa 70 Prozent des britischen Gasbedarfs gedeckt werden.

Und das ist nur die Menge an Ressourcen, die Großbritannien vor seiner Küste im Boden vermutet. Auch an Land scheinen sich riesige Vorkommen im Untergrund zu befinden. Cuadrilla, als einzige Explorationsfirma in Großbritannien ausgestattet mit einer Bohrgenehmigung, schätzt die Vorräte bei Blackpool aktuell auf 300 Billionen Kubikfuß. Insgesamt verfügt Großbritannien demnach über bislang bekannte potenzielle Gasvorkommen in der Größenordnung von 1.500 Billionen Kubikfuß, das entspricht 42.500 Milliarden Kubikmetern. Nur Russland mit seinen knapp 50.000 Milliarden Kubikmetern hat größere Reserven.

Wobei noch nicht klar ist, welche Mengen an Gas davon tatsächlich wirtschaftlich gewonnen werden können. Legt man Erfahrungen aus den USA zugrunde, wo je nach Lagerstätte zwischen 10 und 30 Prozent extrahierbar sind, hätte Großbritannien demnach bisher bekannte Erdgasreserven zwischen 4.000 und 13.000 Milliarden Kubikmetern. Legt man allein den untersten Schätzwert zugrunde, würden die Briten damit in die Top Ten der globalen Gasproduzenten aufsteigen.

Reserven wachsen durch technologische Innovationen

Allerdings sind solche Schätzungen immer mit Vorsicht zu genießen. Zum einen ist die Ausbeute von Vorkommen sehr von den individuellen geologischen Gegebenheiten vor Ort abhängig, was die Ausbeute schmälern könnte. Zum anderen bleibt die Technik nicht stehen, wodurch zukünftig die Ausbeuten eher steigen werden. Der Boom bei den unkonventionellen Kohlenwasserstoffen selbst ist schließlich auch erst durch Verbesserungen bei der Fördertechnik ausgelöst worden. Und bei einer so jungen Technik wie der Erdöl- und Erdgasgewinnung durch Fracking sind in den nächsten Jahren weitere Technologiesprünge wahrscheinlich.

Die große Abhängigkeit der Briten von Erdgas als Energierohstoff hat diese in den letzten Jahren dazu veranlasst, ihre Infrastruktur immer weiter auszubauen, um sich auf dem internationalen Markt mit Gas versorgen zu können. Neben Pipelines, die Großbritannien mit Kontinentaleuropa verbinden, gehören dazu auch Häfen zur Anlandung von verflüssigtem Erdgas (Liquified Natural Gas, LNG). So etwa an der Themsemündung 30 Kilometer östlich von London. Der dortige 500 Millionen Euro teure LNG-Hafen hat in der jetzigen Ausbaustufe die Kapazität, jährlich 14 Milliarden Kubikmeter Erdgas anzulanden oder in Zukunft auch zu exportieren.

Deutschland verschläft die Entwicklung

In den letzten Jahren wurden in Europa in fast allen Staaten mit Küstenzugang Anlandeterminals für Flüssiggas gebaut beziehungsweise sind in Planung. Der Energiekonzern Eon verfügte bereits über eine Genehmigung zum Bau eines LNG-Terminals in Wilhelmshaven, zog es dann aber aufgrund fehlender Rahmenbedingungen vor, sich an einem LNG-Terminal in Rotterdam zu beteiligen. Und obwohl der Schiffstransport von LNG laut Aussage der Bundesregierung in den nächsten Jahren deutlich an Bedeutung gewinnen wird, gibt es hierzulande bis auf Weiteres keine Planungen zum Bau eines deutschen Terminals.

Dabei würde, das zeigt das Beispiel aus Großbritannien, ein LNG-Terminal mit ausreichender Kapazität, um 15 Prozent des deutschen Gasbedarfs zu decken, nicht mehr kosten als etwa die Elbphilharmonie. Eine solch ignorante Politik führt in Deutschland zu einer sich weiter vertiefenden Abhängigkeit von den bisherigen Lieferanten, allen voran Russland, und verhindert, dass Deutschland von den durch den Gasboom fallenden Weltmarkpreisen in größerem Maße profitieren kann.

