03.06.2024
Skandale bringen die AfD nicht zu Fall
Solange vor allem die AfD gegen die Selbstgefälligkeit des Establishments aufbegehrt, wird sie gewählt – trotz tatsächlicher und vermeintlicher Skandale ihres Personals.
Es scheint, als gerate die AfD alle fünf Minuten in einen neuen Skandal. Vorletzte Woche wurde die Partei aus der Fraktion „Identität und Demokratie“ (ID) im Europäischen Parlament ausgeschlossen, und das nur gut zwei Wochen vor den Europawahlen.
Der Schritt erfolgte, nachdem Maximilian Krah, der AfD-Spitzenkandidat zur EU-Wahl geschichtsrevisionistische Äußerungen gemacht hatte. In einem Interview mit einer italienischen Zeitung hatte er zu Protokoll gegeben, er werde niemals alle SS-Männer als Verbrecher bezeichnen. Für die französische Politikerin Marine Le Pen war dies der Anlass, ihre Zusammenarbeit mit der AfD im EU-Parlament aufzukündigen. Die Partei sei eine Bewegung, die nicht richtig geführt werde und die offensichtlich unter dem Einfluss radikaler Gruppen stehe, sagte sie. Unterstützt wurde sie von den ID-Mitgliedern aus Italien, Tschechien, den Niederlanden, Dänemark und anderen Ländern – Ländern also, in denen viele durchaus noch wissen, wofür die SS stand.
Der Rauswurf der AfD aus der EU-Parteiengruppe wurde von großen Teilen der Presse mit Genugtuung kommentiert. Für viele war dies ein weiterer Beweis dafür, dass die AfD verboten gehört. Die AfD, heißt es schon lange, sei eben einfach „keine normale Partei“. Niemand in Deutschland solle in Erwägung ziehen, sie zu wählen. Sogar Marine Le Pen, so wird nun genüsslich betont, halte die AfD für zu rechtslastig.
Falls diese Kommentatoren jedoch hoffen, der jüngste Skandal werde endlich den Untergang der AfD einleiten, so dürften sie sich höchstwahrscheinlich wieder täuschen. Die AfD hat sicherlich viele Probleme und Le Pen hat durchaus Recht, wenn sie sagt, dass die Partei „von Provokation zu Provokation eilt“. Doch eines der bemerkenswertesten Dinge an der Partei ist ihr Durchhaltevermögen, trotz der offensichtlichen Unfähigkeit und widerlichen Art vieler ihrer Politiker.
„Die AfD ist seit ihrer Gründung in Skandale verwickelt."
Tatsächlich plagen Skandale die AfD seit ihrer Gründung im Jahr 2013. Überlebt hat sie z.B. ihren Gründer Bernd Lucke, der sich 2015 aus Empörung über die Hinwendung seiner Partei zur radikalen Rechten zurückzog. Auch hat sie bereits mehrere Nazi-Skandale überstanden. Wir erinnern uns z.B. an die Äußerung Alexander Gaulands, der 2018 Hitler und die NS-Zeit als „nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“ bezeichnete. Selbst die Ankündigung, dass Teile der Partei vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet werden, konnte die Wähler bisher nicht abschrecken.
Das soll nicht heißen, dass die AfD nicht gut daran täte, einige ihrer unappetitlichen Figuren auszuschließen. Maximilian Krah wäre sicher kein großer Verlust. Seine Nominierung als Spitzenkandidat der AfD im vergangenen Sommer wurde weithin als Zeichen der Stärke des rechtsextremen „Flügels“ interpretiert.
Krah ist in zahlreiche andere Kontroversen und Probleme verwickelt. Erst letzten Monat wurde sein langjähriger Mitarbeiter unter dem Verdacht der Spionage für China verhaftet. Gegen Krah selbst ermittelt das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung wegen Korruptionsvorwürfen im Zusammenhang mit Russland. Und, als ob das nicht schon schlimm genug wäre, wurde Anfang des Monats auch noch das Büro des zweitplatzierten AfD-Kandidaten für die EU-Wahlen, Petr Bystron, von der Polizei wegen Geldwäsche- und Bestechungsvorwürfen durchsucht.
Und trotzdem konnte sich die AfD in den Umfragen zu den Europawahlen bis vor Kurzem konstant auf dem zweiten Platz halten. Einer Umfrage zufolge hat sie seit dem jüngsten Nazi-Skandal nicht an Zustimmung verloren.
„Die AfD ist zu einem Vehikel geworden, mit dem die Wähler ihre Unzufriedenheit zeigen.“
Natürlich bleibt abzuwarten, wie gut die AfD bei den Wahlen tatsächlich abschneiden wird. Aber die Auguren, die in der Vergangenheit den Untergang der Partei vorhergesagt haben, sind bisher immer wieder eines Besseren belehrt worden. Einen Hinweis, dass es auch diesmal so kommen könnte, lieferten die Kommunalwahlen in Thüringen am vorvergangenen Sonntag. Anders als in manchen Zeitungen dargestellt, können sie nicht als eine Niederlage für die AfD interpretiert werden. Während die CDU mit 27 Prozent der Stimmen als Sieger hervorging, folgte ihr die AfD mit 26 Prozent dicht auf den Fersen (das war ein Plus von fast 10 Prozentpunkten gegenüber der letzten Kommunalwahl in Thüringen). Die SPD erhielt erbärmliche 12 Prozent der Stimmen. Und die Grünen und die Liberalen schafften nicht einmal fünf Prozent. Man stelle sich vor, wie groß der Jubel gewesen wäre, wenn die SPD die Ergebnisse der AfD erzielt hätte!
Unsere Eliten scheinen zu glauben, Skandale könnten die Meinung der Wähler über die AfD ändern. Aber die meisten Wähler wissen ganz genau, dass die AfD eine problematische Partei ist. So gibt es z.B. eine großen Kluft zwischen den allgemeinen Zustimmungswerten der Partei und der Popularität ihrer vielen widerwärtigen Politiker. Während beispielsweise in Thüringen bei der Landtagswahl fast 26 Prozent für die AfD gestimmt haben, zeigen Umfragen, dass nur sechs Prozent Björn Höcke vertrauen und ihn mögen. Höcke ist einer der unbeliebtesten Politiker, wenn man Umfragen glauben darf.
Warum wählen die Thüringer dann trotzdem die AfD? Des Rätsels Lösung sind und bleiben die etablierten Parteien. Sie sind es, die das Wählervertrauen verloren und die Blau-Rot-Weißen stark gemacht haben. Zwar versucht die CDU, Themen, die die AfD in den letzten Jahren besetzt hat, aufzugreifen. Aber viele Wähler betrachten die AfD dennoch als die einzige wirkliche Opposition. Sie sehen in ihr die Partei, die bereit ist, den Aufstand gegen die Lieblingsprojekte unserer Eliten zu wagen. Dazu gehören die widersprüchliche Energiepolitik, die Fixierung auf die Klimaneutralität, die Transgender-Ideologie, die Abkehr von der Meinungsfreiheit und die Immigrationspolitik. Die AfD ist zu einem Vehikel geworden, mit dem Wähler zeigen, dass sie ernst genommen werden wollen und ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck bringen können. Das ist der Grund, weshalb weder Schmierenkampagnen noch die tatsächlichen Skandale die AfD-Wähler beeindrucken.
Vor diesem Hintergrund haben die Eliten allen Grund zur Besorgnis. Die Tatsache, dass all ihre Anti-AfD-Kampagnen so grandios scheitern, zeigt, wie blind sie für die Sorgen der Wähler sind.