24.09.2025

Staatliche Repression statt Politikänderung

Von Niels Hipp

Titelbild

Foto: Carlos Diaz via Wikimedia Commons / CC BY 2.0

Staaten wie Kuba, Venezuela, der Iran, aber auch Deutschland reagieren auf Unzufriedenheit in der Bevölkerung nicht mit einer Anpassung ihrer Politik. Vielmehr gehen sie gegen die Opposition vor.

Kandidaten werden von Wahlen ausgeschlossen, eine politische Justiz verfolgt politische Gegner, ein „Staat im Staat“ bedroht die Freiheit… Denken Sie dabei ans heutige Deutschland? Auch! Solche Phänomene findet man aber ebenso in vielen anderen Ländern. In diesem Artikel wollen wir uns einmal dem Bereich der staatlichen Repressionen in Deutschland, Kuba, Venezuela und dem Iran zuwenden und Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede zwischen diesen vier Ländern herausarbeiten: Was ist überhaupt staatliche Repression? Wie zeigt sie sich im jeweiligen Land? Von wem geht sie aus? Warum ist sie aus staatlicher Sicht überhaupt nötig? Und: Warum ändert man stattdessen die eigene Politik nicht?

Zunächst zur politischen Repression. Damit meint man die Unterdrückung von Personen oder Gruppen aufgrund ihrer politischen Ansichten oder ihres Verhaltens durch staatliche Behörden oder andere Akteure. Der Begriff wird hier also bewusst sehr weit verwendet. Die naheliegendste, aber keineswegs einzige, Form ist die Verfolgung mit Mitteln des Strafrechts durch Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte. Dabei ist natürlich nicht jede strafrechtliche Verurteilung gemeint, etwa die eines Diebes, sondern es muss sich hier um politische Absichten handeln.

In Deutschland ist das etwa der Fall, wenn Björn Höcke (AfD) wegen Verwendens nationalsozialistischer Kennzeichen („Alles für Deutschland“) verurteilt wird, der Satiriker El Hotzo (ehemals ZDF und RBB) vom Vorwurf der Billigung von Straftaten (Attentat auf US-Präsident Trump) hingegen freigesprochen wird. Dazu kommen dann Hausdurchsuchungen, etwa im Fall Stefan Niehoff. Aber nur aufs Strafrecht zu schauen, wäre verengt: So liegt ein Fall staatlicher Repression auch vor, wenn AfD-Kandidaten für das Amt des (Ober-)Bürgermeisters in Ludwigshafen, Lage und Neukloster vorab vom kommunalen Wahlausschuss aussortiert werden, und dies von der Verwaltungsgerichtsbarkeit abgenickt wird. Daneben gibt es etwa Benachteiligungen von Beamten entsprechenden Parteibuchs z.B. in Rheinland-Pfalz oder waffenrechtliche Maßnahmen gegen AfD-Mitglieder z.B. in NRW. In der Corona-Zeit kam es dann zu Versammlungsverboten oder Beschränkung der Teilnehmerzahl bei Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen, während „Black Lives Matter" problemlos demonstrieren konnte.

In Kuba sehen Repressionen dann anders aus: In dem Karibikstaat kam es nach den Demonstrationen am 11. Juli 2021 – den größten seit den 1960er-Jahren – zu Verhaftungen in großem Stil. Die Regierung griff mit brutaler Gewalt durch. Polizei und Strafjustiz, die komplett auf Parteilinie sind, reagierten hart: Manche sprachen von bis zu 5000 Festnahmen. Es kam zu 381 Verurteilungen, 36 Verurteilte erhielten Haftstrafen bis zu 25 Jahren. Selbstredend gibt es in Kuba – im Gegensatz zu Deutschland – keine (noch?) legale Opposition in Form anderer Parteien als der Kommunistischen Partei Kubas (KPC): Es ist ein Einparteienstaat, was man auch als Form politischer Repression bezeichnen muss, da Personen mit einer ganz anderen ideologischen Orientierung schlichtweg keine andere Partei gründen, geschweige denn mit dieser zu einer Wahl antreten dürfen.

„Die Judikative übt jenseits des Strafrechts politische Repression dadurch aus, dass sie Wahlfälschungen wie in Venezuela duldet oder Klagen gegen Ausschlüsse wie in Ludwigshafen oder Lage abweist.“

In Venezuela kam es nach der gefälschten Wahl von 2024 zu großen Demonstrationen. Die Regierung schlug zurück: Es kam zu mindestens 1800 Festnahmen. Auch hier gilt das alte Motto Maos: „Bestrafe einen, erziehe hunderte“. Aber allein die Fälschung der Wahl ist schon als Repression zu bezeichnen: Dem nach allem höchstwahrscheinlichen Wahlsieger Edmundo Gonzalez wurde sein Sieg durch die regierungsnahe Wahlbehörde verwehrt und das ganz auf Linie befindliche Verfassungsgericht entschied im Sinne von Präsident Maduro.

