01.11.2006

Was kommt nach Castro?

Analyse von Christopher J. Bickerton

Seit Castros Erkrankung wird aufgeregt diskutiert, was nach seinem Tod aus Kuba werden wird. Tatsächlich hat sich bereits einiges „gewandelt“, sagt Chris Bickerton.

Allem Gerede über Globalisierung, den „CNN-Effekt“ und das Leben im „globalen Dorf“ zum Trotz scheinen wir zunehmend auf kleinen Inseln zu leben. Einige Akteure sind natürlich weltweit bekannt, wie etwa Osama Bin Laden oder George W. Bush. Aber sie berühren uns nur oberflächlich. Bei Fidel Castro ist das anders. Jon Lee Anderson, US-Journalist und Biograf von „Che“ Guevara, schrieb kürzlich im New Yorker: „Selbst wer in Ruanda oder im chinesischen Hainan lebt, kennt Fidel Castro. Es gibt weltweit kein anderes Staatsoberhaupt wie ihn.“ Für Anderson ist er allein mit Nelson Mandela vergleichbar. Während sich der Typus Mandela eher in Papstnähe rücken lässt, polarisiert Castro. Oscar Raul Cardoso schrieb in der argentinischen Zeitung El Clarin, Kuba könne je nach Standpunkt entweder als „anachronistische Verlängerung des von der Geschichte bereits vor über zehn Jahren weggefegten Kommunismus gelten, … [oder] zu den letzten Leuchtfeuern gerechnet werden, die den international verdunkelten Himmel noch mit dem Licht der Gerechtigkeit zu durchdringen suchen.“ Richard Gott, Journalist und Autor verschiedener Bücher über Kuba und Venezuela, sagt über Castro: „Er ist immer noch ein außergewöhnliches Bollwerk [Lateinamerikas] gegen die Vereinigten Staaten und kann als die größte Persönlichkeit gelten, die Lateinamerika im 20. Jahrhundert zu bieten hatte.“

Die am 31. Juli im kubanischen Fernsehen bekannt gegebene Nachricht vom Rückzug Castros aus dem öffentlichen Leben löste daher ausufernde Spekulationen über die Zukunft der Insel aus. Anfang August war Castro wegen Darmblutungen operiert worden. Sein Gesundheitszustand war bereits seit einiger Zeit eher schlecht – was in seinem Alter kaum überrascht (Castro ist am 13. August immerhin 80 Jahre alt geworden). Seiner nun getroffenen Entscheidung, die Herrschaft über Kuba vorübergehend an seinen Bruder Raul abzutreten, wurde daher große Bedeutung beigemessen. Im Jahr 1997 wurde Raul formal zum Nachfolger Castros bestimmt. Aber angesichts der uneingeschränkten Präsenz Fidels war das für die meisten rein hypothetisch.

Es gab verschiedene Reaktionen auf den schlechten Gesundheitszustand Castros. Die Exilkubaner in Miami reagierten auf die Nachricht mit Versammlungen und Feiern in den Straßen. Einige ältere Anführer der Exilgemeinschaft hielten die Feiern für übertrieben und verfrüht. Die New York Times zitierte den Anführer der Bewegung Democracy Movement, Ramon Saul Sanchez, am 1. August mit einem an seine Anhängerschaft gerichteten Aufruf zur Ruhe: „Demonstriert, feiert, aber bleibt friedlich dabei. Bleibt im angemessenen Rahmen. Handelt im Geist der Einheit und in dem Bewusstsein, dass nun ein friedlicher demokratischer Wandel folgen muss.“ Mitunter wird vermutet, dass die Kubaner in Miami die Post-Castro-Ära zwar erheblich beeinflussen, sich aber nur unter Schwierigkeiten auf eine klare Strategie werden verständigen können. Die Washington Post schreibt, „ohne Konsens wird die [Exil]-Gemeinschaft zerfallen.“

Andere Teile der Exilgemeinschaft sehen in einer militärischen Intervention den einzigen Weg zum Regimewechsel, insbesondere, wenn Raul an der Macht bleibt. Wieder andere befürworten einen eher friedlichen Übergang. Jon Lee Anderson zitiert den Anführer der Exilanten mit den Worten: „Ich hoffe, Kuba folgt dem Beispiel der gewaltfreien Revolutionen in Europa, etwa der Samtenen Revolution. Aber nach dem bisher Geschehenen – der Unterdrückung und dem eisernen Griff der langjährigen Machthaber – könnte ebenso gut ein Vakuum entstehen, das Gewaltpotenziale schafft.”

