04.03.2016

Wieso der Rhein keine Dreckbrühe mehr ist

Analyse von Christoph Eichler

Eine saubere Natur und Wirtschaftswachstum seien nicht vereinbar, glauben immer mehr Menschen. Dabei führt gerade technologischer Fortschritt zu neuen Möglichkeiten des Umweltschutzes. Dies gilt insbesondere im Bereich des Gewässerschutzes.

Kennen Sie den (noch)? „Hände hoch und Geld her! – Was wollen Sie, das ist doch nur eine Wasserpistole. – Das Wasser ist aus dem Rhein. – Hier, nehmen Sie alles, was Sie wollen.“ Vor gut einem Vierteljahrhundert war das witzig, heute holen sich nicht wenige Menschen in Sichtweite des Stammwerks der BASF unweit Mannheims unbesorgt eine Abkühlung im Rhein. Der war mal ziemlich dreckig, aber heute ist er in ausgezeichnetem Zustand.

Schon zwischen 1972 und 1992 kam es zu deutlichen Verbesserungen. War 1972 der Abschnitt zwischen Mannheim und Mainz noch in der schlechtesten Güteklasse (IV), also nahezu ohne Lebewesen, befand sich der rheinland-pfälzische Teil des Rheins 1992 in der Güteklasse II. Und das ist schon ziemlich das Beste, was man erwarten kann, denn auch im Urzustand, also ohne jeglichen Eingriff des Menschen, wird die Güteklasse I in der Regel bei großen Flüssen nicht erreicht. 1 Neben der eben angesprochenen Güteklasse, die die biologische Gewässerqualität angibt, gibt es noch eine Strukturgüteklasse, die Auskunft über die Naturnähe des Gewässers gibt. Die Skala reicht von 1 (unverändert also natürlich) bis hin zu 7 (vollständig verändert und verbaut). Auf den ersten Blick ergibt sich ein Interessenkonflikt zwischen dem Naturschutz, der saubere und unverbaute Gewässer haben will, und dem technischen Fortschritt, der die Natur verdrängt und einzwängt und darüber hinaus noch immer neue chemische Verbindungen entwickelt, die irgendwann ins Wasser gelangen. Der Mensch will jedoch meistens beides, eine heile Umwelt und die Errungenschaften des Fortschritts. Wie das Beispiel des Rheins zeigt, ist beides zugleich möglich. Er ist trotz weiteren Fortschritts sauberer geworden. Oder womöglich nicht trotz, sondern gerade deswegen?

Hier lohnt ein Blick zurück in die Vergangenheit. Schon mit dem Übergang zur Landwirtschaft begann der Mensch, seine Umwelt stark zu verändern. Die klimatischen Bedingungen erforderten mancherorts Bewässerungsmaßnahmen. So begann der Eingriff in die Hydrosphäre. Das Verhältnis zum Wasser war seit jeher ambivalent. Einerseits ist es als Lebensmittel und zur Herstellung von Lebensmitteln unverzichtbar, man braucht es zum Reinigen und zum Transport, andererseits stellen Überschwemmungen Gefahren dar, im Wasser können sich Krankheitserreger vermehren und manchmal sind Gewässer einfach im Weg. Mit wenig Technologie blieb den Menschen oft nur, sich mit den Gegebenheiten zu arrangieren.

„Der Mensch will beides, eine heile Umwelt und die Errungenschaften des Fortschritts“

Was den Nil betrifft, so hatte das Hochwasser dort sogar etwas Gutes, es versorgte den Ackerboden mit Nährstoffen und eine Zeit lang konnten die Bauern anderweitig beschäftigt werden (was der Pharao, man denke etwa an Pyramiden, auch für sich zu nutzen wusste). Auch waren Wasserstraßen in der früheren Zeit Wege, auf denen sehr große Lasten transportiert werden konnten, was mit Karren oder Tragtieren nicht möglich war. Wobei hier nicht nur die Flüsse, sondern auch eigens dafür gebaute Kanäle genutzt wurden. Am Neckar ließ bereits Kaiser Valentinian I. (321–375) zur Sicherung seines Lagers eine Flussverlegung durchführen. 2