Im Iran kam es nach der Ermordung der kurdischen Iranerin Jina Masha Amini 2022 zu Protesten im ganzen Land, die Monate lang anhielten. Das Regime schlug sie brutal nieder. Eine andere Form der Repression im Iran betrifft die Präsidenten- oder Parlamentswahlen: Zur Präsidentenwahl wurde etwa noch nie eine Frau zugelassen. Der Wächterrat selektiert die Kandidaten in Hinblick auf ideologische Konformität, einer Islamauslegung der herrschenden schiitischen Mullahs. Die sogenannten „Reformer“ wie der momentane Präsident Massud Peseschkian stehen nicht für echte Reformen, sondern befinden sich im engen Korridor des im Iran Geduldeten. Personen mit ganz anderen politischen Vorstellungen haben keine Chance – eine Situation, der sich Deutschland mittlerweile leider annähert (s.o.).

Wer unterdrückt?

Von wem genau geht die Repression denn aus? Der Staat unterteilt sich ja in verschiedene Ebenen (Gesamtstaat, subnationale Einheiten, Kommunen o.ä.) und es gibt in demokratischen Staaten traditionell eine Gewaltenteilung (Legislative, Exekutive, Judikative). In allen vier Ländern am eindeutigsten geht die staatliche Verfolgung von der Strafjustiz aus, wo Staatsanwaltschaft und Polizei (Exekutive) und die entsprechenden Gerichte (Judikative) – in Deutschland in erster Instanz in der Regel Amts- oder Landgericht – tätig werden. Das ist erst einmal auch die klassische Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols, das hier allerdings zur Bekämpfung politischer Gegner missbraucht wird. Daneben hat man auch Entscheidungen der Exekutive, etwa in Form der kommunalen Wahlausschüsse oder des Wächterrats. Die Judikative übt jenseits des Strafrechts politische Repression dadurch aus, dass sie Wahlfälschungen wie in Venezuela duldet oder Klagen gegen Ausschlüsse wie in Ludwigshafen oder Lage abweist.

Es gibt aber auch weniger direkte, mittelbare Formen staatlicher Repression, manche sprechen gar von „Outsourcing“: In Deutschland hat man NGOs, die formal privatrechtlich organisiert sind, aber in erheblichem Maße von staatlichem Geld leben und sonst gar nicht überlebensfähig wären, und in Form von Meldestellen dem Strafverfolgungsapparat zuarbeiten, aber auch Druck etwa auf Banken (Debanking). Es ist also wirklich ein „Staat im Staat“.

In Venezuela und dem Iran spielt das Militär eine sehr große Rolle bei der Niederschlagung der Proteste. Das Militär ist gerade im Iran, aber im gewissen Rahmen auch in Venezuela (übrigens auch in Ägypten und Pakistan) ebenfalls ein Staat im Staat, eine eigene kleine Volkswirtschaft. Speziell im Iran sind die Revolutionsgarden als Eliteeinheit der Streitkräfte von großer Bedeutung. Der Wächterrat wurde ja schon genannt. All diese Organe handeln, trotz der Tatsache, dass sie ein „Staat im Staat" sind, stets im Sinne der Führung, also im Sinne der Regime, an deren Spitze Nicolas Maduro, Miguel Díaz-Canel bzw. Ali Chamenei stehen. In Deutschland besteht ein Elitenkonsenses, ideologisch anders orientierte gesellschaftliche Gruppen werden im günstigsten Fall nicht gefördert, ansonsten aber z.B. durch die genannten NGOs auf verschiedene Weise aktiv bekämpft.

Zweck der Repression

Warum sind Repressionen denn überhaupt notwendig? Vereinfacht auf den Punkt gebracht: Weil die von den jeweiligen Eliten gesteuerte Politik von oben unschöne, also von einem erheblichen Teil der Gesellschaft missbilligte Ergebnisse produziert. Wirtschaftliche Probleme sind dabei ein entscheidender Punkt, meistens treten aber noch – je nach Land unterschiedliche – Punkte hinzu: In Deutschland handelt es sich – so Tichys Einblick – um die Phänomene „Wirtschaft schwach, Migration ungebremst, Schulden steigen“. Die Wirtschafts-, Energie- und Klimapolitik, oft euphemistisch „Transformation“ genannt – auch noch unter Ablehnung der Atomkraft ohne topographische Gegebenheiten wie in Norwegen –, führt zur Deindustrialisierung, verstärkt noch durch erzwungene Technologiewechsel in der Autoindustrie („Elektroauto“) und beim Stahl („Grüner Stahl“), die beschäftigungsvernichtend wirken. Die Migrationspolitik der offenen Grenzen bei hohen Sozialleistungen führt in erheblichem Maße zur Einwanderung Geringqualifizierter, die oft gerade wegen der hohen staatlichen Transfers einwandern und überdurchschnittlich häufig kriminell sind, während Gutqualifizierte von den leistungsfeindlichen hohen Steuern und Abgaben abgestoßen werden.

