01.03.2010

Menschenschutz geht vor Umweltschutz

Essay von William Alexander

Die Klimawandel-Lobby setzt Afrika unter Druck, erneuerbare Energien einzusetzen. Dabei geraten humanitäre Belange leicht aus dem Blickfeld. Über fehlgeleitetes Gutmenschentum.

Novo: Professor Alexander, Sie sagten einmal, dass die Versuche, Afrika zu unsozialem Umweltschutz zu drängen, als Einflussnahme einer weißen Minderheit betrachtet werden könnten. Die schwarze Bevölkerung habe das auszubaden. Sehen Sie das immer noch so?

William Alexander: In der Tat. Der Druck der Umweltlobby nimmt zu – in einer Zeit wachsender politischer und wirtschaftlicher Instabilität, beschleunigt durch Arbeitslosigkeit und Armut. Die Schere zwischen Arm und Reich geht auseinander. Das Problem ist, dass die Sorge um die Umwelt wichtiger genommen wird als das menschliche Wohlergehen. Es ist in Ordnung für die Europäer, wenn sie sich Sorgen um Afrikas Löwen und Elefanten machen. Aber die Menschen hier müssen überleben. Hieraus ergibt sich eine ganz neue Konfliktlinie. Die Reichen beschäftigen sich mit Umweltthemen. Es gibt aber auch lebenswichtige humanitäre Belange.

Welche Erfahrungen haben Sie gesammelt?

1993 gab es im Township Alexandra in Johannesburg eine Überschwemmung. Damals war ich Experte der Vereinten Nationen für Naturkatastrophen. Nachdem ich die Situation vor Ort analysiert hatte, kam ich zu dem Schluss, dass das Unglück nicht auf die Zunahme von Überschwemmungen und Dürren zurückzuführen war. Vielmehr waren die Bewohner des Townships zu weit in das Flussbett, das natürliche Überschwemmungsgebiet, vorgerückt. Als ich nach Alexandra kam, sah ich Gesetzlosigkeit, Dreck und Chaos. Zwei Mütter kamen auf mich zu und sagten: „Bitte helfen Sie uns!“ In meinem Bericht schrieb ich, dass diese Menschen in Verhältnissen lebten, in denen niemand leben sollte. Die Lösung kann also nicht nur darin liegen, Naturkatastrophen oder den Klimawandel zu bewältigen. Wir müssen auch dafür sorgen, dass die Menschen Arbeit haben und nicht in überschwemmungsgefährdeten Flussbetten leben müssen.

Das war 1993. Wie ist die Situation heute?

Anfang März 2009 hatten wir wieder Überschwemmungen in einem unserer Townships. Menschen sind ertrunken. Erzbischof Tutu sagte sofort, dass der Klimawandel der Grund dafür sei. Jedes ungewöhnliche Ereignis wird heute auf den Klimawandel zurückgeführt. Aber wenn man nach Beweisen fragt, dann heißt es lediglich, es gebe einen überwältigenden Konsens. Das ist besorgniserregend. Ich habe mein ganzes Leben im Bereich Wasserbau und Flutkatastrophen gearbeitet und habe die Eigenheiten von Flüssen studiert. Wir haben hier in Südafrika detaillierte Aufzeichnungen darüber – manche sind über 100 Jahre alt. Bis heute habe ich keine Beweise gefunden, dass Dürren und Überschwemmungen in Südafrika auf einen globalen Klimawandel zurückzuführen sind. Was wir jedoch herausgefunden haben, ist, dass wir es ziemlich bald mit einer Wasserknappheit zu tun haben werden. Es handelt sich um den sogenannten „Joseph-Effekt“ – einer regenreichen Periode folgt eine Dürrezeit. Wir sind gerade dabei, in eine dieser Dürreperioden einzutreten. Zusätzlich zur aktuellen Wirtschaftskrise in Südafrika, wo wir eine hohe Arbeitslosigkeit haben, kann dies zu großen Problemen führen. Aber die Anhänger des Klimawandels meinen, dass es diesen „Joseph-Effekt“ nicht gibt. Es stört mich nicht, dass sie anderer Meinung sind. Aber ich mache mir vor allem Sorgen, was aus der verarmten Landbevölkerung werden soll.

