01.01.2015
Tabak-Sündensteuer klettert weiter
Kommentar von Christoph Lövenich
Zum Jahresbeginn wird die Tabaksteuer erhöht – zum zehnten Mal seit der Jahrestausendwende. Über die Hintergründe des Steuerpaternalismus gegenüber Rauchern und dessen Vorbildwirkung, was „Sündensteuern“ auf andere Genussmittel angeht.
Heute zeigt sich, wer keine abstinenzlerischen Vorsätze fürs neue Jahr getroffen hat oder es nicht so eng nimmt mit ihrer Einhaltung. Bei alkoholischen Getränken zum Beispiel, und nicht zuletzt beim Tabakgenuss. Raucher werden aber seit Jahren zum Kalenderwechsel mit einem Pferdekuss begrüßt: Einer erneuten Tabaksteuererhöhung.
Das war mal ganz anders. Als nach dem Zweiten Weltkrieg (vom Antiraucher Hitler teilweise mit Tabaksteueraufschlägen finanziert) die Versorgung mit Tabakwaren stark zu wünschen übrig ließ, blühte der Schwarzmarkt. „Amerika hilft Deutschland mit Tabak“ [1], ein Slogan im Rahmen des Marshall-Planes, wurde von Besatzungssoldaten etwas zu wörtlich genommen, von denen die Ersatzwährung US-Zigaretten für Gegenleistungen – von Mein Kampf als Souvenir bis zur Sexdienstleistung – erhältlich war. Im Grenzgebiet vor allem zu Belgien entstand ein schwunghafter Schmuggel mit Kaffee und Tabak, der in ein Katz- und Mausspiel zwischen Zoll und praktizierenden Freihändlern bis hin zum Einsatz militärischen Geräts eskalierte. [2]
„1953 wurde die Tabaksteuer sogar gesenkt“
Dann entspannte sich die Lage durch wirtschaftspolitische Liberalisierungen unter Ludwig Erhard und 1953 geschah das heute Undenkbare: Die erste Tabaksteueranpassung in der Bundesrepublik war eine Senkung. Sie blieb die einzige, aber erst 1967 kam es zu einer Anhebung, der ersten von fünf bis zur Jahrtausendwende. Das wirkt im Rückblick moderat, aber 1977 veranlasste eine Tabaksteuererhöhung so viele Raucher zu einem Umsatteln auf Stopf- und Drehtabak, dass es zeitweise zu Versorgungsengpässen für die dafür benötigten Utensilien kam. [3] Daneben bewirkte auch die auf EG-Ebene veranlasste Einführung der Umsatzsteuer Preiserhöhungen.
Die zunehmende internationale Tabakbekämpfung, koordiniert durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO), gewann um die Jahrtausendwende an Fahrt und eine immer größere Basis in den einzelnen Ländern. Nicht nur staatliche Rauchverbote, stärkere Werbebeschränkungen und dergleichen wurden im vergangenen Jahrzehnt in Gesetzesform gegossen, auch die Tabaksteuer wurde massiv erhöht. Zehn Anhebungen erfolgten seit 2002, darunter eine mehrstufige unter der rot-grünen Bundesregierung, und ab 2011 durch Schwarz-Gelb eine Kettenerhöhung mit fünf Terminen, davon der letzte am heutigen Tag. Es ist davon auszugehen, dass künftig weitere folgen werden, und dabei ist es – wie mit vielen anderen Themen – mittlerweile egal, wer gerade regiert.
Ein anderes Interesse haben allerdings Bundesfinanzministerium und Teile der Finanzpolitik, denen an der Steigerung der Staatseinnahmen gelegen ist. Sie können nicht erbaut darüber sein, dass der Tabaksteuerertrag heute real niedriger liegt, als zu Beginn der Erhöhungswelle. Bis dahin war man nämlich, nach dem Scheitern der Totalprohibition in Teilen Deutschlands und anderswo in der frühen Neuzeit, meist dem Prinzip gefolgt, den Tabakkonsum gegen eine Art Schutzgeld in Form einer eigenen Verbrauchssteuer zu akzeptieren. Man hat die Raucher gerne ‚gemolken‘. Mittlerweile aber hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden, jetzt werden Rauchern immer fester die Daumenschrauben angezogen, um sie zur Abkehr zu zwingen, sie zu ‚schlachten‘.
