01.09.2006

Strom und Sprit vom Acker

Analyse von Folkhard Isermeyer und Yelto Zimmer

Wie müsste eine sinnvolle Förderung der Energiegewinnung aus nachwachsenden Rohstoffen aussehen?

Die Europäische Union hat sich ehrgeizige Ziele für den Ausbau der Bioenergie gesetzt. Deutschland gehört in diesem Bereich zu den führenden Mitgliedstaaten. Herstellung und Verwendung von Bioenergie werden massiv gefördert, die Branche verbucht zweistellige Wachstumsraten. Die politischen Parteien wetteifern darum, günstige Bedingungen für einen weiteren schnellen Ausbau der Bioenergie zu schaffen. Durch den hohen Erdölpreis fühlen sie sich bestärkt, den eingeschlagenen Kurs fortzusetzen und möglichst noch zu beschleunigen. Doch es sollte hier genau bedacht werden, wie die Politik ihren Mitteleinsatz in diesem Bereich künftig effizienter gestalten kann.

Rentabilitätsschwelle erreicht

Die Entwicklung der Bioenergie hängt vom Ölpreis ab. Ob der Erdölpreis dauerhaft oberhalb von 50 US-Dollar je Barrel bleiben wird, lässt sich nicht sicher vorhersagen. Sicher ist jedoch: Wenn er es tut, wird dies gravierende Rückwirkungen auf das gesamte Weltagrarpreisgefüge und die Weltlandwirtschaft haben. In Brasilien ist bereits bei Erdölpreisen von 35 Dollar je Barrel die Produktion von Bioethanol für den Kraftstoffsektor rentabel, und zwar ohne staatliche Subventionen. Oberhalb von 40 bis 45 Dollar je Barrel wird die Rentabilitätsschwelle für Biokraftstoffe auch an zahlreichen anderen Standorten der Welt erreicht (z.B. Biodiesel aus Palmöl oder Soja, Bioethanol aus Zuckerrohr oder Mais). An vielen Überseestandorten wird bei anhaltend hohen Erdölpreisen die Produktion von Bioenergie ohne politisches Zutun hochgradig rentabel sein, so dass immer mehr Agrarflächen in diesen Bereich umgelenkt werden. Gleichzeitig wird sich das Weltmarktpreisniveau für alle wichtigen Agrarprodukte deutlich nach oben bewegen. Dieser Prozess schreitet so lange voran, bis sich durch weltweite Preissteigerungen im Nahrungsmittelbereich ein neues Gleichgewicht zwischen Nahrungsmittel- und Bioenergieproduktion einstellt.

In diesem Szenario wird das deutlich erhöhte Agrarpreisniveau dazu führen, dass ein großflächiges Brachfallen landwirtschaftlicher Flächen weder in Deutschland noch andernorts eintritt. Solange Energie knapp und teuer ist, werden alle bewirtschaftungsfähigen Fotosyntheseflächen benötigt.

Parallel zu dieser Entwicklung wird die Liberalisierung der Handelspolitik voranschreiten. Wenn die Zollsätze sinken, kann sich die Agrarproduktion global stärker ausdifferenzieren: Jeder Standort spezialisiert sich auf die Herstellung jener Produkte, für die er am besten geeignet ist, und der Handel zwischen den Standorten nimmt zu. Hohe Energiepreise wirken dieser Ausdifferenzierung tendenziell zwar entgegen. Bei vielen Energieträgern bleibt der Anteil der Transportkosten an den Gesamtkosten aber auch bei hohen Energiepreisen gering, so dass die standörtliche Ausdifferenzierung nur unwesentlich gebremst wird.

"Politik und Berufsstand sollten sorgfältig überlegen, ob sie die deutsche Landwirtschaft wirklich auf die Produktion von „Energie“ ausrichten wollen."

Angesichts dieser grundlegenden Umwälzungen, vor denen die Weltagrarwirtschaft im Falle eines Bioenergiebooms stehen wird, lautet die entscheidende Frage für Politik und Wirtschaft: Zu welcher Standortverteilung wird ein Szenario „hohe Erdölpreise, liberalisierter Welthandel“ führen, welche Regionen werden sich künftig auf welche Produkte spezialisieren? Hierzu gibt es bislang nur einzelne Fragmente, es fehlt ein halbwegs schlüssiges Gesamtbild.