Was wäre die Lösung?

Arbeit ist die einzige Lösung. Die Menschen müssen Geld verdienen – und zwar nicht in Form von Spenden, sondern durch richtige Arbeit. So wie damals während der globalen Dürre in den 30er-Jahren. Die Regierungen von Südafrika und der Vereinigten Staaten initiierten groß angelegte Strukturprogramme. Straßen und Dämme wurden gebaut, es gab viel zu tun. Zwar fordern das auch heute einige Experten. Aber im Grunde ist es ist schon zu spät dafür. Solche Maßnahmen müssen lange im Voraus geplant werden. Nur um einen einzigen Damm bauen zu können, braucht es eine sehr lange Vorlaufzeit.

Die internationale Gemeinschaft stellt viel Geld für die Bekämpfung des Klimawandels zur Verfügung. Sie investiert vor allem auch im Bereich erneuerbarer Energien. Maßnahmen gegen den Klimawandel belegen einen großen Teil der Entwicklungshilfebudgets. Ist es nicht besser, jetzt zu handeln, wie es Umweltgruppen fordern?

Hinter dieser Forderung steht das Vorsorgeprinzip, das uns sehr viel Geld kostet. Aber was ist, wenn die gängige Theorie des menschengemachten Klimawandels kollabiert? Heute stehen ganz konkret Menschenleben, Arbeitsplätze und Einkommen auf dem Spiel. Es wäre in Ordnung, wenn Entwicklungshilfeorganisationen mit Vorsorge den Ausbau der Infrastruktur meinten – neue Dämme, Straßen, Kraftwerke – und damit Arbeit und Wohlstand schaffen würden. Das wäre wundervoll.

Aus Sicht von Entwicklungshelfern gibt es keine Trennung zwischen humanitärer Entwicklung und Umweltschutz. Nachhaltige Entwicklungsprojekte förderten das Leben der Menschen und seien gut für die Umwelt. Stimmt das nicht?

Eine europäische Regierung spendete unlängst eine enorme Geldsumme für Sonnenkollektoren in einem Township in Kapstadt. Aber eine solche Technologie muss mit entsprechendem Wissen gepflegt werden, sonst hält sie nicht lange. Es ist auch keine Lösung, Menschen im Township zu ermöglichen, ihre Mobiltelefone aufzuladen. Sie brauchen Strom, um zu kochen und Haushalte führen zu können. In Europa wird viel über erneuerbare Energien geredet. Aber sie sind nicht kosteneffizient. Das Problem mit vielen Entwicklungshilfeorganisationen ist, dass sie vorrangig Geschäftsinteressen in den erneuerbaren Energien sehen. Die Frauen, die in Alexandra zu mir sagten: „Bitte helfen Sie mir!“, wollten jedoch keine Sonnenkollektoren. Sie wollten nicht länger in menschenunwürdigen Verhältnissen leben, ohne Wasser und umgeben von Armut und Kriminalität.

Entwicklungs- und Schwellenländer, darunter Indien und China, machten auf der Klimakonferenz in Bali 2007 wo über einen Nachfolger des Kioto-Protokolls verhandelt wurde, ihren Standpunkt klar. Die Bereitstellung von Geld und der Transfer neuer Technologien waren essenzielle Forderungen der G7-Staaten gegenüber Europa.

