13.02.2017

Weniger Hunger durch vegane Ernährung?

Analyse von Evelyn Münster

Was würde passieren, wenn wir auf tierische Produkte weltweit komplett verzichteten? Tatsächlich ist kein Fleisch auch keine Lösung.

Meine Freundin Lena ist Veganerin. Wir verstehen uns trotzdem sehr gut. Eines milden Sommerabends, wir sitzen gemeinsam im Biergarten, wagt sie sich an ein heikles Thema: Meine gerade bestellten Spareribs würden zum Welthunger beitragen, sagt sie. Wenn alle Menschen vegan leben würden, hätten wir, weltweit betrachtet, viel mehr zu essen. Denn auf fruchtbaren Ackerböden, die für Tierfutter genutzt werden, könnte man auch Getreide, Bohnen und Gemüse anbauen. Und damit wäre das Verhältnis von Kalorien und auch Eiweiß pro Hektar Ackerland viel günstiger. Um ein Kilo Fleisch zu erzeugen, müssen mehrere Kilo Futter eingesetzt werden. (Eiweiß ist hier ein aussagekräftiger Indikator, weil es lebenswichtig ist und dabei am knappsten aller Nährstoffe.)

Diese höhere Effizienz stimmt zwar, ist aber nur die halbe Wahrheit. Nutztiere fressen nicht nur Getreide und Sojamehl. Sie fressen sehr viel, was wir Menschen nicht mögen oder gar nicht verdauen könnten: Kleie, Kartoffelschalen, Melasse, Rapskuchen, Trester und vieles mehr. Ohne Schweine, Rinder und Hühner könnte man diese Produkte nicht mehr für die Lebensmittelproduktion nutzen.

„Zwei Drittel der Agrarfläche ist Weideland und anders nicht nutzbar“

Rinder fressen außerdem sehr viel Gras. Zwei Drittel der weltweiten Agrarfläche ist Weideland. Könnte man diese Flächen nicht stattdessen für den Anbau von Brotgetreide nutzen?

Abbildung 1: Zwei Drittel der Agrarfläche ist Weideland und anders nicht nutzbar 1

Nicht überall ergibt es Sinn, Ackerbau zu betreiben. Oft sind die Böden schlecht oder das Klima ungünstig. Auch in Deutschland gibt es Wiesen und Weiden vornehmlich in Regionen mit kargen und unfruchtbaren Böden: Im Allgäu oder in Franken beispielsweise.
Nutztierhaltung erlaubt es uns, diese Flächen und Nebenprodukte der Lebensmittelherstellung nicht zu verschwenden. Die Tiere leben von für uns wertlosem Futter, verwandeln es in Milch und Fleisch und liefern damit weltweit betrachtet rund 50% aller tierischen Lebensmittel. Und damit vor allem wertvolles Eiweiß.

„Wenn alle Menschen Veganer werden würden, gäbe es deswegen weltweit nicht mehr Eiweiß“

Was würde passieren, wenn wir auf Fleisch und Milchprodukte weltweit komplett verzichteten? Dann könnten zwar auf den Flächen, die für Futtermittelanbau genutzt werden, teilweise Weizen und andere essbare Pflanzen wachsen. Auf diesen Flächen würde also tatsächlich mehr Nahrung und Eiweiß erzeugt werden. Allerdings, und hier kommt das große Aber, würde dieser Effekt wieder zunichte gemacht durch den Verlust der anderen Hälfte der tierischen Lebensmittel. Jene, die durch Fütterung von Gras und anderen nicht essbaren Ressourcen entstehen. Wenn alle Menschen Veganer würden, hätten wir also nicht mehr Eiweiß zur Verfügung als jetzt. Viele Kilo Pflanzen würden wenige Kilo Fleisch ersetzen, die globale Ernährungssituation aber nicht verbessern.

 

Abbildung 2: Landwirtschaftliche Effizienz steigt

Im Durchschnitt stehen jedem Menschen pro Tag 80 g Eiweiß und 2870 kcal zu Verfügung. Warum hungern immer noch so viele Menschen? Es liegt nicht am Bevölkerungswachstum. Hunger ist heute vor allem ein Verteilungsproblem, kein Problem der Nahrungsmittelknappheit und kein Problem zu großer Fleischerzeugung. Auch wenn die Bevölkerung weiter wächst, immer mehr Menschen sich Fleisch leisten können und sich die Armen dem üppigen Lebensmittelangebot der westlichen Länder annähern, wird es dank moderner Methoden der intensiven Landwirtschaft möglich sein, die erforderlichen Mengen zu produzieren. Denn der relative Flächenbedarf der Landwirtschaft sinkt kontinuierlich.

Gleichzeitig hat jeder von uns immer mehr zu essen. 2011 standen für jeden Menschen 2870 kcal zu Verfügung. Die Kurve wird sicher in absehbarer Zeit abflachen. Dies ist dann aber nicht Folge knapper werdender Ressourcen, sondern bringt zum Ausdruck, dass ein Niveau erreicht wurde, auf dem weit mehr Nahrung zur Verfügung steht, als nötig ist, um satt zu werden.

Abbildung 3: Wären alle Menschen Veganer, bliebe die verfügbare Menge an Eiweiß gleich: 80 g pro Tag und Person 2

Lena will trotzdem vegan bleiben, sie mag einfach kein Fleisch. Kein Problem, bleibt mehr für mich, denke ich mir. Die Spareribs kommen, es ist eine beeindruckend große Portion mit Pommes und Salat. Wir teilen schwesterlich: Sie isst die Beilagen, ich das Fleisch.

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