Die Tabaksteuer als Folterinstrument des zeitgenössischen Sanitarismus ist degressiv ausgestaltet und trifft somit vor allem Einkommensschwache, was durchaus beabsichtigt ist. Sie richtet sich nicht gegen den Raucher Jean-Claude Juncker, sondern gegen den ‚Pöbel‘. Die ebenfalls unsoziale Umsatzsteuer wird noch auf die Tabaksteuer selbst erhoben, so dass man – wenn man versteuertes Einkommen ausgibt – unter einer Dreifachbelastung ächzt. Nun mag man einwenden, das Gleiche gelte bei der Mineralölsteuer. Deren Höhe kann zwar nicht gutgeheißen werden – zwei Drittel des Benzinpreises –, aber die Steuerlast auf Tabakwaren liegt höher und vor allem: Der Staat bekämpft den Raucher weit mehr als den Autofahrer, letzterem wird immerhin die Infrastruktur in Form von Straßen finanziert – wenn auch zunehmend schlechter, Schlaglöcher und marode Brücken lassen grüßen.
Können die Tabakgegner den realen Rückgang der Tabaksteuereinnahmen nun als Erfolg verbuchen? Führen ihre Zwangsbekehrungen zu weniger Rauchern? Nein, keineswegs. Zum einen fand und findet ein Ausweichen auf aus verschiedenen Gründen geringer besteuerte Produkte statt, insbesondere Dreh- und Stopftabak. Der Steuergesetzgeber hat in den letzten Jahren deshalb verschiedene Alternativen im Bereich Zigarillos und Pfeifentabak durch neue Produktdefinitionen blockiert und nähert mittlerweile EU-weit die niedrigen Besteuerungen den höheren an.
„Durch die hohe Tabaksteuer in Norwegen und Teilen der USA ist Heroin dort längst billiger als legale Zigaretten.“
Zum anderen gilt die Erkenntnis, die aus dem Munde sowohl eines hohen Schweizer Zollbeamter wie auch eines sozialdemokratischen Europaparlamentariers stammt: Tabaksteuererhöhungen sind ein „roter Teppich für die organisierte Kriminalität“ [4]. Massiver grenzüberschreitender illegaler Handel findet statt, Produktfälschungen kommen in den Umlauf, Milliardenverluste entstehen. Unter der Konkurrenz leiden in der Tabakbranche u.a. mittelständische Großhändler und kleine Läden. Der Einzelhandel ist zudem bei Sicherung, Versicherungskosten und Überfallrisiko vom höheren Wert der Tabakwaren als Raub- und Diebesgut betroffen. Der Tabakschmuggel – der in Deutschland übrigens künftig ins Bruttoinlandsprodukt mit eingerechnet wird –, lohnt sich für manche Kriminelle schon mehr als der Handel mit illegalisierten Drogen. [5] Durch die hohe Tabaksteuer in Norwegen und in Teilen der USA ist Heroin dort längst billiger als legale Zigaretten. [6] Je nach Konsumform kann man so außerdem noch den drakonischen Rauchverboten entgehen.
Die stufenweisen Anhebungen der Tabaksteuer in kleinen Schritten gelten der Anti-Tabak-Lobby zudem als Gewöhnung an höhere Preise. Ihrer Meinung nach sollten stattdessen heftigere Erhöhungen auf einen Schlag kommen, um den Rauchern einen ebensolchen verpassen. In diese Richtung geht etwa ein Vorstoß der Grünen-Bundestagsfraktion aus dem vergangenen Jahr. [7] Die Tabakkonzerne haben sich mit Kaskaden von Erhöhungen arrangiert, weil sie auf diesen Gewöhnungseffekt setzen. [8]
Diese ganze Steuerpolitik hat sich von finanz-, wirtschafts- und sozialpolitischen Überlegungen weit entfernt. Im Übrigen auch von den angeblichen gesundheitspolitischen, wenn von manchen Schmuggelzigaretten tatsächlich die Gesundheitsgefahren drohen, die der (in dieser Hinsicht freilich befangene) Zoll gerne an die Wand malt. Es geht um die Gängelung angeblicher Sünden und Laster, daher auch der Begriff der „Sündensteuer“ (von engl. sin tax). Die jahrzehntelange Stigmatisierung der Raucher hat die Akzeptanz exzessiver Erhöhungen ermöglicht. So verfängt z.B. die Argumentationsfigur von Rauchern als volkswirtschaftlichem Kostenfaktor bei vielen, obwohl das Gegenteil stimmt, und Raucher längst Nichtraucher subventionieren. [9]
Wie andere Maßnahmen der Raucherbekämpfung dient die Tabaksteuer als Vorbild für ähnliche Steuern dieser Art, die anderswo schon eingeführt wurden, etwa Fettsteuern oder Besteuerung zuckerhaltiger Getränke. Der Steuerpaternalismus steuert in eine ganz falsche Richtung.