31.03.2020

The Great Slowdown

Von Zé do Rock

Titelbild

Foto: Danielteolijr via Wikimedia / CC BY-SA 4.0

Schadet der Shutdown mehr als der Coronavirus? Wird Corona-Bier jetzt umbenannt? Steckt die Klopapier-Industrie dahinter? Schriftsteller Zé macht sich Gedanken in seiner ihm eigenen Schreibweise.

Momentan hör ich in der diskussion um das coronavirus oft den satz „Gesundheit kommt vor wirtschaft". Das klingt zwar moralisch löblich, aber ich find es eigentlich keine so gute idee. Mit wirtschaft stellt ma sich ein par konzernbosse vor, die mit $$$ in den augen zusammen sitzen und beraten, wie sie die menschheit besser ausbeuten können. Aber wirtschaft is mer als das: sie hat uns nich nur wolstand gebracht sondern auch eine menge extra lebensjare. Natürlich gibt es länder, die etwas ärmer sind als andre und trotzdeem eine etwas längere lebenserwartung ham, aber im durchschnitt is es eben so: je reicher das land, desto höher die lebenserwartung. 

Ich hab vor kurzem kalkulirt: wenn es stimmt, das in 5 oder 6 jaren zwei drittel der menschheit das virus persönlich kennenlernen wird, heisst es, das um die 5 miliarden menschen demnäxt kontakt mit dem virus gehabt haben werden. Die mortalität, oder besser gesagt die letalität, variirt stark, je nach land, stadt oder quelle, sie get von ein par promille bis 8 prozent, und dann is da noch die dunkelziffer der infizirten, die einige virologen als ser hoch einschätzen. Also sagen wir mal den mittelwert 1 prozent, um es leichter zu machen. Das wären dann 50 milionen menschen, die in den näxten jaren am virus sterben – klingt eher vil, mit so einer zal rechnen die wenigsten. Vor allem wird es schnell weniger wenn in eim oder zwei jaren eine impfung gefunden wird. Vermutlich hätten dise virustote sonst im schnitt 5 jare zum leben – eigentlich eher weniger, da die meisten toten alt, krank und/oder geschwächt sind, aber die 5 is eine runde nummer. In der zeit wären 300 milionen menschen weltweit gestorben, das heisst, die grosze merheit würde noch wegen einer andren krankheit sterben – ein par milionen würden dann an corona sterben statt an an krebs oder multiplem organversagen.

Jedenfalls sind 50 milionen eine ganze menge tote, aber die welt is grosz und wenn ma 10 minuten braucht, um disen artikel zu lesen, sind nach der lektüre schon 1000 menschen gestorben, die keine erwänung in den zeitungen fanden – keiner von denen starb (statistisch geseen) in diser zeit an Corona, daran sterben immer noch deutlich weniger als ein promille. Wenn widerum die welt ein minus-waxtum von 25 prozent aufweist, wie es die USA nach dem bankenkresch von 1929 hatten, würden die menschen – 7,8 miliarden von inen – durchschnittlich 5 jare früher sterben. So vil weniger beträgt durchschnittlich die lebenserwartung bei ländern mit 25 prozent weniger wirtschaftsleistung, wenigstens nach meiner kalkulazion, in der ich länder und ländergruppen mit andren ländern und ländergruppen verglichen hab, die 25 prozent weniger prokopf-einkommen ham.

„Technisch geseen wär die beste lösung, die kranken zu behandeln und nur vorsichtsmasznamen zu beschliszen, die der wirtschaft nich schaden.“

50 milionen menschen können wegen dem virus 5 jare ires lebens verliren, 7,8 miliarden – alle – können wegen den konsequenzen der krise 5 jare ires lebens verliren. Was heisst, für jeden coronavirus-toten könnte es über 150 krisentote geben. Klar, die zalen sind weit davon entfernt, exakt zu sein, aber ma sit schon die gröszenordnungen: hir milionen, da miliarden. So geseen, wär technisch geseen die beste lösung, die kranken zu behandeln und nur vorsichtsmasznamen zu beschliszen, die der wirtschaft nich schaden, ansonsten: bisness as usual.

Da muss ich mal ausgerechnet leuten wie Boris Johnson, Trump und Bolsonaro recht geben, auch wenn sie offensichtlich gar nich an den verlust an lebenserwartung gedacht haben – sonst würden sie vermutlich damit argumentiren. Aber auch sie geraten unter druck und fangen mit einschränkenden masznamen an. Politisch is "bisness as usual" kaum noch durchzusetzen, es herrscht heutzutage eine gewisse hexenjagd-dynamik, politiker können schon ire posten verliren weil inen – vileicht – vor vilen jaren ein freund, der untenemer war, die rechnung bezalt hat oder weil sie etwas zuvil fremdmaterial in der doktorarbeit ham einfliszen lassen, also werden sie schon wegen einem einzigen toten gekreuzigt, geschweige denn wenn es tausende sind, und man ire strategie für falsch hält.

Die virustoten werden stündlich gezält, sie sind ganz konkreet und kommen in die schlagzeilen, wärend die armutstoten zu den statistiken kommen. Eigentlich sind sie zimlich konkreet, klingen aber zimlich abstrakt. Keiner wird von eim chini sagen, er is mit 76 jaren gestorben weil er das pech hatte, in China geboren zu werden und nich in Deutshland, wo die lebenserwartung 81 jare beträgt. Es is ein bisschen so wie das dilemma: wenn man ein mann von eim gerüst in den tod schubst, kann ma 100 menschen in eim zug retten - was macht ma da? Die logik würde sagen, schubs ihn. Aber ich würd mich vermutlich auch nich überwinden können, das prinzip 'nich töten' is ser stark im hirn impregnirt.