„Es ist der Castro-Regierung gelungen, marktwirtschaftliche Reformen durchzuführen, ohne das politische System zu unterminieren.“

Ungeachtet allen Geredes von kommender Veränderung und bevorstehenden Übergängen hat Kuba diesen Wandel in vielerlei Hinsicht bereits vollzogen. Im Epilog seiner jüngst erschienenen Geschichte Kubas schreibt Richard Gott, „Kuba wird sich nach Castros Tod kaum verändern. Der Wandel wurde bereits zu einem Zeitpunkt vollzogen, als kaum jemand darauf geachtet hat.“

In den 80er-Jahren und unmittelbar zu Beginn der 90er-Jahre überstand Castro den historischen Augenblick, der weltweit die meisten stalinistischen Regime hinweggefegte. Als der rumänische Staatschef Ceauşescu aus dem Amt gejagt, verhaftet und zusammen mit seiner Frau vor den Fernsehkameras verurteilt, General Noriega in Panama durch eine amerikanische Invasion mit Gewalt vertrieben und das Sandinisten-Regime in Nicaragua abgewählt wurde, dachten viele, Castro sei der gleiche Weg beschieden. Zum Zeitpunkt dieser politischen Erschütterungen machte Kuba eine seiner schwersten Wirtschaftskrisen durch. Laut Richard Gott „brachte der wirtschaftliche Zusammenbruch vom Anfang der 90er-Jahre die größte und wichtigste Veränderung in Kuba seit Entstehung der Zuckerwirtschaft auf der Insel nach der Revolution von Santo Domingo im Jahr 1791“. Im Jahr 1989 fiel das Bruttoinlandsprodukt Kubas um 2,9 Prozent. Im Jahr 1991 fiel es um 10, 1992 um 11,6 und 1993 um 14,9 Prozent. Im Zuge dieser Schicksalsschläge sah man zunehmend wieder Fahrräder und Pferdewagen, und auf den Farmen ersetzte man die Traktoren wieder durch Ochsen.

Das Castro-Regime reagierte auf diese Krise mit einigen Konzessionen und der langsamen Wiedereinführung marktwirtschaftlicher Elemente in Kuba. Das Staatsmonopol bezüglich des Außenhandels wurde 1992 aufgehoben, und die Verfassung des Landes wurde dahingehend erweitert, dass sie den Übergang von Staatseigentum in Joint Ventures mit ausländischen Partnern zuließ. Im Jahr 1990 gab es nur zwei Joint Ventures; im Jahr 1993 waren es bereits 112. Im Jahr 1993 wurden wesentliche Veränderungen umgesetzt, die die von Castro so genannte „Special Period in Time of Peace“ einläuten sollte. Im Juli desselben Jahres erklärte Castro, der US-Dollar würde legalisiert. Während der folgenden Monate folgten zwei weitere Konzessionen: In einigen Wirtschaftssparten wurde Selbstständigkeit zugelassen, was zu einem explosionsartigen Anstieg der Zahl privater Restaurants (paladares) führte, und die alten staatlichen Farmen wurden in Agrargenossenschaften umgewandelt. Im Jahr 1993 kontrollierte der Staat 75 Prozent der Agrarwirtschaft; 1996 waren es nur noch 30 Prozent.

Es ist der Castro-Regierung gelungen, diese marktbezogenen Konzessionen einzuführen, ohne das politische System zu unterminieren. Demgegenüber bewirkten derartige Maßnahmen in Osteuropa – aufgrund der engen Verwobenheit von Partei, Staat und Wirtschaft –, dass Partei und Staat von der wirtschaftlichen Reform wegfegt wurden, was letztlich im politischen Pluralismus mündete. Die Entpolitisierung des Wirtschaftssektors durch Einführung marktwirtschaftlicher Elemente brachte die Regime um ihren Legitimitätsanspruch und ermöglichte politische Reformen.
Dass der kubanische Staat die Einführung marktwirtschaftlicher Elemente überleben konnte, legt nahe, dass das Regime durch andere Faktoren als die Bereitstellung materieller Güter legitimiert war. Dass das Regime die „Special Period“ überdauerte, erklärt sich teilweise aus der Eigenart der kubanischen Revolution; Kubas besondere und höchst antagonistische Beziehung zu den USA, die Verurteilung Kubas durch Washington und das infolge des (1960 erlassenen) US-Handelsembargos subjektiv empfundene Martyrium spielen ebenfalls eine Rolle.

