06.06.2025

Steht das Ende des Dollars bevor?

Von Phil Mullan

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Foto: Gerd Altmann via Pixabay

Die globale Stellung der US-Währung schwindet seit Jahrzehnten. Trumps Zölle könnten den Prozess beschleunigen. Möglicherweise entsteht ein System mit mehreren Reservewährungen neben dem Dollar.

Die wichtigste Stütze der US-Wirtschaft ist heute die globale Bedeutung des Dollars. Amerikas relativer Wohlstand (der bis vor kurzem als „US-amerikanischer Exzeptionalismus“ bezeichnet wurde) beruht weit mehr auf der Rolle seiner Währung als auf seinen Technologieunternehmen, seinem Ressourcenreichtum oder seinem berühmten Unternehmergeist. Da der Dollar als Weltwährung akzeptiert wird, sind Ausländer willige Käufer, wenn der amerikanische Staat und seine Unternehmen im Ausland Geld ausgeben oder Kredite aufnehmen. Dies hat einen scheinbar endlosen Strom billigen Geldes ermöglicht, um die Wirtschaft im Inland zu stützen.

Heute scheint dieser besondere Vorteil jedoch zunehmend gefährdet zu sein. Die größte Bedrohung für den Status des Dollars geht nicht von Russland oder China oder gar Europa aus, sondern von den Maßnahmen der US-Regierung selbst.

Die US-Regierung leiht sich Geld, indem sie Staatsanleihen, so genannte „Treasuries", vor allem an Banken, Pensionsfonds und ausländische Regierungen verkauft. Im Gegenzug zahlt sie ihnen Zinsen – die so genannte „Rendite“. Wenn Investoren anfangen, ihre Anleihen zu verkaufen, sinken deren Kurse und die Renditen steigen. Um neue Käufer anzulocken, muss die Regierung dann den Zinssatz für neu ausgegebene Anleihen erhöhen.

Als am 5. April die ersten von Donald Trumps „ Liberation Day“-Einfuhrzöllen in Kraft traten, begannen die Inhaber amerikanischer Staatsanleihen, diese abzustoßen. Trumps anschließende Drohungen, Jerome Powell als Vorsitzenden der US-Notenbank abzusetzen, verstärkten die Sorgen der Ausländer noch. Der Ausverkauf führte zu einem sprunghaften Anstieg der Renditen zehnjähriger Staatsanleihen, die von 3,9 % auf 4,5 % hochgingen.

„Die Dominanz des Dollars ist seit Jahrzehnten im Schwinden begriffen. Der erste große Einschnitt kam 1971.“

Ein derartiges Ausmaß an Volatilität ist ungewöhnlich für Staatsanleihen, die lange Zeit als die sichersten aller sicheren Anlagen galten. In Zeiten von Turbulenzen – selbst wenn diese von den USA ausgehen – flüchten die Anleger normalerweise in diese Papiere. So war es auch während der Finanzkrise 2008. Doch nun wird der Status der USA als sicherer Hafen selbst in Frage gestellt.

Rückzug aus dem Dollar

Die Stärke einer Währung beruht auf der wirtschaftlichen Dynamik des Landes. Ein Land mit hoher Produktivität ist international wettbewerbsfähig, was wiederum die Nachfrage nach seiner Währung erhöht. Im Laufe der Zeit führt eine hohe Produktivität zu politischer und sozialer Stabilität, was die Attraktivität der Währung als Wertaufbewahrungsmittel steigert. Die geopolitische Bedeutung steigert die internationale Bedeutung der Währung weiter, indem sie ausländische Regierungen dazu veranlasst, die Währung in ihren Reserven zu halten. Sie ist ‚Gold wert‘ – noch dazu mit dem Vorteil, dass ihre Vermögenswerte eine finanzielle Rendite abwerfen.

Je mehr eine Währung von anderen verwendet wird, desto attraktiver wird sie. Sogar feindlich gesinnte Staaten können sie schließlich übernehmen, sowohl um Transaktionen zu erleichtern als auch um Werte zu speichern. In der Geschichte des industriellen Kapitalismus haben nur zwei Währungen diesen Status erreicht: das britische Pfund im 19. Jahrhundert und der US-Dollar seit der Zwischenkriegszeit.

Es wäre einfach, auf Trumps Zölle als Ausgangspunkt für den Niedergang des Dollars zu verweisen, aber seine Dominanz ist seit Jahrzehnten im Schwinden begriffen. Der erste große Einschnitt kam 1971. Als die US-Handelsdefizite wuchsen, wurde die Konvertierbarkeit des Dollars in Gold unhaltbar, was den damaligen Präsidenten Richard Nixon dazu veranlasste, den Wert des Dollars vom Gold abzukoppeln. Damit war der Dollar nur noch auf Grund der Fähigkeit des Staates gesichert, Steuereinnahmen zu erzielen. Infolgedessen sank der Anteil des Dollars an den weltweiten Reserven von 77 Prozent im Jahr 1970 auf 70 Prozent im Jahr 1980.