Schiefergaspotentiale in Deutschland

Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe hat in einer 2012 veröffentlichten Studie eine Zwischenbilanz der bislang bekannten unkonventionellen Gasvorkommen in Deutschland geliefert. [2] Die demnach heute bekannte Menge würde, selbst bei der konservativen Annahme, dass nur 10 Prozent davon förderbar sind, unseren gesamten Bedarf für 13 Jahre vollständig decken können. Und diese Zahlen sind als sehr vorläufig anzusehen. Viele Regionen in Deutschland sind schließlich überhaupt noch nicht untersucht.
Auf den ersten Blick scheint eine Reserve für 13 Jahre Vollversorgung nicht allzu viel zu sein. Wenn man sich aber vor Augen hält, dass man damit 20 Prozent des Bedarfs über einen Zeitraum von 65 Jahren decken könnte, erkennt man, dass bereits die bislang gefundenen Vorkommen ausreichen, um für einen langen Zeitraum einen erheblichen preisdrückenden Einfluss auf den Gasmarkt in Deutschland zu nehmen.

Und wie gesagt: Hierbei handelt es sich nur um die bis jetzt bekannten Vorkommen. Das Projekt zur Erforschung der unkonventionellen Lagerstätten der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe läuft noch bis 2015. Mit ziemlicher Sicherheit werden im nächsten BGR-Bericht die Zahlen weiter nach oben korrigiert. Gespannt sein kann man dann auch auf Ergebnisse der Untersuchungen zu unkonventionellen Öllagerstätten in Deutschland.

Die Fracking-Kontroverse in Deutschland

Allerdings ist aus heutiger Sicht sehr zu bezweifeln, dass weitere Entdeckungen von förderbaren Kohlenwasserstoffen in Deutschland in der Politik zu einem Umdenken führen werden. Zu stark haben Politiker und Medien verinnerlicht, dass fossile Brennstoffe per se etwas zu Verteufelndes seien und dass das einzige Heil in den sogenannten erneuerbaren Energien zu suchen sei. An diesem Dogma könnte nur gerüttelt werden, wenn die Entscheidungsträger bei uns im Land die Erkenntnis wiedererlangten, dass bezahlbare und verfügbare Energie kein Luxus ist, sondern die Grundlage jeder modernen Industriegesellschaft.

Aber wichtiger als eine gesicherte Energieversorgung ist in Deutschland ganz offensichtlich das Bedienen von Ängsten gegenüber neuen Technologien. Vorneweg marschiert dabei stets das in Dessau ansässige Umweltbundesamt (UBA). Dieser Behörde ist deutlich anzumerken, dass ihre verbeamteten Angestellten größtenteils noch von den Umweltministern Trittin und Gabriel eingesetzt wurden. Seitdem folgt das Umweltbundesamt dem Credo, dass auch „gefühlte Gefahren“ von der Politik ernst zu nehmen sind. Und damit der Strom an solchen Bedrohungen nicht abreißt, werden wir vom UBA in steter Regelmäßigkeit mit neuen Warnungen versorgt.

So geschehen auch im Herbst letzten Jahres, als die Behörde ihre Einschätzung zur Gasförderung mit Hilfe von Fracking in Deutschland vorstellte. Das Ergebnis dieser Untersuchung war von der in den Startlöchern stehenden Gasförderindustrie in Deutschland mit Spannung erwartet worden. Allerdings waren die dort an die Politik gegebenen Empfehlungen kaum geeignet, in der Explorationsbranche für Begeisterung zu sorgen. Das sehr vorhersehbare Resultat der Behörde: Man kann Risiken nicht grundsätzlich ausschließen, daher sei von einer Nutzung des Frackings in Deutschland bis auf Weiteres abzusehen.

Heftigen Gegenwind bekam das Umweltbundesamt kurz darauf von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover. Diese Behörde kam in der oben erwähnten Studie zu unkonventionellen Gaslagerstätten in Deutschland zu einem völlig anderen Ergebnis:

„Die Risiken von Fracking-Maßnahmen im geologischen Untergrund stellen sich im Vergleich zu möglichen Unfällen bei obertägigen Aktivitäten als gering dar. Durch standortbezogene Voruntersuchungen können Fracking-Maßnahmen so geplant werden, dass ein unkontrolliertes Entweichen der Fracking-Fluide aus dem unterirdischen Riss in angrenzende Formationen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann.“

In einer Gegendarstellung warfen die Geologen vom BGR dem UBA vor, wissenschaftlich ungenau zu arbeiten und Tatsachen zu ignorieren. Es sei im UBA-Gutachten „durchgängig erkennbar, dass es federführend von Hydrogeologen verfasst wurde, deren Expertise im Themenfeld oberflächennaher Grundwasserleiter liegt“. Beim Thema Fracking gehe es aber um viel tiefere Schichten. Das oberflächennahe Grundwasser, das der Trinkwassergewinnung diene, stehe mit den tiefen Geosystemen, in denen das Gas lagert, „meistens nicht in Verbindung“.