Das stimmt, Geld wurde zum zentralen Streitpunkt auf Bali. Prinzipiell sollten die wohlhabenden Nationen bereit sein, den Entwicklungsländern Geld und neue Technologien zur Verfügung zu stellen, damit diese Länder Maßnahmen zur Bewältigung des Klimawandels einleiten können. Man darf aber nicht vergessen, dass die meisten Menschen in diesem Teil der Welt einen viel höheren Anteil ihres Einkommens für Nahrung, Wasser und Elektrizität ausgeben. Steigende Preise können hier Menschenleben fordern. Deswegen wurde in Bali dem Grundsatz „Wer verschmutzt, zahlt“ zugestimmt. Angesichts der momentanen Wirtschaftskrise ist es jedoch fraglich, ob die wohlhabenden Nationen ihre Versprechen einhalten werden.

Ist die Reduzierung von CO2-Emissionen sinnvoll für Entwicklungsländer?

Auf Bali hat Europa zugesagt, bis 2020 seine CO2-Emissionen um 20 Prozent zu reduzieren. Das erscheint mir unrealistisch, doch manche Stimmen fordern noch mehr. Dabei weiß jeder Dummkopf, dass das nicht gehen kann. Was soll mit der Industrie geschehen? Hier in Südafrika hingegen hatten wir letztes Jahr enorme Elektrizitätsprobleme mit ständigen Stromausfällen. Jetzt haben wir eine Kommission, die eine Stromersparnis von zehn Prozent erreichen will. Doch dafür müsste man den Strom abschalten, wie sonst soll das funktionieren? Was ist mit Südafrikas Minen? Energiesparen im Industriesektor bedeutet für Entwicklungsländer geringere Produktivität, weniger Jobs, ein niedrigeres Bruttosozialprodukt und folglich weniger Entwicklung und Fortschritt. Auch der internationale Handel wird erschwert. So hat England die Einfuhr von Blumen aus Kenia und Tansania gestoppt, um CO2-Emissionen zu begrenzen. Dieser Trend kann nur zum Nachteil der Entwicklungsländer sein.

Sie haben Ihre Zweifel und Sorgen mit weiteren Kritikern des IPCC in einem Brief an den Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban Ki Moon darlegt.(1) Konnten Sie etwas bewirken, und gibt es ein starkes Netzwerk von Kritikern der gegenwärtigen Klimapolitik?

Es gibt einen Ingenieur hier, einen Wissenschaftler dort, Individuen in verschiedenen Bereichen. Aber es gibt keine kohärente Gruppe. Ich arbeite im Bereich Wasserbau, jemand anderer kümmert sich um Stromerzeugung. Es gibt keinen mit den IPCC-Anhängern vergleichbaren Gruppenzusammenhalt, und das ist ein Problem. Aber es gibt Initiativen, das zu ändern. Gerade erst war ich in New York auf einer Konferenz mit 700 Teilnehmern, die sich alle gegen die Klimawandel-Alarmisten positionieren. Aber die Vertreter des IPCC haben eine Mauer um sich herum aufgebaut. Und diese Mauer zu durchbrechen ist ungemein schwer. Ich war beispielsweise 2007 von einer Gruppe von Klimawandel-Kritikern eingeladen worden, mit ihnen zur Konferenz nach Bali zu reisen. Die Konferenz sollte eigentlich halböffentlich sein. Tatsächlich war es eine geschlossene Veranstaltung. Als unsere Gruppe in einem Hotel eine Gegendiskussion veranstalten wollte, waren wir alles andere als willkommen. Dieser Vorfall zeigte mir, dass es keine Debatte zwischen Klimawandel-Anhängern und -Kritikern gibt.

Warum sprechen Sie im Zusammenhang mit dem Klimawandel von Alarmisten?