„Wenn ein größerer Teil der Bevölkerung zufrieden(er) wäre, bräuchte es ja gar keine Repressionen mehr.“

In Kuba wiederum, das vor der Revolution von 1959 eine der Perlen der Karibik war, macht sich nach Jahrzehnten des Mangels immer mehr Frust breit, der sich in extremer Auswanderung – über eine Million bei zehn Millionen Einwohnern in nur vier Jahren – zeigt: Dank Strom-, Benzin-, Medikamenten- und Nahrungsmittelknappheit vertraut generell keiner auf eine gute Zukunft, da keine Anzeichen einer Besserung in Sicht sind. Aber auch mangelnde politische Partizipation und mangelnde politische Freiheitsrechte werden als Problem empfunden: In der „Rangliste der Pressefreiheit“ lag Kuba zuletzt auf Rang 165 von 180 Ländern.

Venezuela, früher eines der reichsten Länder Südamerikas, das erdölreichste Land der Welt, ist heute das ärmste Land Südamerikas, noch hinter Bolivien, zuletzt auf Rang 134 (von 194) der Rangliste der wohlhabendsten Staaten der Welt. Das ist die Folge von jahrzehntelanger Misswirtschaft, begonnen 1999 mit dem 2013 verstorbenen Hugo Chavéz, fortgeführt dann nach dessen Tod von Nicolas Maduro. Zwischenzeitlich lag die Inflation bei ca. einer Million Prozent per Jahr, über acht Millionen sind zwischenzeitlich aus dem Land geflohen. Es herrsch(t)en Hunger, Armut, Medikamentenmangel usw. Vom dortigen Mindestlohn kann man nicht leben. Dank Maduros Politik hat das Land eine aufgrund des Erdöls so hervorragende Ausgangssituation so grundlegend ruiniert. Aber auch die mangelnde Pressefreiheit – Venezuela liegt nur auf Rang 160 von 180 Ländern weltweit – führt zu Unzufriedenheit, ebenso die Wahlfälschung 2024.

Einen Erdölreichtum weist auch der Iran auf. Trotzdem liegt das BIP pro Kopf weit unterhalb des weltweiten Durchschnitts. Zwar spielen die US-Sanktionen auch eine Rolle, aber die Wirtschaftspolitik aufgrund von Verstaatlichungen nach der Islamischen Revolution von 1979 ist insgesamt destruktiv. Beim Iran mindestens so entscheidend ist aber die Problematik der persönlichen Freiheit: Verschleierungszwang für Frauen und eine in Gänze repressive Gesellschaftspolitik. Auch die Wahlen werden keineswegs frei und fair durchgeführt.

Ideologie und Macht

Nun zum Schluss die Frage: Warum ändert man seine Politik nicht? Denn wenn ein größerer Teil der Bevölkerung zufrieden(er) wäre, bräuchte es ja gar keine Repressionen mehr. In allen vier untersuchten Ländern spielt dafür zunächst ideologische Überzeugung eine entscheidende Rolle: In Deutschland hat sich seit ca. 2010 ein Elitenkonsens herausgebildet. Dieser wird von CDU, CSU, SPD, Grünen, Linken und FDP getragen. Die Parteien stimmen in vielen wesentlichen Fragen überein, Abweichungen gibt es eher in Details. Man denke dabei etwa an Fragen der Migration, der Energie- und Klimapolitik, der Sozialpolitik, der Europapolitik, seinerzeit auch der Corona- oder Eurorettungspolitik. Die inhaltlich dominante Partei sind seit längerer Zeit die Grünen, an denen sich auch die Union orientiert, in vielen Fällen auch aus Überzeugung. All diese „Quasi-Blockparteien“ wollen die Gesellschaft weiterhin nach diesen grünen Vorstellungen gestalten und nicht davon abweichen.