Die unterstellte Gefährdung des Grundwassers sei demnach weitaus weniger relevant als im Gutachten unterstellt. Außerdem kritisieren die Geowissenschaftler, die UBA-Gutachter machten unzutreffende Aussagen zum Gefährdungspotenzial der Chemikalien, die beim Fracking zum Einsatz kommen. Insgesamt würde der Eindruck erweckt, dass generell erhebliche Wissensdefizite über den geologischen Untergrund bestünden.

Schieferöl statt Peak-Oil

Während in Deutschland die Umweltexperten streiten, steht die nächste globale Energierevolution bereits vor der Tür: Unkonventionelles Öl. Mit der Technik der horizontalen Bohrungen und dem Fracking lassen sich nicht nur bislang unzugängliche Gasquellen erschließen. Mit der gleichen Technik rückt jetzt auch Öl in Reichweite, an dessen Förderung noch vor 10 Jahren niemand auch nur im Traum gedacht hätte.

Vorreiter bei dieser Entwicklung ist auch hier wieder Amerika. Allein die im Bundesstaat North Dakota gelegene Bakken Formation kann nach den Angaben einer Studie von Leonardo Maugeri („Oil: The Next Revolution“) vom Belfer Center for Science and International Affairs der Harvard Universität bis zu 500 Milliarden Barrel an zusätzlichen Rohölressourcen enthalten – die Reserven in Saudi Arabien werden aktuell auf 260 Milliarden Barrel geschätzt –, von denen wahrscheinlich bereits heute 10 Prozent wirtschaftlich förderbar sind. Und Bakken ist nur eines von zwanzig großen Schieferölfeldern allein in den USA. Für den Rest der Welt existieren noch keine gesicherten Abschätzungen.

Allerdings mehren sich in letzter Zeit die Meldungen von Funden an unkonventionellem Öl auch aus anderen Teilen der Welt. So sollen sich nach Angaben des World Petroleum Council unter dem Wüstensand in Israel ebenfalls riesige Vorräte an Schieferöl befinden, die nur auf ihre Förderung warten. Die Menge wird zurzeit auf etwa 250 Milliarden Barrel geschätzt.

Ähnlich große Mengen hat man kürzlich auch im australischen Outback bei Coober Pedy entdeckt. Wo einst zahlreiche Abenteurer und Glücksritter den Boden auf der Suche nach dem Halbedelstein Opal durchlöchert haben, befinden sich in einer Tiefe von 1.000 bis 2.000 Metern Schieferölvorkommen, die auf 3,5 bis 230 Milliarden Barrel geschätzt werden. Mit diesem Fund könnte Australien ähnlich wie die USA in den nächsten Jahren vom Ölimporteur zu einem Netto-Exporteur werden. Man gewinnt im Moment den Eindruck, dass Geologen überall, wo sie etwas genauer den Boden untersuchen, auf große Mengen Öl stoßen. Ein Ende der Entwicklung ist nicht abzusehen.

Zeitalter der Kohlenwasserstoffe

In den letzten Jahrzehnten war in der Diskussion um fossile Energieträger häufig davon die Rede, dass die Kohlenwasserstoffe, also Öl und Gas, in naher Zukunft zur Neige gehen würden. Der Moment, ab dem die globale Förderung abnehmen würde und damit die Öl- und Gaspreise ins Unermessliche steigen würden, schien unmittelbar bevorzustehen. Peak Oil muss nach den neuen Funden jetzt auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Das Zeitalter der Kohlenwasserstoffe als Energieträger geht keinesfalls zu Ende. Es hat gerade erst begonnen! Auch Deutschland hätte die Chance, am globalen Öl- und Gas-Bonanza teilzuhaben. Hoffentlich vergibt es sie nicht.

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