18.07.2012

Schnapsidee gegen das Trinken

Kurzkommentar von Christoph Lövenich

Hinter den kürzlich bekannt gewordenen Plänen des Bundesjugendministeriums, Jugendlichen abends das Ausgehen zu erschweren, dasselbe deprimierende Menschenbild und Staatsverständnis, dass die Debatten über Jugendschutz schon seit vielen Jahren bestimmt

Verbotsideen gehen der Bundesregierung nie aus, und nach dem Willen von Bundesjugendministerin Kristina Schröder (CDU) sollen auch Jugendliche demnächst nicht mehr ausgehen, jedenfalls nicht nach 20 Uhr und ohne Erziehungsberechtigte, wenn auf einer öffentlichen Veranstaltung alkoholhaltige Getränke ausgeschenkt werden. So sehen dies Pläne aus dem Haus von Ministerin Schröder vor, die dieser Tage durchgesickert sind. Betroffen wären unter 16jährige, die sich bisher halbwegs repressionsfrei auf solchen Konzerten oder Volksfesten tummeln konnten. Außerdem will man das Mindestalter für von als erziehungsberechtigt ermächtigte Begleitpersonen, etwa Geschwister, von 18 auf 21 heraufsetzen.

Sofort prasselte reger Widerspruch auf die CDU-Politikerin hernieder. Politiker diverser Parteien, etwa SPD und FDP, wiesen den Vorstoß zurück. Auf die Nutzlosigkeit und schlechte Umsetzbarkeit dieser „Ausgangssperre“ sowie auf Nachteile für Veranstalter wurde dabei verwiesen. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Doris Barnett etwa ließ verlautbaren, mit ihrer Fraktion solle es „keinen Rückfall in eine Jugendpolitik geben, die ihr Ziel in immer mehr Verboten sehe“. Dass allerdings die SPD alleine in der vergangenen Bundestags-Wahlperiode mehreren Novellierungen des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) zugestimmt hat, die allesamt Jugendliche und andere Beteiligte mit zusätzlichen Verboten gängeln, lässt sie unerwähnt. Zu nennen wären das Tabakabgabeverbot an 16- und 17-Jährige – eine Neuauflage einschlägiger nationalsozialistischer Gesetzgebung – sowie eine Verschärfung der Computerspielzensur. Möglicherweise handelt es sich bei dem aktuellen Scharmützel nur um einen Schaukampf zwischen Regierung und Opposition, ähnlich wie zum Beispiel bei mehrstufigen Tabaksteuererhöhungen (Rot-Grün ab 2003, Schwarz-Gelb ab 2010), gegen die sich jeweiliger oppositioneller Protest nur rührt, weil man das Ganze lieber selbst und in Details anders bewerkstelligen will.

Zumindest der Kinderschutzbund hat erkannt, dass etwas faul ist an dem ganzen Ansatz, den Kontakt Jugendlicher mit alkoholischen Getränken, Gewalt- oder Sexualdarstellungen zu unterbinden. „Das funktioniert in der heutigen Welt nicht mehr“, so sein Präsident Heinz Hilgers. Ob diese Position konsequent durchgehalten wird, lässt sich angesichts der Forderungen des Verbandes nach Internetsperren eher bezweifeln.

So erfreulich es also für den Moment sein mag, dass ein weiterer Verbotsexzess auf harsche Kritik stößt, die im Ganzen fehlgeleitete Richtung der Jugendschutzgesetzgebung bleibt. Es mangelt an einer grundsätzlichen Auseinandersetzung über das Menschenbild und das Staatsverständnis, die sich hinter der Regulierungsorgie im JuSchG verbergen. Ob bei Computerspielen, Horrorfilmen, Substanzkonsum oder jugendlicher Sexualität, immer sollen die vermeintlich unmündigen jungen Leute an einer harten, paternalistischen Hand in ein – ebenfalls zunehmend restringiertes – Erwachsendasein geführt werden. Dabei wird nicht nur ihnen selbst ein unbelastetes und erfahrungsreiches Ausleben der eigenen Jugend erschwert, auch die Eltern und anderen Erwachsenen werden in ihrer Rolle als Erziehungsberechtigte oder Begleiter in der Jugendphase behindert, dadurch nämlich, dass ihnen der kompetente Umgang mit Jugendlichen nicht mehr zugetraut wird. Im konkreten Ausgangsfall ginge das so weit, dass anstelle der Eltern eine Bundesministerin per Gesetz die Entscheidung trifft, ob eine 15-Jährige abends die Dorfkirmes aufsuchen darf.

Wie heißt es so treffend in einem kürzlich online erschienenen Novo-Leserkommentar (SueLaika, 02.07.2012): „Die staatlich verordnete Entflegelung von Jugendlichen wird bei aller Überbehütung nicht fruchten. Das stetige Aufbegehren von Jugend korreliert mit deren Infantilisierung. […] Ich ermuntere Erwachsene gerne, sich ihrer Jugendzeit zu erinnern, einer Zeit der Metamorphose, in der Reibungsflächen ebenso wichtig sind wie Fehltritte, Unachtsamkeiten und vorübergehende Schieflagen. Ein sich entwickelndes Koordinatensystem von Normen, Werten und Einstellungen benötigt polarisierende Themen und Erfahrungen, an denen man sich abarbeiten kann, zumeist ohne die gutmeinende Hilfe der Altvorderen.“

Fest steht, dass im Rahmen der anstehenden neuerlichen Novellierung des JuSchG wenn auch vielleicht nicht das Ausgehverbot, so doch weitere Einschränkungen beschlossen werden. So liest und hört man von nächtlichen Verkaufsverboten für alkoholhaltige Getränke nach baden-württembergischem Vorbild, Altersgrenzen bei der Einfuhr von Tabakwaren oder beim Online-Kauf von Alkohol.

Fest steht ebenfalls, dass die Jugendlichen sich von immer neuer solcher Bevormundung nur sehr begrenzt beeindrucken lassen und ihre Mittel und Wege finden werden, all das kreativ zu umgehen.

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