Wasserbau im Zeitalter der Industrialisierung

In der jüngeren Vergangenheit ist der Wasserbau hierzulande vor allem mit dem Namen Johann Gottfried Tullas, dem „Bändiger des wilden Rheins“ verbunden. Sein Ziel war es, die Hochwasser am Oberrhein zu minimieren. Dazu wurde der kurvenreiche Lauf des Rheins begradigt, die kürzere Strecke führte zu einer höheren Geschwindigkeit, dies wiederum zu einer höheren Tiefenerosion und somit zu einer Absenkung des Wasserspiegels. Leider wurde das Problem des Hochwassers nicht gelöst, sondern nur verschoben, nämlich in Richtung Niederrhein. Darum widersprach Preußen auch 1826 zunächst den weiteren Rektifizierungsmaßnahmen, also Begradigungen, am Rhein. Mit einem niedrigeren Wasserspiegel des Flusses geht auch ein niedriger Grundwasserspiegel einher, das erfordert mehr Aufwand beim Brunnenbau. Nichtsdestoweniger sind die Vorteile der Maßnahme nicht von der Hand zu weisen. Durch die Maßnahmen von Tulla und später Max Honsell erhielt der Rhein einen relativ festgelegten Lauf, so dass er angrenzenden Flächen mit Feldern und Orten nicht in die Quere kommt, die Wege für Schiffe wurden kürzer und hindernisärmer und schließlich führte die Verringerung der Überschwemmungsfläche zu neuem Ackerland und zu einer Reduzierung der Mückenpopulation und somit der Gefahr durch Malaria, 3 einer Krankheit, die unter dem Namen „Sumpffieber“ bis in die 1950er hinein in Deutschland vorkam. 4

„Naturschutzfragen waren damals kein Thema“

In Folge der Rheinbegradigung konnte auch die Industrie dort gedeihen, vor allem die chemische. Neben ihrer Funktion als Wasserstraße, Energiequelle für Mühlen und Wasserreservoir für die Landwirtschaft dienten Flüsse auch als Abwasserkanäle. Abwässer aus Haushalten und der Industrie wurden ungeklärt in die Flüsse geleitet. Hinzu kam der Oberflächenabfluss, der unter anderem auch Dünger und Pflanzenschutzmittel aus der Landwirtschaft enthielt. Doch die Belastung der Flüsse durch Abwässer wurde bald zu einem Problem und auch als solches erkannt. So sprach bereits 1904 der SPD-Abgeordnete und spätere Ausrufer der ersten deutschen Republik, Philipp Scheidemann im Reichstag aus: Die Wupper ist unterhalb Solingens tatsächlich so „schwarz, daß, wenn Sie einen Nationalliberalen darin untertauchen, Sie ihn als Zentrumsmann wieder herausziehen können“. 5 Bereits 1899 war man an der Emscher im Ruhrgebiet zum Handeln gezwungen und gründete die Emschergenossenschaft, die die Bürger vor dem kontaminierten Hochwasser des Flusses schützen sollte. 6 Der Zeit entsprechend bedeutete das zunächst eine Regulierung des Emscherlaufes, erst 1928 wurde eine Kläranlage gebaut. So wurde aus dem Fluss Emscher eine Betonrinne, die das Abwasser der Umgebung aufnahm – zu dieser Zeit war das ein echter Fortschritt. Denn Naturschutzfragen waren damals kein Thema. Die Menschen hatten näherliegende Probleme zu lösen.

Umweltschutzbewegung

Dr. Karlheinz Trobisch von den Farbwerken Hoechst brachte es 1970 im Spiegel mit Blick auf den Rhein und dessen Wasserqualität auf den Punkt: „Baden, Angeln und Romantik -- alles Quatsch!“ Das zu opfern, sei nun mal der „Preis für den Fortschritt“. Professor Joachim Borneff vom Hygiene-Institut der Universität Mainz und Professor Heinrich Sontheimer, Wasser-Chemiker aus Karlsruhe, argumentieren im selben Artikel eher pessimistisch: „Wir müssen Kläranlagen bauen noch und noch.“ „Nur dann könnten wir den derzeitigen Zustand vielleicht gerade erhalten.“ 7 Dieser Pessimismus, der Wachstum als Problem und den deutschen Wald bis zum Jahr 2000 in eine Wüste verwandelt sah, bot keinen Platz für die Vorstellung eines Miteinanders von Natur und Fortschritt.