Die Revolution in Kuba fand 1959 statt. Von den Sierra Mountains aus führte Castro einen zweijährigen Krieg gegen die von den USA unterstützte Batista-Regierung. Im Januar 1959 marschierte Castro siegreich in der Hauptstadt Havanna ein. In vielerlei Hinsicht war die Revolution in Kuba ein symbolträchtiger Triumph der Dritten Welt: Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges konnten nationalistische Guerillas vor der Haustür der USA ein von ihnen unterstütztes Regime stürzen. Eine derartige Autonomie hatten die osteuropäischen Staaten nie erlebt. Ihre Erfahrung des „Staatssozialismus” folgte aus Entscheidungen, die in Moskau getroffen wurden, nicht in Warschau, Budapest oder Prag. Und da sie sich den stalinistischen Systemen nicht freiwillig angeschlossen hatten, wandten sich die Bevölkerungen Osteuropas bereitwillig dem Westen zu, als diese Systeme zusammenbrachen.

„Während sich der lateinamerikanische Populismus in der Tradition von Perón, Cárdenas und Ibarra den linken Mantel übergeworfen hat, hat sich die alte Linke so reformiert, dass sie kaum noch von den französischen Sozialisten oder der britischen Labour Party zu unterscheiden ist.“

Denkt man heute an ein Kuba nach Castro, so wird oft darauf hingewiesen, dass Persönlichkeiten im Umfeld Castros Kontinuität und Stabilität sichern könnten. Aber Leute, die das nach Castro kommende Vakuum füllen wollen, treten nicht erst seit heute auf. Schon während der „Special Period“ bewegte sich Kuba über eine Einmannregierung hinaus, und man verließ sich zunehmend auf die Energien einiger Persönlichkeiten neben Castro. Alle, die heute regelmäßig als mögliche Nachfolger genannt werden, sind in den 90er-Jahren hochgekommen. Richard Gott merkt an, „obwohl die Castro-Brüder blieben, wurde Kuba nicht länger nur von der Sierra Maestra Generation geführt“.

Das gleiche Muster ist auch bei der kubanischen Armee erkennbar. Christopher Hitchens will im vorübergehenden Übergang der Macht auf Raul nicht weniger als einen Militärputsch sehen. Er schreibt, „erstmals seit General Jaruzelski in Polen 1981 die Macht an sich riss, hat in einem kommunistischen Staat die Armee die Parteiautorität ersetzt.“ Hitchens sieht Kuba bereits in einer neuen Ära und schließt: „Castro ist noch nicht tot, und wir können dem ‚neuen alten’ Castro kein ‚lang lebe’ zurufen; aber dennoch können wir sagen, die Castro-Ära ist effektiv vorbei, und wir können davon ausgehen, dass es letztlich zu einer uniformen, geheimniskrämerischen und gewinnorientierten Diktatur kommen wird.“

So drängte sich das Militär in den 90er-Jahren zunehmend in den wirtschaftlichen Bereich hinein, eher von bloßer Notwendigkeit als von politischer Berechnung getrieben. In den 70er- und 80er-Jahren war die kubanische Armee international präsent und kämpfte etwa in Afrika und Lateinamerika. Anfang der 90er-Jahre verpuffte dieser Internationalismus jedoch vollständig, und die Armee – die um einen Großteil ihrer staatlichen Finanzierung gekommen war – musste sich unabhängig machen. Dabei expandierte die interne Rolle der Armee in dem Maße, wie sie extern abnahm. So kam es etwa, dass die Armee in der Bemühung, sich selbst zu ernähren, auch das zivile Ernährungsprogramm beaufsichtigte. Auch auf anderen Wegen begann die Armee, sich selbst zu finanzieren. Ihr Tourismusgeschäft Gaviota kontrolliert etwa 60 Prozent des Gesamterlöses im Tourismusbereich. Zu anderen Unternehmen der Armee zählen Almacenes Universales im Bereich Lagerwesen, Construcciones Antex im Bereich Immobilien und Bauwesen und Banco Metropolitano im Finanzbereich.

