30.09.2025

Warum die Rechte zum christlichen Glauben strömt

Von Joanna Williams

Titelbild

Foto: Gage Skidmore via Flickr / CC BY-SA 4.0

Die Gedenkfeier für das Mordopfer Charlie Kirk in den USA und der Marsch „Unite the Kingdom“ in London zeichneten sich durch eine kuriose Mischung aus Aktivismus und Evangelismus aus.

Das Zusammenkommen Zehntausender Menschen im State Farm Stadium in Glendale/Arizona, um Charlie Kirks Leben zu gedenken, war ein wirklich bemerkenswertes Ereignis. Die Gedenkfeier am Sonntag, an der US-Präsident Donald Trump und fast alle hochrangigen Persönlichkeiten seiner Regierung teilnahmen, verband evangelikales Christentum mit einer politischen Kundgebung. Wie uns ein Redner nach dem anderen in Erinnerung rief, lagen Kirk sowohl Freiheit und Glaube als auch Redefreiheit und Jesus sehr am Herzen.

Eine Woche zuvor war ich mit einer ähnlich großen Menschenmenge beim „Unite the Kingdom“-Marsch in London unterwegs. Auch bei dieser Veranstaltung war die gleiche Kombination aus Politik und Religion zu beobachten. Anders als bei allen anderen Demonstrationen, an denen ich bisher teilgenommen habe, wurde diese Kundgebung von Gospelsängern und einem evangelikalen Prediger eröffnet. Einige der Demonstranten trugen Pappkruzifixe und englische Flaggen mit sich. Es waren „Christ is King“-Sprechchöre zu hören.

Auf beiden Seiten des Atlantiks ist von einer christlichen Wiederbelebung die Rede, da ehemalige oder nichtgläubige Menschen zum Glauben an Gott finden, was einige dazu veranlasst, sich zu fragen, ob Amerika eine weitere „Große Erweckung” erlebt. Ich vermute, dass nicht jeder, der bei der „Unite the Kingdom”-Kundgebung ein Plakat mit der Aufschrift „Turn Back to God” (Kehrt zurück zu Gott) hochhielt, am nächsten Morgen in der Kirche erschien. Untersuchungen der Bible Society deuten jedoch darauf hin, dass die Kirchenbesuche in Großbritannien tatsächlich zunehmen, insbesondere unter Männern der Generation Z.

Sowohl unter Cosplayern als auch unter Gläubigen gibt es etwas Besonderes an der Form des Christentums, der man sich heute zuwendet. Wenn eine Wiederbelebung im Gange ist, dann ist sie so weit entfernt vom Christentum im Schneidersitz zu Gitarrenspiel und „Kumbaya“ wie nur möglich. Bemerkenswerterweise berichtet die Bible Society, dass der Anstieg der Kirchenbesuche in Großbritannien nicht den anglikanischen Gemeinden zugute gekommen ist. Junge Konvertiten wenden sich eher den pfingstlichen oder katholischen Konfessionen zu. In Großbritannien wie auch in Amerika scheint heute eine Form des Christentums gefragt zu sein, die traditionelle Werte mit evangelikaler Inbrunst verbindet.

„Charlie Kirk ging davon aus, dass das Christentum nicht nur für die Idee Amerikas und einer Nation von zentraler Bedeutung sei, sondern auch für die Freiheit.“

Es ist diese Mischung aus Tradition und Evangelikalismus, die aus den Kirchen herausgewandert und zu einem politischen Sammelpunkt für Konservative geworden ist. Unabhängig davon, ob tatsächlich mehr als ein winziger Teil der Bevölkerung frommer wird, ist es doch bezeichnend, dass sich die Sprache und Ikonografie des Christentums zunehmend mit bestimmten politischen Ansichten verflechten. Insbesondere bei Kirks Gedenkfeier und der Kundgebung „Unite the Kingdom” wurde starker Wert auf Patriotismus gelegt. Die Liebe zu Gott und die Liebe zum eigenen Land wurden miteinander verbunden.