In Kuba will auch der (relativ) neue Präsident und Erste Sekretär der KPC, Miguel Díaz-Canel, der im Castro-Regime sozialisiert wurde, nicht vom Sozialismus lassen, kleinere Lockerungen etwa für die Privatwirtschaft geschehen widerwillig und sind nur der äußersten Not mit massiven Fluchtbewegungen geschuldet. Auch Maduro strebt aus ideologischen Gründen keine Liberalisierung der Wirtschaft an, schon gar keine Privatisierung der einzigen wirklichen Industrie, nämlich der Ölindustrie. Auch eine Verbesserung der miserablen Situation der Eigentumsrechte steht nicht auf dem Plan. Und die – oft greisen – Mullahs im Iran lehnen ein anderes System ebenfalls ideologisch ab. Die Islamische Republik ist ihr Lebenswerk, eine Sichtweise, die man etwa auch von Margot Honecker bezüglich der DDR kennt.

Man darf aber neben der ideologischen auch die machtpolitische Seite nicht vergessen: Mit der Aufgabe des grünen Denkens und der Brandmauer – und dann einer Koalition auf Bundesebene aus einer entgrünten Union und der AfD – würde nicht nur das politische Aus von Lars Klingbeil und Co. drohen. Auch andere Profiteure des desaströses Systems verlören: Man denke etwa an die NGOs, eine wird ja sogar von Klingbeils Ehefrau geleitet, und den Profiteuren grüner NGOs als Fürsprecher der „Energiewende“, die man durchaus als Schmarotzer bezeichnen könnte: Die „Energiewende“ ist zwar schädlich, sichert aber den Betreibern von Solarparks und Windkraftanlagen 20 Jahre garantierte Profite, ein Fremdkörper in einer Marktwirtschaft, wo der Wettbewerb keine Gewinngarantien kennt, sondern die Kunden jeden Tag ‚demokratisch‘ über den Erfolg eines Unternehmens abstimmen, in dem sie für dessen Angebote Geld ausgeben oder es nicht tun.

„So verblendet wie etwa Wähler in Hamburg bei der diesjährigen Bürgerschaftswahl ist man im Iran nach Jahrzehnten des Niedergangs und der Unfreiheit nicht.“

In Kuba wiederum dürfte sicherlich die Angst vor „Gorbatschow 2.0“ eine Rolle spielen: Wenn die Kommunistische Partei Kubas eine stärkere Öffnung in Form von mehr wirtschaftlicher Freiheit zugestünde, dann könnten auch vermehrt politische Freiheiten etwa in Form von freien Wahlen gefordert werden. Die KPC befürchtet dann durchaus nicht zu Unrecht, dass es ihr wie der KPdSU in der Sowjetunion 1991 erginge, dass sie nämlich infolge einer dann kubanischen „Glasnost“- und „Perestroika“-Politik die Macht verlöre oder gar ganz verschwände.

Nun ist wirtschaftliche Freiheit ohne politische Freiheit nicht nur theoretisch denkbar, sondern kommt in der Praxis auch vor – wie etwa in China, Vietnam oder Laos, wo jeweils eine sich immer noch kommunistisch nennende Partei seit Jahrzehnten marktwirtschaftliche Politik betreibt. Aber dieses Modell zeitigt bisher nur in Ostasien Erfolge und hängt wohl an den kulturellen Bedingungen dort. In Kuba, einem kulturell viel stärker (süd)europäisch geprägten Land (auch Castros Eltern stammten aus Spanien), ist wohl realistischer davon auszugehen, dass das Machtmonopol der KPC in Gefahr geriete, wenn man die Zügel im Bereich der  Wirtschaft lockern würde. Dass politische Freiheit erst recht die eigene Macht gefährdet, konnte die KPC beispielsweise von der SED lernen: Bei den einzigen freien Wahlen in der SBZ am 20. Oktober 1946 erzielte die SED nicht die absolute Mehrheit der Sitze. Daraufhin fanden in Ostdeutschland bis 1990 schlichtweg keine freien Wahlen mehr statt.

In Venezuela kann sich Maduro bei freien Wahlen nicht an der Macht halten, daher sind die massiven Wahlfälschungen und die Gewalt gegen Demonstranten für sein System überlebensnotwendig. Gefälschte Wahlen hat es auch in der DDR gegeben, bei der Kommunalwahl vom 07. Mai 1989 zeigte sich dies deutlich.

Ähnlich die Situation im Iran. Zwar gibt es trotz aller negativen Entwicklungen in allen diesen – so unterschiedlichen Systemen – ideologisch Überzeugte, bei uns sind das vor allem die Wähler der Grünen. Aber so verblendet wie etwa Wähler in Hamburg bei der diesjährigen Bürgerschaftswahl ist man im Iran nach Jahrzehnten des Niedergangs und der Unfreiheit nicht, als dass ein Mullah-Präsident oder eine bzw. mehrere Mullah-Parteien bei einer fairen, demokratischen Wahl Chancen auf eine absolute Mehrheit hätten.

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