Der nächste große Schlag war die von der Wall Street ausgehende Finanzkrise 2008. Dadurch verlor das von den USA geführte globale Finanzsystem an Glaubwürdigkeit und wurde durch die unzureichende internationale Reaktion weiter untergraben. Hartgesottene Finanzinvestoren stellten fest, dass Washington nicht mehr die Mittel oder den politischen Willen zu haben schien, als Lokomotive der Weltwirtschaft zu fungieren. Dieser Eindruck verstärkte sich im darauffolgenden Jahrzehnt unter den Präsidenten Barack Obama und Joe Biden sowie in Trumps erster Amtszeit. Ihre Regierungen handelten alle zunehmend unilateral, führten mehr protektionistische Maßnahmen ein und setzten den Dollar als Waffe ein, indem sie Länder wie den Iran und Venezuela sanktionierten.

„Ein fallender Dollar würde ausländische Investitionen verteuern. Kurzfristig könnte dies den Dollarwert der Gewinne im Ausland erhöhen, aber langfristig würde es die Anreize verringern, US-Vermögenswerte zu halten.“

Geopolitik half jedoch, den Untergang des Dollars hinauszuzögern. Die Anführer der meisten westlichen Länder zogen es vor, sich vor der Realität zu verstecken, und gingen davon aus, dass die USA immer da sein würden, um ihnen in Krisenzeiten aus der Patsche zu helfen. Infolgedessen hielten sie am Dollar fest. Der Anteil der in Dollar gehaltenen Währungsreserven ging tendenziell zurück, lag aber am Vorabend der Corona-Pandemie nur noch bei 61 Prozent.

Der dritte Schock kam im Jahr 2022. Nach Russlands Einmarsch in der Ukraine froren die USA einen großen Teil der in Dollar gehaltenen russischen Vermögenswerte ein. Dieser Schritt war eine Botschaft an Staaten in aller Welt: Ihre Dollarbestände könnten eines Tages gegen sie verwendet werden. Während das Vereinigte Königreich und die meisten westeuropäischen Länder am Status quo festhielten, begannen viele andere, sich vom Dollar abzuwenden. Bis Ende letzten Jahres war der weltweite Anteil des Dollars weiter auf 58 Prozent gesunken.

Stattdessen verdoppelten die Zentralbanken ihre Goldkäufe in den Jahren 2022, 2023 und 2024 und erwarben im Durchschnitt mehr als tausend Tonnen pro Jahr – hauptsächlich außerhalb des Westens. Der Anteil von Gold an den chinesischen Reserven stieg von 2,9 Prozent vor dem Beginn der Corona-Krise auf 4,6 Prozent im vergangenen Jahr. In den Schwellenländern stieg dieser Anteil von 10 Prozent auf 13 Prozent.

Entdollarisierung unter Trump?

Trumps Zölle Anfang des Jahres lösten die jüngste Unruhe um den Dollar aus. Trotz gesunkener Importe und gestiegener Nettonachfrage ist der Dollar seit Einführung der Zölle gegenüber anderen wichtigen Währungen um fast fünf Prozent gefallen. Die wahrscheinlichste Erklärung dafür ist eine Kapitalflucht – Anleger verkaufen US-Anlagen und investieren in Euro, Yen, Gold und sogar Kryptowährungen. Diese Art von Marktverhalten wird eher mit fragilen Entwicklungsländern in Verbindung gebracht, nicht mit dem vermeintlichen Anker der Weltwirtschaft.

Noch besorgniserregender sind die Anzeichen, die einige von Trumps Beratern geben, wonach ein starker Dollar möglicherweise kein politisches Ziel mehr ist. Stephen Miran, der Vorsitzende von Trumps Wirtschaftsberaterrat, hat die Idee eines schwächeren Dollars ins Spiel gebracht und sogar angedeutet, dass ein Zahlungsausfall bei US-Staatsanleihen droht. Trumps Besessenheit vom Handelsdefizit mag eine Abwertung verlockend erscheinen lassen – Importe würden teurer und Exporte wettbewerbsfähiger werden. Aber die Ankündigung einer Dollarabwertungs-Politik würde ausländische Investoren wahrscheinlich abschrecken. Die Preise für Staatsanleihen würden fallen, die Renditen würden steigen und mehr Länder würden sich nach Alternativen umsehen.