Selbst angesichts der Verbundenheit der Kubaner mit ihrer Revolution muss man zugeben: Die Zeiten haben sich geändert. Kürzlich startete Castro einen Ideenwettbewerb, der die Ideale der Revolution über die „Special Period“ hinaus retten sollte. Gleichzeitig pflegen heute aber viele Museen so etwas wie eine kubanische Plantagenkulturnostalgie, und die Hotels locken ausländische Touristen mit Gangsterthemen aus der Zeit vor 1959. Richard Gott schreibt, „Kuba hat sein ‚kulturelles Erbe’ mit der gleichen Begeisterung angenommen wie die westlichen Postmodernisten.“ Anderson erinnert sich an seinen Besuch einer Kundgebung zur Unterstützung des kubanischen Baseballteams im März dieses Jahres. Castro hielt eine seiner endlosen Reden und bemerkte dabei nicht die „nervöse Unruhe“ im Stadion, verursacht durch Leute, die reden, herumlaufen und schlafen, während ihr Anführer spricht. Anderson wertet das als Zeichen dafür, dass die Kubaner schon über Castro hinaus seien und Letzterer bald nur noch von den nostalgischen Museumsschildern der Altstadt herunterlächeln werde.

Aus all diesen Gründen ist das bevorstehende Ende der Regierungszeit Castros von großer Bedeutung. Vor allem wirft es ein Licht auf die scheinbare Rückkehr radikal linker Politik nach Lateinamerika. Angesichts der Regierungsübernahmen von Chávez in Venezuela, von Morales in Ecuador, von Kirschner in Argentinien und Obrador in Mexiko sprechen viele Beobachter von einem Linksschwenk auf dem südamerikanischen Kontinent. Im November könnten in Nicaragua sogar Daniel Ortega und die Sandinisten wieder an die Macht kommen. Unter diesen Führern gilt Hugo Chávez als der erste Erbe des Castro-Vermächtnisses. Lisa Wixon von der Washington Post schreibt, „der politische Erbe des Schicksals Castros ist Chávez in Venezuela, der Castros Drehbuch mit zunehmender Regelmäßigkeit kopiert.“ Die spanische Zeitung El Mundo bemerkt entsprechend, „der große Nutznießer des Todes von Castro wird Chávez sein, denn er sieht sich als Erben der internationalen Führerschaft der Linken.“

„Castro war ein Pragmatiker, und er konnte nur deswegen alle Verbindungen zu den USA kappen, weil mit der Existenz der Sowjetunion eine gangbare Alternative gegeben war.“

Die Ironie beim Übergang des Vermächtnisses Castros auf Chávez besteht darin, dass beide sehr verschiedenen politischen Traditionen entstammen. Jorge Casteñada, ehemaliger Außenminister Mexikos, veröffentlichte kürzlich in Prospekt seinen Aufsatz „A Tale of Two Lefts“. Er schreibt, viele hätten zwar die Rückkehr linker Parteien in Lateinamerika nach dem Ende des Kalten Krieges vorausgesagt, hätten aber angenommen, diese Parteien würden reformierte Varianten älterer sozialistischer und kommunistischer Parteien sein. Stattdessen hat sich der lateinamerikanische Populismus in der Tradition von Perón (Argentinien), Cárdenas (Mexiko) und Ibarra (Ecuador) den linken Mantel übergeworfen. Zugleich hat sich die alte Linke, die in Chile, Uruguay und Brasilien stark ist, so reformiert, dass sie sich kaum noch von der Sozialistischen Partei in Frankreich oder der britischen Labour Party unterscheidet. Diesbezüglich war Kuba offensichtlich die Ausnahme; das Land hatte die lateinamerikanische Linke in den 60er-Jahren wieder belebt. Ergebnis war, dass Kuba, zunächst eher isoliert von Gruppierungen wie der PT Lulas, mit den populistischen Akteuren in Venezuela und Ecuador nun einen gemeinsamen Nenner fand.

