24.05.2024

Unkritisch Reisen: Pakistan

Von Niels Hipp

Titelbild

Foto: Ziegler175 via Wikicommons / CC BY-SA 3.0 Deed

Die untergegangene Indus-Hochkultur in Pakistan erinnert an die Vergänglichkeit des Wohlstands. Heute eignet sich das Land auf dem indischen Subkontinent für Kulturtouristen.

Heute führt uns unsere „unkritische Reise“ nach Pakistan. Diesen Staat in Asien habe ich im Januar 2022 besucht, also zu einer Zeit, als es sowohl in Deutschland als auch in Pakistan noch sogenannte „Corona-Schutzmaßnahmen“ gab. In diesem Fall bedeutete das für die Hinreise einen Impfnachweis und ein negatives PCR-Testergebnis. Für die Ausreise (!) aus Pakistan wurde ein erneutes negatives PCR-Testergebnis verlangt und für die Wiedereinreise nach Deutschland die Anmeldung über die Website des Robert-Koch-Instituts (RKI). Das wurde alles streng kontrolliert. In den Flughäfen – nicht nur in Düsseldorf, sondern auch in Istanbul, Karachi und Islamabad – galt Maskenpflicht, wobei dies an der Zwischenstation Istanbul und vor allem in Pakistan selbst nicht so eng gesehen wurde. In den Sehenswürdigkeiten und Hotels vor Ort galt zwar theoretisch diese Vorgabe ebenfalls, aber wirklich gestört hat es kaum jemanden, wenn man keine Maske trug.

Dies ist zum Glück Vergangenheit, und Vergangenheit ist auch ein sehr guter Begriff, wenn man sich mit Pakistan beschäftigt. Der Politikwissenschaftler Werner Patzelt äußerte in einem Vortrag vor sechs Jahren die Befürchtung, Europa könne ein Freilichtmuseum werden. Man lebe von der Vergangenheit und werde zum Fremdenführer für Leute aus Ländern, wo jetzt moderne Zeiten und modernes Leben herrschen. Dabei verwies er auf Länder wie Ägypten oder den Nahen Osten, wo dies bereits heute der Fall sei. Wenn man an die frühen Hochkulturen denkt, dann assoziiert man als Europäer damit meist Ägypten oder das heute primär im Irak gelegene Mesopotamien. Bei Ägypten war und ist der Nil die Lebensader, in Mesopotamien waren es die Flüsse Euphrat und Tigris.

Eine dritte Hochkultur ist in Europa weniger bekannt, das ist die sog. Indus-Kultur, die durch die Lage am Fluss Indus früh zu Wohlstand kam. Diese befand sich vor allem im heutigen Pakistan. Sie ist ähnlich alt wie die beiden anderen genannten Hochkulturen, ihre Blütezeit begann um 2800 v. Chr. Die Indus-Kultur dauerte bis etwa 1800 v.Chr., war also bei Weitem nicht so langlebig wie das alte Ägypten, dafür aber deutlich größer. Es gab über 140 antike Siedlungen, die Hauptfundorte sind Mohenjo-Daro und Harappa. Nach letzterem Ort heißt die Indus-Kultur auch Harappa-Kultur. Die Fundorte liegen überwiegend entlang des Indus und seiner Nebenflüsse. Wer schon einmal die Stätten des alten Ägyptens wie die Pyramiden von Gizeh oder die Gräber im Tal der Toten in Theben-West bei Luxor besucht hat, der kann bei einem Besuch in Pakistan etwas enttäuscht sein. Es fehlt nicht nur an Pyramiden, sondern auch sonst ist das Ganze viel einfacher, reich ausgemalte Gräber findet man z.B. nicht. Paläste und Tempel aus dieser frühen Zeit gibt es nicht – anders als etwa in Ägypten, wo Tempel wie Luxor und Karnak einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor darstellten.

„Der Besuch der Ausgrabungsstätte Mohenjo-Daro kann einem bewusst machen, wie vergänglich Wohlstand ist.“

Warum das so ist, darüber wird noch gerätselt, da unklar ist, ob es überhaupt einen Herrscher gegeben hat und wenn ja, wie Herrschaft ausgeübt wurde. Auch die Bezeichnung „Priesterkönig“ für eine bei Ausgrabungen gefundene Skulptur bleibt hochgradig spekulativ. Die beeindruckendste Ausgrabungsstätte ist – wegen des hoch aufragenden Zitadellenhügels – Mohenjo-Daro, die größte erhaltene Stadt der Bronzezeit. Zu ihr gehörten Wohnbebauung, ein Brunnen und ein großes Bad, aber eben keine Paläste.

Der Besuch in Mohenjo-Daro kann einem bewusst machen, wie vergänglich Wohlstand ist: Pakistan, ein Ort, der damals relativ zu anderen auf der Welt weit überdurchschnittlich wohlhabend war, liegt heute beim BIP pro Kopf auf Rang 160 (von 194 weltweit) – also kaum über dem kürzlich „unkritisch bereisten“ Senegal. Aber man muss auch an Deutschland denken, gerade in Zeiten, wo Olaf Scholz vom „grünen Wirtschaftswunder“ spricht, aber kaum ein Tag ohne Ankündigungen von Stellenabbau vergeht und die Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Wachstumsprognosen permanent nach unten korrigieren. Der Ökonom Moritz Schularick warnt, Deutschland könne zum „Wohlstandsmuseum“ werden. „Wir sind – ökonomisch gesprochen – auf dem Weg zum Entwicklungsland“, meint der Vorstandschef der Deutschen Börse, Theodor Weimer, gar.