Warum ist die Entdollarisierung für die USA so bedrohlich? Die Segnungen der globalen Rolle des Dollars sind in dem Maße wichtiger geworden, wie sich das Wachstum der US-Wirtschaft verlangsamt hat. Seit den 1960er Jahren hat die Produktivkraft der USA relativ gesehen abgenommen, insbesondere im verarbeitenden Gewerbe. Da die Unternehmen ihr Wachstum im Ausland suchten und die öffentlichen Ausgaben die Einnahmen überstiegen, wurde eine starke und stabile Währung unerlässlich.

„Ein fallender Dollar würde ausländische Investitionen verteuern. Kurzfristig könnte dies den Dollarwert der Gewinne im Ausland erhöhen, aber langfristig würde es die Anreize verringern, US-Vermögenswerte zu halten.“

Ein starker Dollar machte es billiger, im Ausland zu investieren, und erhöhte die Rendite von Auslandsgeschäften. Vor 1970 machten die Auslandsgewinne weniger als zehn Prozent der US-Unternehmensgewinne aus. Seit der Finanzkrise machen sie im Durchschnitt etwa ein Drittel aus. Ein starker Dollar ermöglicht es der Regierung außerdem, Staatsanleihen zu niedrigeren Zinssätzen zu verkaufen und so Defizite zu finanzieren, ohne die Kreditkosten in die Höhe zu treiben.

Dieses Arrangement ist nun in Gefahr. Ein fallender Dollar würde ausländische Investitionen verteuern. Kurzfristig könnte dies den Dollarwert der Gewinne im Ausland erhöhen, aber langfristig würde es die Anreize verringern, US-Vermögenswerte zu halten. Im April haben wir die Folgen gesehen – als das Vertrauen in Staatsanleihen sank, schossen die Zinssätze in die Höhe.

Aussichten

Es steht viel auf dem Spiel. Die US-Staatsverschuldung beträgt inzwischen mehr als 36 Billionen Dollar und wächst jährlich um über 1 Billion Dollar. Allein in der ersten Hälfte des laufenden Haushaltsjahres wurden 14 Prozent der Staatsausgaben für den Schuldendienst aufgewendet – mehr als für das Gesundheitswesen oder die Verteidigung. Wenn die Renditen der Staatsanleihen weiter steigen, wird diese Belastung nur noch zunehmen. Höhere Kreditkosten wirken sich auf die gesamte Wirtschaft aus und machen Kredite für Unternehmen und Haushalte gleichermaßen teurer.

Ein weltweiter Rückzug aus dem Dollar würde die Anfälligkeit der US-Wirtschaft offenlegen. Die Schuldenfalle – die lange Zeit durch billiges Geld kaschiert wurde – wäre dann schwieriger zu bewältigen. Zahlungsausfälle, Insolvenzen und steigende Arbeitslosigkeit könnten die Folge sein. Vielleicht würde eine solche Krise eine überfällige Debatte über die radikale Restrukturierung auslösen, die die US-Wirtschaft so dringend benötigt. Kurzfristig jedoch brächte sie enorme Härten mit sich, und es bestünden kaum Aussichten, dass die Regierung den Menschen über den Einbruch hinweghelfen könnte.

„Wahrscheinlicher ist ein fragmentiertes Finanzsystem mit mehreren Reservewährungen, das eine neue, multipolare Weltordnung widerspiegelt.“

Dennoch wird sich die Geschichte nicht unbedingt wiederholen. Keine einzelne Währung ist in der Lage, den Dollar direkt so zu ersetzen, wie der Dollar das Pfund ersetzt hat. Die US-Wirtschaft ist trotz ihres Niedergangs immer noch viel stärker als die britische in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Zwar haben die USA ihren Spitzenplatz im Welthandel verloren (erst wurde sie von der EU und dann von China überholt), doch ist der Niedergang moderat. Der Anteil am Welthandel sank von 14 Prozent in den 1980er Jahren auf knapp 11 Prozent im Jahr 2023.

Aber auch Chinas Währung kommt nicht als wahrscheinlicher Erbe in Frage. Die fehlende Konvertierbarkeit und die staatliche Kontrolle machen den Renminbi als globales Wertaufbewahrungsmittel ungeeignet. Wahrscheinlicher ist ein fragmentiertes Finanzsystem mit mehreren Reservewährungen, das eine neue, multipolare Weltordnung widerspiegelt.

Die Art und der Zeitpunkt des nächsten, möglicherweise entscheidenden Schlags gegen die Vorherrschaft des Dollars sind unmöglich vorherzusagen. Aber die allgemeinere Lektion ist klar. Wie sagte schon Herbert Stein, ein Berater Nixons, 1986: „Wenn etwas nicht ewig so weitergehen kann, wird es enden“. Als Stein dies äußerte, meinte er es als Trost für diejenigen, die sich über die wachsenden Schulden und Defizite der USA Sorgen machten. Im Falle des weltweiten Niedergangs des Dollars werden die Auswirkungen alles andere als tröstlich sein.

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