Auch wenn man sich keine Hoffnungen machte und sich damit abfand, gewissermaßen zum Fortschritt verurteilt zu sein, war man auch aus ganz pragmatischen Gründen zum Umweltschutz gezwungen. Trotz Regulierung und Ausbau waren ja die Fließgewässer keineswegs von der sonstigen Umwelt isoliert, sie standen mit dem Grundwasser in Kontakt. Selbiges war entsprechend kontaminiert, was die Versorgung der Bevölkerung mit dem wichtigsten Lebensmittel gefährdete. Zwar ließ sich die Qualität des Wassers durch Filteranlagen verbessern, doch die bedeuteten einen hohen Aufwand und daher hohe Kosten. Als Reaktion der Politik kam Mitte der 1970er ein Abwasserabgabengesetz, dass allerdings nach Meinung der Kritiker dank der Mitsprache der Chemielobby viel zu lasch gewesen sei, um einen sinnvollen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten. 8 Doch was würde das beste und strengste Gesetz nützen, wenn der Oberlauf des Gewässers gar nicht davon erfasst würde? Ein gutes Beispiel hierfür ist die Elbe, die, bevor sie in der BRD ankam, erst die ČSR und die DDR durchfloss. 1920 war die Elbfischerei noch ein einträgliches Gewerbe, 120.000 Tonnen Fische wurden pro Jahr gefangen. Anfang der 1980er waren es nur noch 200 Tonnen, die meisten davon unverkäuflich. Ebenso war die Belastung mit Schwermetallen wie Cadmium und Quecksilber auf besorgniserregendem Niveau, vieles, wenn auch bei weitem nicht alles, kam aus dem Ostblock. 9

Schon 1980 dämmerte es dem Spiegel, dass die Marktwirtschaft in Sachen Umweltschutz dem real existierendem Sozialismus überlegen sein könnte: „Doch anders als in der Bundesrepublik, wo die kapitalistische Industrie auf Druck der Gesetzgeber seit 1971 rund 20 Milliarden für eine saubere Heimat investiert hat, kümmern sich die Staatsbetriebe der DDR bislang kaum um eine gesündere sozialistische Welt“. 10 Dabei lag es keineswegs an den Gesetzen und Verordnungen in der DDR, denn diese waren zum Teil sogar strenger als im Westen (der Nitratgrenzwert für Trinkwasser lag in der BRD damals bei 90 mg/l, in der DDR bei 40), sondern schlicht am mangelnden Geld und fehlender Technologie, bedingt durch mangelnde Wirtschaftskraft. „Die Technologien, die dazu notwendig sind, gibt es nur im teuren Westen“, resümierte denn auch der Spiegel. Nur zur Erinnerung: Zu dieser Zeit gründeten sich die Grünen, denen Technologie damals noch als Wurzel allen Übels galt, und die Umweltschutzvereine wie Greenpeace und der WWF zeichneten das Bild einer nahenden ökologischen Apokalypse.

Die Sanierung der Umwelt ist, wie man sich vorstellen kann, keine Aufgabe, die sich innerhalb weniger Jahre erledigen lässt. So wurden die Flüsse dank neuer Kläranlagen und gesetzlicher Auflagen im Lauf der Zeit und ohne dass dies den meisten Menschen bewusst wurde, sauberer. Mit dem Großbrand einer Chemielagerhalle der Firma Sandoz (heute Novartis) bei Basel Ende 1986, der zu einem großen Fischsterben führte, war die Aufmerksamkeit des Publikums wieder eindeutig auf die Umweltprobleme des Rheins gerichtet. Dabei konnten sich die Bemühungen im Vorfeld noch durchaus sehen lassen: In den zwanzig vorausgegangenen Jahren wurde bei einer 150-prozentigen Steigerung der Produktion der Schadstoffausstoß um 60 Prozent gesenkt, die Belastung im Rhein sank um ca. achtzig Prozent. Schon 1983 konnten einige Fische wie Truschen, Äschen und Zander wieder in den Rhein zurückkehren. 11 So belastend die Chemikalien, die dabei in den Rhein gelangten, kurzfristig auch gewesen sein mögen, so wenig wirkten sie sich letztlich auf die Erholung des Flusses aus, so dass 1988 der damalige Umweltbundesminister Töpfer ein Bad im Rhein wagte, wenn auch durch Neopren geschützt. 12 Brauchte der Minister für seinen Stunt noch eine Ausnahmegenehmigung, durfte man nur drei Jahre später von Amts wegen wieder in Rhein und Elbe baden 13 (nach der Wende wurden ohnehin viele Industrieanlagen am Oberlauf der Elbe stillgelegt).