Mancher Lateinamerikaner konnte die Vermischung der Traditionen nur schwer akzeptieren, denn scheinbar hatte Chávez die noblere linke Tradition korrumpiert. Ibsen Martinez, venezolanischer Dramatiker und Romancier und scharfer Kritiker von Chávez, schreibt, dieser „hat den profitablen Weg zum Anti-Imperialismus gefunden. Aber es ist ein Pakt mit dem Teufel … denn solcher Reichtum untergräbt bloß die Legitimität, die er braucht, um einen Kreuzzug gegen Washington zu führen.“ Weiter heißt es: „Das Venezuela von Chávez ist keine Vorhut, sondern ein Rückschlag – der Paradefall eines populistischen lateinamerikanischen ‚Petrostate’, der zu einer illiberalen, militaristischen und korrupten Demokratie degeneriert.“ Während Castro seine antiamerikanische Rhetorik im Jahr 1959 mit Gesetzen zur Verstaatlichung und Enteignung von US-Vermögenswerten untermauerte, „macht Chávez, trotz seines antiamerikanischen Getöses, immer noch mit der Chevron Corporation Geschäfte“.

Selbst wer, wie Richard Gott, mit Chávez eher sympathisiert, muss zugeben, dass der Führer Venezuelas – im Gegensatz zur frühen Castro-Regierung – keine Bedrohung für amerikanische Interessen darstellt. So fragt Gott rhetorisch: „Hat Chávez amerikanische Unternehmen enteignet? Nein. Hat er amerikanische Geschäftsinteressen beeinflusst? Nein. Es gibt immer noch McDonald’s in Caracas, und man kann immer noch amerikanischer Geschäftsmann in Venezuela sein.“ Für Gott ist Chávez eher „pragmatischer Improvisator“ als „dogmatischer Sozialist“.

Es wäre unfair, Chávez vorzuwerfen, er haben mit dem kapitalistischen System nicht entschlossen brechen können. Castro selbst war ein Pragmatiker, und er konnte nur deswegen alle Verbindungen zu den USA kappen, weil mit der Existenz der Sowjetunion eine gangbare Alternative gegeben war. In Augenblicken, in denen Castro die Unabhängigkeit Kubas hätte behaupten können, etwa 1968, als alle darauf warteten, wie er sich zur Niederschlagung des Prager Frühlings stellen würde, hielt er unbeirrt zur Linie Moskaus. Die Grenzen der Bolivarischen Revolution von Chávez verweisen eher auf die Grenzen unserer Zeit als auf individuelle Beschränktheit.

Dass sich Venezuela den Mantel der kubanischen Revolution umhängt, offenbart, wie sehr sich die Zeiten geändert haben. Richard Gott betont, Chávez sei ein „erstaunlicher Linker, der sich weder für Gewerkschaften noch für politische Parteien interessiert“. Stattdessen konzentriere er sich darauf, eine kulturelle Alternative zu den Einflüssen Nordamerikas in Lateinamerika aufzubauen, statt es mit dem kapitalistischen System aufzunehmen. In dieser Hinsicht hat Chávez viel mit Jacques Chirac in Frankreich gemeinsam, der regelmäßig gegen den amerikanischen Kulturimperialismus wettert und die Idee eines „französischsprachigen CNN“ förderte.

Zwar sieht Kuba einer Zukunft ohne Castro entgegen, doch man braucht diese Zukunft nicht schwarzzumalen. In Kuba gibt es bereits marktwirtschaftliche Elemente, und schon seit einigen Jahren wird das Land von Persönlichkeiten im Umkreis Castros geführt. Kuba hat seine sozialistische Rhetorik weitgehend aufgegeben und betont stattdessen vielmehr seine Haltung gegenüber den USA. Künftige Veränderungen werden daher eher gradueller als prinzipieller Natur sein. Dennoch: Castros Ende, wenn es denn kommt, ist das Ende einer Ära. Gerade die Tatsache, dass Leute wie Chávez als „Erben der kubanischen Revolution“ bezeichnet werden, zeigt, dass diese Ära endgültig vorbei ist. Es gibt nichts zu erben.

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