Und das konzept des "bisness as usual" würde sowieso nur funkzioniren, wenn auch alle andren länder und dazu noch die bevölkerung mitmachen würde. Die erwartet widerum das ire regirung die notwendigen masznamen ergreift. Was sie auch tut, und so könnte Corona wenigstens für die Groko das ende der talfart sein. Nich das ich vil bei der deutshen politik zu kritisiren hätte: manche meinen, sie hat zu spät reagirt, manche meinen, zu übertriben. Aber ma kann nur auf solche gefaren reagiren, in dem moment wo die gefar sich konkretisirt. Hätte ma läden und grenzen nach der vogelgrippe oder nach der schweinegrippe geschlossen, und danach geseen, das die grippe in die meisten länder gar nich angekommen is, die nix getan ham, hätte ma der regirung panikmachenden akzionismus vorgeworfen. Im nachhinein is jeder schlauer. Es felen halt empirische werte, es is das erste mal das wir uns mit so einer seuche in der globalisirten welt konfrontirt sen. Klar, die regelungen könnten etwas einheitlicher daherkommen, das sind die tücken von demokratie und föderalismus. Und mit inen is ma relativ gut gewappnet gegen diktaturen. Weniger aber gegen viren... da hat es Nordkorea leichter! Und trotzdeem wünschen sich hirzulande nur wenige, das Kim Jung-un die macht in Deutshland übernimmt.

„In solchen krisen kann viles passiren, auch krige und diktaturen sind pflanzen, die gern auf krisenmist waxen.“

Der deutshe stat will notleidende unternemen und bürger unterstützen, sonst wird es zu eim schneballsysteem one ende. Die läden machen dicht, die fabriken, die sie belifern, machen dicht, können irgendwann die gehälter der nichtarbeitenden angestellten nich mer zalen, die arbeitslosen können die mieten nich mer zalen, die vermieter gen pleite, die banken gen pleite, alle dominosteine - kabung! Da nützt es auch nich vil, das das büropersonal zuhause arbeiten kann - büros verwalten produkzionen und dienstleistungen, und wenn die keiner mer braucht, is ire arbeit sinnlos. In solchen krisen kann viles passiren, auch krige und diktaturen sind pflanzen, die gern auf krisenmist waxen.

Nun is bisness as usual nich mer möglich, aber ma könnte ausmachen, das die menschheit einfach mal ein sabatical macht, sagen wir mal für 3 monate. Zuhause natürlich. In diser zeit wird yoga gemacht  ooooommmm – die wirtschaft einfach ausgesetzt, es wird nich mer gearbeitet ausser für die grundversorgung. Und der zalungsverkeer wird eingestellt. Wer am 20. april eine rechnung zalen musste, muss jetz am 20. juli zalen, und vileicht müsste ma noch den sabatical verlängern. Manche leute und länder könnten da einige zeit im winterschlaf durchhalten, andre kämen gar nich weit, und hätten keine möglichkeit, ire wirtschaft unter die arme zu greifen. Und wenn die nich so starken wirtschaften untergeen, werden auch die stabilen länder darunter leiden müssen. In diser globalisirten welt kennen krisen keine grenzen.

Vileicht wird das ganze eine verkraftbare delle in der weltwirtschaft – ma kann es nur hoffen – vileicht wird es eine krise wie die von 1929, und wer weiss, noch schlimmer – 1929 gab es 20 prozent arbeitslose, momentan arbeiten vermutlich die meisten nich mer. Komisch is das dise bonsai-apokalypse nich mit hagel und stürmen daher kommt, sondern in eim frülingsausbruch. Die natur explodirt, die menschheit implodirt...

„Ma hört auch vile verschwörungsteorien, von der farmaindustrie, von den banken, von der politik, aber ich glaube, das ganze wurde von der klopapir-industrie eingefädelt.“

Vileicht besteet in wenigen jaren fast jeder kontakt nur noch über soziale netze und skype. Vileicht kommt aber auch gutes zutage, zum beispil die entdeckung der langsamkeit. Für das klima is es ideal, vileicht ham wir bald wider mitte märz regnerische 10 grad statt sonnige 20. Und die eisbären ham wider ir eis – die mögen eis, wie auch die kinder.

Vileicht werden die näxten tage, wochen, jare als Die Grosze Entschleunigung, oder The Grate Slodown in die anale der geschichte eingeen, ma wird vom wansinn runterkommen, und keiner wird sich aufregen, das ich wider mit der ortografie geschlampt hab. Der eine oder andre könnte zum schluss kommen, das seine bisherige realität eigentlich absurd und sinnlos war. Um anschliszend zum bärenjäger zu werden. Die müssten aber noch dazu importirt werden – gibts bären in China?

Ma hört momentan vile corona-witze, es gibt sonst fast nix. Hab zum beispil gehört, beim mexikanischen Corona-Bir wurde der name geändert, das war bei der viruskrise nich mer zu halten. Jetz heisst das bir Ebola.

Ma hört auch vile verschwörungsteorien, von der farmaindustrie, von den banken, von der politik, aber ich glaube, das ganze wurde von der klopapir-industrie eingefädelt - die sind diejenigen, die den groszen reibach machen!

Auf jeden fall erleben wir den moment, in dem die geschichte der menschheit eine scharfe kurve macht. Wie scharf wird sie aber sein, und wo wird sie nur hinfüren? Wir sten da wie die maus vor der schlange, und können nur hoffen, das sie grade kein hunger hat.

Und was macht Bruce Willis, der schon oft die welt gerettet hat? Er sitzt an seim pul in Beverly Hills und beschweert sich, das der wiski on the rocks, den die heisse battlerin gebracht hat, nich kalt genug is. Scheisse, sagt er.

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