 „Die großen Fischerträge zu Beginn des letzten Jahrhunderts lagen auch daran, dass die Flüsse durch menschliche Abwässer sehr gut mit Nährstoffen versorgt waren“

Dank weiterem Fortschritt, nicht nur in der Industrie, sondern auch in der Landwirtschaft, wo Dünger und Pflanzenschutzmittel immer effizienter eingesetzt werden, wird der Schadstoffeintrag in die Flüsse weiter sinken. Schon 1988 wurden erhebliche Einsparungen bei Pflanzenschutzmitteln möglich: Von den klassischen Pflanzenschutzmitteln mussten drei bis fünf Kilogramm pro Hektar auf den Acker gebracht werden, heute erzielt man mit 25 bis 100 Gramm eine bessere Wirkung. 14 Bei Schwermetallen, halogenierten Kohlenwasserstoffen etc. ist das mit Sicherheit zu begrüßen, bei Nährstoffen wie Nitrat sollte man allerdings nicht zu rigoros sein. Wie schon oben angesprochen, kommt die höchste Gewässergüteklasse I natürlich praktisch nicht vor, und das ist auch gut so, denn das Leben ist auf die Nährstoffe angewiesen. Die großen Fischerträge zu Beginn des letzten Jahrhunderts lagen auch daran, dass die Flüsse durch menschliche Abwässer sehr gut mit Nährstoffen versorgt waren.

Ein übertriebener Gewässerschutz ist zwar schön für Hochglanzbroschüren, nützt aber weder der Natur noch dem Naturfreund, der vergeblich nach Mauerseglern Ausschau hält, weil der Vogel an den nährstoffarmen Gewässern keine Nahrung mehr findet. Wenn das mangelnde Nährstoffangebot schließlich auch die Fischerei gefährdet, zeigt sich die finanzielle Problematik des kostspieligen übertriebenen Gewässerschutzes in ihrer Gänze. Wie zum Beispiel im Brienzersee in der Schweiz, wo das Wasser zu wenig Nährstoffe für den Wasserfloh enthält, was wiederum zum Futtermangel für die wichtigsten Speisefische des Sees, Brienzlig und Felchen führt, welche nun für einen wirtschaftlichen Fang zu klein sind. 15 16 17

Revitalisierung

Doch ein Fließgewässer mit einer vernünftigen Gewässergüte ist noch nicht natürlich. Während dieses Ziel – vor allem, weil der Aufwand vertretbar ist – allgemein konsensfähig ist, so wird es bei der Frage nach der Struktur eines Fließgewässers komplizierter. Noch in den 1980ern galt es allgemein als erforderlich, die Natur und damit auch die Fließgewässer zu regulieren, wobei auch vor harten Verbaumaßnahmen wie dem Einsatz von Bedeckung und der Verlegung unter die Erde nicht zurückgeschreckt wurde. Solche Maßnahmen sind gerade in dicht besiedelten Gebieten sicherlich erforderlich, wenn es eben beim besten Willen keinen Platz gibt. Auch wenn heute die Entwicklung in Richtung Naturnähe erfolgt, ist hier auch auf das menschliche Interesse an der Regulierung zu achten. Die großen Flüsse werden als Wasserstraßen gebraucht und haben an ihren Ufern große Städte und landwirtschaftliche Flächen. Ein Gewässer, das hier seinen eigenen Weg gehen darf, ist alles andere als wünschenswert. So ist bei den Flüssen im Gegensatz zu den kleineren Fließgewässern nur wenig Renaturierung möglich. Der Begriff Renaturierung verbietet sich ohnehin, da eine Rückführung eines egal wie großen Gewässers meistens weder möglich noch wünschenswert ist (Nationalparks und ähnliches einmal ausgenommen). Der vor allem in der Schweiz gebrauchte Begriff „Revitalisierung“ ist hier passender.