Wenn ich guter Dinge bin, dann spreche ich von Klimawandel-Wissenschaftlern; manchmal aber auch von Klimawandel-Alarmisten. Dominiert wird das IPCC von Klimatologen und Umweltschützern. Andere Forscher und Vertreter der angewandten Wissenschaften waren anfangs auch kaum interessiert, daran mitzuwirken. Vor ein paar Jahren nahm ich an einer Konferenz in Japan teil. Ich war als Wasserexperte der Vereinten Nationen eingeladen und fragte die anderen Teilnehmer, was sie vom Klimawandel hielten. Alle sagten, dass es sich um eine nicht nachgewiesene Hypothese handele. Die Klimawandel-Alarmisten hingegen reden Tag und Nacht über CO2 und die globale Erderwärmung. Ich frage sie immer wieder nach wissenschaftlichen Beweisen, um nachvollziehen zu können, was sie meinen. Aber bis heute habe ich nichts dergleichen gesehen. Deshalb spreche ich von Alarmisten. Ich bezweifle nicht, dass diese Leute aufrichtig sind, aber sie liegen einfach falsch.

Warum ist die Klimadiskussion aus dem Ruder gelaufen?

Kurz gesagt, ist das Problem die Politisierung der Wissenschaften. Das IPCC wurde 1988 ins Leben gerufen. 1992 fand die Umweltkonferenz der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro statt. Damit begann die Ära des Umweltschutzes und der Umweltschutzpolitik. Nur kurz nach der Etablierung des IPCC formierte sich eine Koalition aus Umweltschützern und Klimatologen. Es sah nach einer guten Partnerschaft aus. Die Klimatologen mit ihren Modellrechnungen konnten Verbindungen zwischen CO2 und der globalen Erderwärmung darstellen, und darauf aufbauend konnten die Umweltschützer aktiv werden. Bis 2001 war diese Diskussion jedoch noch sehr von Wissenschaftlichkeit geprägt. Aus dem Ruder lief es, als Politiker sich einzumischen begannen und Forderungen erhoben, den Klimawandel zu stoppen. Für mich ist es verwunderlich, dass in Europa so ziemlich alle Parteien an die globale Erderwärmung glauben. Der Klimawandel ist zu einer hochpolitischen Angelegenheit geworden.

Was wird das Ergebnis der Kopenhagen-Konferenz sein?

Kopenhagen wird scheitern. Genauso wie Bali und wie alle Vorbereitungskonferenzen gescheitert sind – auch wenn Politiker es hinterher als Erfolg deklarieren werden, denn große politische Treffen müssen immer erfolgreich sein. China wird astronomische Geldsummen von Europa fordern, da nach der gängigen Theorie Europa vorrangig für den Klimawandel verantwortlich ist. Doch angesichts der globalen Wirtschaftskrise ist es fraglich, wo das Geld herkommen soll. Aber wenn Europa nicht bezahlt, werden alle dem wohlhabenden Westen die Schuld für das Scheitern der Klimapolitik in die Schuhe schieben. Ich hoffe, dass es in dieser Situation Nationen geben wird, die klar aussprechen, dass die Theorie des Klimawandels Unfug ist, und die wieder das Wohlergehen der Menschen in den Mittelpunkt rücken. Diese Nationen könnten uns aus dem momentanen Dilemma herausführen.

Welche Schritte schlagen Sie vor?

Es sollte auf jeden Fall eine interdisziplinäre wissenschaftliche Debatte geben und so etwas wie eine interdisziplinäre Kommission. Die Trennung zwischen Natur-, Umwelt- und angewandten Wissenschaften bringt uns nicht weiter. 1999 hat die UNESCO einen Bericht zur Anwendung und Rolle der Wissenschaften im 21. Jahrhundert veröffentlicht: die Deklaration der Wissenschaften der Vereinten Nationen. Sie besagt, dass interdisziplinäre Diskussionen essenziell sind. Die Schlussfolgerung lautete: Die Sorge um das Wohlergehen der Menschen steht über allem. Dieses Prinzip muss all unseren Handlungen zugrunde liegen. Es gibt gute Gründe, die Umwelt zu schützen, aber dies darf nicht auf Kosten der Menschlichkeit geschehen.

jetzt nicht

Novo ist kostenlos. Unsere Arbeit kostet jedoch nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Unterstützen Sie uns jetzt dauerhaft als Förderer oder mit einer Spende!