Aber was bietet Pakistan sonst noch? Die drei großen Städte Karachi, Lahore und Islamabad unterscheiden sich stark: Karachi ist mit 20 Millionen Einwohnern einer der größten Städte der Welt. Man findet dort einige Sehenswürdigkeiten aus der britischen Kolonialzeit, das Nationalmuseum sowie das Geburtshaus, das Wohnhaus und das Mausoleum des Staatsgründers Pakistans, Mohammed Ali Jinnah. In Lahore finden sich sehr schöne Bauten aus der Mogulzeit wie die Badshahi-Moschee; Parallelen zu Nordindien (Delhi, Agra) sind unübersehbar. Bei Islamabad wiederum handelt es sich um eine Planstadt aus dem 20. Jahrhundert, und daher für an Stadtplanung Interessierte empfehlenswert. Als Großstadt noch zu nennen wäre Multan, die Stadt der islamischen Heiligen mit etlichen Sufi-Schreinen.

„Man fällt als Europäer dort so auf, dass man von Pakistanern permanent gefragt wird, ob sie ein Handyfoto mit einem machen können.“

Bei der Fahrt über Land stößt man immer wieder auf Schreine, Moscheen und Ausgrabungsstätten mit historischen Bezügen nicht nur zum heutigen Indien, sondern auch zu Zentralasien und zum Iran. Im Raum Islamabad gibt es Sehenswürdigkeiten des Reichs Gandhara, wo der Buddhismus mit Elementen des „Hellas am Hindukusch“ (Werner Widmer) verschmilzt, also graeko-baktrischen Elementen. Schließlich gibt es noch die Festung von Rohtas.

Pakistan eignet sich als Reiseland also primär für Kulturreisende und bietet diesen sehr viel. Schade, dass es Europäern relativ unbekannt ist. Man fällt dort so auf, dass man von Pakistanern permanent gefragt wird, ob sie ein Handyfoto mit einem machen können. Sie sollten sich auch nicht von Ausführungen des Auswärtigen Amts ängstigen lassen. Ja, man sollte die Provinz Belutschistan im Nordwesten des Landes wegen Terrorgefahr meiden, aber dort gibt es ohnehin kaum Sehenswürdigkeiten.

Sehr sehenswert ist die abendliche Grenzschließungszeremonie am pakistanisch-indischen Grenzübergang Wagah. Sie erinnert eher an ein Volksfest. Man setzt sich auf eine Tribüne, nachdem man vorher diverse Sicherheitskontrollen hinter sich gebracht hat. Es läuft Musik, und nach einem „Warm-Up“ rufen die Pakistaner mehrfach: „Pakistan Zindabad“ (Lang lebe Pakistan!). Dann findet ein skurrile Aufführung mit – gespielten – Drohgebärden pakistanischer und indischer Grenzsoldaten statt, bevor zum Schluss die Flagge heruntergezogen und das Grenzübergangstor geschlossen wird. Hinter der Show steckt natürlich eine ernste Lage: Seit der Teilung Britisch-Indiens 1947 ist das Verhältnis zwischen den beiden Atommächten zumindest angespannt, nicht nur wegen des Kaschmir-Konflikts.

„Einen vom Volk gewünschten Regierungswechsel darf es in Pakistan im Moment offenbar nicht geben.“

Nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch steht Pakistan schlecht da: Nach dem erfolgreichen Misstrauensvotum gegen Ministerpräsident Imran Khan (Amtszeit von 2018 bis 2022) kam es zu Protesten im ganzen Land. Im August 2023 wurde Khan zu drei Jahren Haft verurteilt, einen Monat später aber freigelassen. Ende Januar 2024 wurde er, gut eine Woche vor der Parlamentswahl vom 8. Februar 2024, erneut zu Gefängnisstrafen verurteilt, und zwar zu 10 Jahren wegen angeblicher Weitergabe vertraulicher diplomatischer Informationen und zu 14 Jahren wegen Korruption. Die zeitliche Nähe zu den Parlamentswahlen und die hohen Strafen erlauben keinen Zweifel daran, dass er als charismatische Persönlichkeit und mit ihm die Opposition deutlich geschwächt werden sollte.

Einen vom Volk gewünschten Regierungswechsel darf es in Pakistan im Moment offenbar nicht geben. Dabei muss man nicht nur an bisher „unkritisch bereiste“ Länder wie den Iran oder den Senegal denken. Auch bezogen auf Deutschland erinnert das Ganze verdächtig daran, dass die ‚Quasi-Blockparteien‘ (Union, SPD, Grüne, FDP, Linke) im Vorfeld der ostdeutschen Landtagswahlen mit ihrem „Kampf gegen rechts“ alles versuchen, um die AfD von einer Regierungsbeteiligung fernzuhalten.

Seit 1956 nennt sich Pakistan „Islamische Republik“, allerdings ist die Situation mit derjenigen im Nachbarland Iran überhaupt nicht zu vergleichen: Es regieren keine Kleriker, es gibt für Frauen keinen Verschleierungszwang und generell ist das gesellschaftliche Klima weniger repressiv als im Iran.

jetzt nicht

Novo ist kostenlos. Unsere Arbeit kostet jedoch nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Unterstützen Sie uns jetzt dauerhaft als Förderer oder mit einer Spende!