Die bisher vorliegenden Kostenanalysen deuten darauf hin, dass in Deutschland bei steigenden Erdölpreisen (ohne politische Förderung) am ehesten die Verbrennung von Holz, Getreide und Stroh sowie die Produktion von Biogas aus Reststoffen rentabel wird. Demgegenüber bleibt die Produktion von Biokraftstoffen und Strom aus Ackerfrüchten möglicherweise dauerhaft auf Subventionen bzw. Zollschutz angewiesen, weil Überseestandorte die agrarischen Rohstoffe kostengünstiger erzeugen und effizienter in Energieträger umwandeln können. Bei entsprechenden Kalkulationen ist zu berücksichtigen, dass Nahrungsmittel- und Bioenergiepreise künftig im Gleichschritt ansteigen werden, so dass sich bei steigenden Energiepreisen nicht nur die Erlöse, sondern auch die Rohstoffkosten der Anlagen erhöhen.

Warum Bioenergie fördern?

Erstes Zwischenfazit: Bei anhaltend hohen Erdölpreisen wird der Markt dafür sorgen, dass die Weltagrarwirtschaft den ihr möglichen Beitrag zur Erdölsubstitution und zur Lösung der globalen Energieprobleme leistet. Somit stellt sich die Frage: Weshalb soll die deutsche Politik überhaupt in diesen Prozess eingreifen und die Bioenergie fördern? Hierzu werden in der politischen Diskussion vor allem drei Argumente vorgetragen: Umwelt- und Ressourcenschutz, Versorgungssicherheit und Arbeitsplätze.

Mit dem Argument „Beitrag zum Umwelt- und Ressourcenschutz“ lässt sich die Förderung der Bioenergie in der Form, wie sie gegenwärtig in Deutschland gehandhabt wird, nicht überzeugend begründen. Erstens kann Deutschland mit den gegenwärtig geförderten Verfahren nur einen verschwindend geringen Beitrag zum Erreichen der globalen energie- und klimapolitischen Ziele leisten. Zweitens vergeudet Deutschland seine knappen Mittel mit relativ ineffizienten Maßnahmen. Drittens ist die Förderung der Bioenergie nicht hinreichend abgestimmt mit anderen umweltpolitischen Maßnahmen. Schlussfolgerung: Wollen wir globale Ziele zum Umwelt- und Ressourcenschutz effizient verfolgen, müssen wir eine international abgestimmte Politik betreiben und die Mittel dort einsetzen, wo je Euro ein maximaler Nutzen für die Umwelt erreicht wird. Das ist gegenwärtig nicht der Fall.

Das Argument „Versorgungssicherheit“ hat angesichts der gestiegenen geopolitischen Risiken erheblich an Bedeutung gewonnen. Grundsätzlich liegt hier eine wichtige staatliche Aufgabe. Die Politik kann ihrer Verantwortung aber nur gerecht werden, wenn sie das Ziel „Versorgungssicherheit“ präziser als bisher definiert: Sehen wir Energieimporte aus Ländern, die nicht in Krisengebieten liegen, als Beitrag zur Versorgungssicherheit an, oder verlangen wir Verarbeitungsanlagen bei uns, die außerhalb von Krisenzeiten auch mit importierten Rohstoffen gefüttert werden dürfen, oder verlangen wir permanente Bioenergieproduktion bei uns? Je weiter wir in Richtung des letztgenannten Zieles gehen, desto teurer wird die Strategie. Bei dieser Entscheidung ist auch die geringe Flächenausstattung unseres Landes zu beachten. Selbst wenn wir durch Ausbau der gegenwärtig geförderten Bioenergielinien nur zehn Prozent des Endenergieverbrauchs unseres Landes aus heimischer Bioenergie decken wollten, müssten wir in Kauf nehmen, dass ein großer Teil der heimischen Nahrungsmittelproduktion ins Ausland verdrängt wird.

Unter dem Aspekt „Schaffung von Arbeitsplätzen“ erweist sich die Förderung der heimischen Bioenergieproduktion teilweise als Nullsummenspiel, weil dem Zugewinn an Arbeitsplätzen in der Bioenergiebranche ein Verlust an Arbeitsplätzen in der Nahrungsmittelbranche und in anderen Bereichen der ländlichen Entwicklung gegenübersteht. Positive Arbeitsplatzeffekte sind vor allem dort zu erwarten, wo Bioenergie nicht anstelle, sondern in Ergänzung der Nahrungsmittelerzeugung gewonnen wird, oder wo technologieorientierte Arbeitsplätze entstehen, die von dem zu erwartenden weltweiten Bioenergieboom profitieren können. Eine strategische Ausrichtung der Bioenergieförderung auf diese Aspekte ist bisher kaum zu erkennen.

