12.06.2017

Trump als Merkels Buhmann

Kommentar von Sabine Beppler-Spahl

Titelbild

Foto: The White House via Flickr

Angela Merkels Kritik an Donald Trump soll von der Ideenlosigkeit des politischen Establishments ablenken und innenpolitische Gegner diskreditieren.

Gibt es noch ein anderes Thema als Donald Trump? Ende letzten Monats hat die Kanzlerin bei einer Wahlveranstaltung in einem Bierzelt gesagt: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei […] Das habe ich in den letzten Tagen erlebt. Und deshalb kann ich nur sagen: Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen.“

Diese Äußerung im typisch vagen Stil der Kanzlerin bezog sich auf den ersten offiziellen Besuch Donald Trumps in Europa. Der US-Präsident hatte den deutschen Handelsüberschuss kritisiert, die Europäer ermahnt, ihren Beitrag für die Nato zu erhöhen und gedroht, aus dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen (eine Drohung, die er inzwischen wahr gemacht hat).

Merkels Satz wurde als tapferer Angriff gegen Trump gewertet, obwohl er kaum überraschend kam. Seit der Wahl in den USA befindet sich die Bundesregierung im Angriffsmodus. Schon die ersten Glückwünsche der Kanzlerin an den neuen Präsidenten waren mit einem Seitenhieb verbunden (die Kanzlerin erinnerte an die westlichen Werte). Vizekanzler Sigmar Gabriel nannte Trump den „Vorreiter einer autoritären und chauvinistischen Internationale“. Nach der vermeintlichen Brüskierung der Kanzlerin beim G7-Gipfel in Italien wetterte sogar Martin Schulz, der doch eigentlich Opposition sein sollte, gegen die Demütigung „unserer Kanzlerin“.

„Trump dient als Knüppel gegen die Unzufriedenen.“

Kritische Kommentatoren, wie zum Beispiel der Blogger Quentin Quencher, sehen in Merkels Trump-Bashing reine Taktik. Wie eine Jägerin greife sie latente Stimmungen auf und gebe einem unkoordinierten Gefühl (Antimerikanismus, Trump-Ablehnung) eine Richtung. Da ist viel dran. Die Kanzlerin hat durchaus ein gutes Gespür für die Vorlieben (beziehungsweise Vorurteile) der Mittelschicht und schafft es immer wieder, diese zu bedienen. Auch ist sie, was Inhalte betrifft, in diesem Wahlkampf noch schwächer als sonst. Bis vor wenigen Wochen befürchteten viele, sie würde gar nichts mehr sagen. „Kann Merkel noch Attacke?“, titelte die Bild-Zeitung und im Handelsblatt spottete Gabor Steingart (an den Kabarettisten Wolfgang Neuss erinnernd): „Stellt Euch vor, es geht, und sie kriegt es nicht hin“.

Es gibt aber noch einen tieferliegenden Grund für die Fixierung auf Donald Trump: Der Präsident verkörpert – mehr als jeder andere – den Widerstand gegen das alte Establishment. Er ist zu einer Art Anti-Politiker avanciert, der uns als abschreckendes Beispiel vorgehalten wird. Trump soll uns daran erinnern, was passiert, wenn wir vom tugendhaften Pfad der etablierten Politik abweichen. Wer damit liebäugelt, Populisten zu wählen, so die Botschaft, brauche nur über den Atlantik zu blicken. Die ständigen Verweise auf Trump dienen dazu, die innenpolitischen Gegner zu diskreditieren. Das gilt besonders im Hinblick auf die EU, die überall unter Druck geraten ist und nun, wie viele hoffen, durch Trumps Rüpelhaftigkeit wieder enger zusammenrücken wird.

So gesehen ist es nicht nur bequem, auf Trump herumzuhacken, um von der eigenen Ideenlosigkeit abzulenken. Er dient auch als Knüppel gegen die Unzufriedenen. Deswegen sollte endlich Schluss mit den Anti-Trump-Tiraden. Der Wahlkampf findet hier statt und ist zu wichtig, um ihn im Anti-Trump-Fieber ersticken zu lassen.

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