Auch die umfangreichste Regulierung kann Hochwasser nicht gänzlich verhindern. Wie oben beschrieben, verschiebt sie es eher stromabwärts. Ob man will oder nicht, wird man auf etwas Land verzichten müssen. Solche Überflutungsflächen können die Massen eines Hochwassers aufnehmen, ohne dabei jemandem zu schaden. Die überschwemmten Flächen werden durch den mitgeführten Schlamm gedüngt (wenn der Schlamm noch zu belastet sein sollte, so reicht es immer noch für die Forstwirtschaft). Ganz konkret ergeben sich hier allerdings auch Konflikte mit den Eigentümern der Flächen. das gilt nicht nur für Flußauen, sondern auch für kleinere Fließgewässer, denen mehr Bewegungsfreiheit zugestanden werden soll und die sich dabei ihren Lauf auf einem Acker suchen. Gerade der Anwohner wegen sind umfassende Maßnahmen somit nur außerhalb von Besiedelungen möglich, aber auch dort ist auf die Interessen der Landwirtschaft Rücksicht zu nehmen. Ist ausreichend Platz vorhanden – wie in einem Naturschutzgebiet –, ist die Revitalisierung recht einfach durch passiven Rückbau möglich, also durch die Entfernung der Regulierungsmaßnahmen. Das Fließgewässer sucht sich seinen eigenen Weg und wird von selbst „natürlicher“.

„Auch die umfangreichste Regulierung kann Hochwasser nicht gänzlich verhindern“

Oft ist dies wegen der angesprochenen Konflikte nicht möglich. Dann bietet sich der kontrollierte, der aktive Rückbau an. Dazu werden „harte“ Verbauungen durch „sanftere“ ersetzt, zum Beispiel eine Asphaltmatte durch Betonbohlen. Gerade bei geringem Platzbedarf ist die Seitenerosion zu verhindern. Harte Verbauungen – sie sind bei besonders gefährdeten Stellen erforderlich – werden so locker wie möglich eingesetzt, so dass sie Platz für Kleintiere bieten. Wenn möglich, sollte Vegetation wie Erlen oder Weiden den Uferschutz herstellen. Auch wenn umweltschonende Maßnahmen angestrebt werden, sollte hier die Sicherheit des Menschen und seines Eigentums Priorität haben, auch wenn es dann weniger „natürlich“ aussieht.

Doch welchen Zweck erfüllen solche Maßnahmen? Sieht am Ende alles nur ästhetischer aus (was ja auch schon ein Wert wäre)? Ist das Fließgewässer nach dem Rückbau wieder in Kontakt mit dem Grundwasser, trägt das zur Entsiegelung bei, das heißt zu mehr Fläche, auf der Wasser versickern kann. Eine intakte Ufervegetation mindert die Erosion von angrenzenden Flächen und verhindert den übermäßigen Eintrag von Dünger und Pflanzenschutzmittelrückständen. Werden Fließgewässer nicht mehr als Abwasserkanäle genutzt, mischt man also nicht mehr Abwässer mit relativ sauberem Wasser, so sinkt die benötigte Klärwerkskapazität, was zu Einsparungen führt. Wachsen wegen der lebensfreundlichen Bedingungen wieder Wasserpflanzen, leisten diese einen Beitrag zur Verbesserung der Wasserqualität. So verwertet die Gewöhnliche Teichbinse (Schoenoplectus lacustris) Phenole, baut Detergenzien ab und akkumuliert Schwermetalle. 18 Im Uferbereich können Vertiefungen ausgebaggert werden, die als Überflutungsflächen Hochwasser aufnehmen können, die Flüsse werden dadurch entlastet. Kurzum: Es gibt gute Gründe für und gegen eine „Revitalisierung“ von Gewässern, die je nach Einzelfall sorgfältig geprüft werden müssen – keinesfalls sollte man aber so tun, als wären „natürliche“ Flussläufe per se immer die richtige Lösung.

Fazit

Im Bereich der Fließgewässer hat sich, zumindest in den westlichen Industrieländern vieles zum Besseren gewendet. Nur durch technologischen Fortschritt und auch damit erwirtschaftetes Kapital war es möglich, die unterschiedlichen Funktionen der Fließgewässer zu nutzen und trotzdem den, nicht zuletzt auch für den Menschen, wichtigen Naturschutz nicht zu kurz kommen zu lassen.

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