Seit Jahrzehnten erzählt man den Menschen, dass Nationalstolz nicht nur illegitim sei, sondern einen sogar als Rassisten brandmarke. Ihnen wird vermittelt, es sei borniert, an zwei Geschlechter zu glauben oder daran, dass die heterosexuelle Ehe sich am besten für die Kindererziehung eigne. Man muss kein Christ sein, um davon überzeugt zu sein, doch scheint es, dass viele Rechte derzeit annehmen, sie könnten solche Ansichten am besten unter Bezug auf Gott und Jesus verteidigen.

Kirk ging davon aus, dass das Christentum nicht nur für die Idee Amerikas und einer Nation von zentraler Bedeutung sei, sondern auch für die Freiheit. „Das Gemeinwesen Amerikas war so christlich und war so protestantisch, dass unsere Regierungsform und -struktur für die Menschen geschaffen wurden, die an Christus, unseren Herrn, glaubten“, sagte er 2024. „Man kann keine Freiheit haben, wenn man keine christliche Bevölkerung hat.“ Nach seiner Ermordung scheinen viele andere zu derselben Schlussfolgerung zu gelangen.

Bezeichnenderweise winden sich die Führer der etablierten Kirche Großbritanniens angesichts dieser konservativeren, patriotischeren Ausdrucksform des Christentums. In einem offenen Brief, der letzte Woche veröffentlicht wurde, warnten Persönlichkeiten wie Lords, Bischöfe und ein ehemaliger Erzbischof von Canterbury vor dem „Missbrauch des Christentums”. Der Brief ermahnte insbesondere die Teilnehmer der „Unite the Kingdom”-Demonstration: „Jesus ruft uns dazu auf, sowohl unsere Nächsten als auch unsere Feinde zu lieben und Fremde willkommen zu heißen. Jede Vereinnahmung oder Verfälschung des christlichen Glaubens, um andere auszuschließen, ist inakzeptabel.”

„Die Menschen haben den Konsens satt, dass der Islam mit höchster Wertschätzung zu begegnen sei, während der christliche Glaube in der Öffentlichkeit nicht offen bekundet werden sollte.“

Ein Problem für diese Kirchenbonzen ist, dass sie selbst nur allzu gerne das Christentum mit allen möglichen politischen Anliegen verknüpft haben, von der Kritik am Brexit und der Förderung offener Grenzen bis hin zur Feier der Homo-Ehe und der Transgender-Identität. Sie sind nicht in der Position, die „Vereinnahmung” des Christentums für politische Zwecke zu verurteilen. Tatsächlich ist es genau ihre Version des Christentums, gegen die sich viele jetzt auflehnen. Die Menschen haben unsere Ära des moralischen Relativismus satt, in der selbst religiöse Führer nicht einmal mehr sagen können, was ein Mann oder eine Frau ist. Und sie sind haben den Konsens satt, dass der Islam mit höchster Wertschätzung zu begegnen sei, während der christliche Glaube in der Öffentlichkeit nicht offen bekundet werden sollte.

Viele Neulinge in der Kirche suchen zweifellos nach einem Ausweg aus unserer atomisierten Gesellschaft. Sie sehnen sich nach einem sinnvollen Leben mit starken, gemeinsamen Werten und hoffen, dass ein robustes Christentum ihnen dies bieten kann.

Kann dieses neu politisierte Christentum mit seiner Verteidigung des Nationalstolzes und traditioneller Werte die Menschen vereinen und gleichzeitig tolerant gegenüber Andersgläubigen oder Nichtgläubigen bleiben? Und kann es dies tun, ohne die zentralen Werte der Aufklärung – Rationalität und Vernunft –, die so viel zur Transformation der westlichen Zivilisation beigetragen haben, zu untergraben? Das bleibt abzuwarten.

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