Als zweites Zwischenfazit ist somit festzuhalten: Die bisherige Bioenergiepolitik weist gravierende Begründungsschwächen auf, weil für die verschiedenen Energielinien unterschiedliche Förderkonzepte und Subventionshöhen bestehen, die sich nicht logisch aus den politischen Zielen ableiten lassen, und weil der Fokus auf die weniger wettbewerbsfähigen Linien sowie auf die heimische Rohstofferzeugung gelegt wurde. Dieser Ansatz mag in der Frühphase der Bioenergiepolitik sinnvoll gewesen sein, um das Innovationspotenzial der Wirtschaft möglichst rasch und auf breiter Front zu stimulieren. Je stärker nun aber die Bioenergie aus der Nische heraustritt, desto wichtiger wird es, die bisherige Politik zu überprüfen und ihre Instrumente konsistenter auf die politischen Ziele auszurichten.

Wenn diese Kurskorrektur unterbleibt und die bisherige Förderung fortgesetzt oder gar noch ausgebaut wird, droht der Politikbereich aus dem Ruder zu laufen. Die Belastung der Steuerzahler und Energieverbraucher durch die Förderung der Bioenergie liegt jetzt schon weit oberhalb von einer Mrd. Euro pro Jahr, und sie wird rasch weiter zunehmen. Im Bereich Biokraftstoffe wird die Förderung zu einem rasanten Anstieg der Importe führen, d.h., der weitere Anstieg der Förderung wird überwiegend Importeuren und ausländischen Produzenten zugute kommen. In den Bereichen Strom und Wärme wird die Förderung zu einer zunehmenden Verdrängung der heimischen Nahrungsmittelerzeugung führen. Die Politik greift hier massiv in die Struktur der deutschen Landwirtschaft ein, denn sie hat die produktgebundene Förderung der Nahrungsmittelerzeugung inzwischen stark reduziert und setzt diesen weitgehend ungeschützten Teil der Landwirtschaft nun dem Wettbewerb mit der Bioenergie aus, welche durch sehr starke produktgebundene Subventionen gefördert wird. Das wird zwangsläufig dazu führen, dass die Nahrungsmittelproduktion immer stärker ins Ausland verdrängt wird. Politik und Berufsstand sollten sorgfältig überlegen, ob sie die deutsche Landwirtschaft wirklich strategisch auf das Produkt „Energie“ ausrichten wollen, bei dem Produktdifferenzierung kaum möglich ist und deshalb langfristig der pure Kostenwettbewerb regiert.

Viel Know-how, wenig Fläche

Eine ineffiziente Förderpolitik ist nicht nur volkswirtschaftlich und umweltpolitisch schädlich, sondern auch für die beteiligten Unternehmen riskant. In der gegenwärtig überhitzten Bioenergiekonjunktur finden zahlreiche Investitionen statt. Diese werden sich als Fehlinvestitionen erweisen, wenn die derzeit aus den Fugen geratenen Preisrelationen sich wieder normalisieren (z.B. Raps zu Rapsöl) und die Politik unter dem Druck knapper Kassen und der WTO zu Kurskorrekturen gezwungen wird, z.B. beim Abbau des Außenschutzes für Ethanol.

Die Forderung nach strategischer Neuausrichtung der Bioenergieförderung ist leicht ausgesprochen, aber nicht leicht umzusetzen. Die Politik steht in der Verantwortung, die Erarbeitung eines Businessplans für die Entwicklung dieses Wirtschaftszweigs zu organisieren. Dieser muss zu allererst eine präzise Definition der Ziele (nicht zu verwechseln mit Mengenvorgaben der EU), außerdem eine Prognose der technischen Entwicklungen bei den verschiedenen Energielinien und eine sorgfältige Analyse der internationalen Wettbewerbssituation bei künftig veränderten handelspolitischen Bedingungen enthalten. Darauf aufbauend ist zu ermitteln, wie die staatliche Förderung so gestaltet werden kann, dass je Euro ein möglichst großer Beitrag zu den energie-, umwelt- und wirtschaftspolitischen Zielen entsteht. Es liegt auf der Hand, dass diese Planung in die allgemeine energie- und klimapolitische Strategiefindung eingepasst werden muss. Nachdenken lohnt sich: Der Energiesektor boomt weltweit, und Deutschland hat hier viel Know-how anzubieten – aber nur wenig Fläche.

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