01.08.2017

Rauchverbote zerstören die Kneipenkultur

Analyse von Rob Lyons

Titelbild

Foto: adambluaje0 via Pixabay

Gesetzliche Rauchverbote in der Gastronomie haben dem sozialem Leben in Großbritannien geschadet, zeigt die Bilanz nach zehn Jahren.

Am 1. Juli jährte sich die Einführung des Rauchverbotsgesetzes in England zum zehnten Mal. Das Gesetz untersagt seit 2007 das Rauchen an Arbeitsplätzen und an einer Vielzahl öffentlicher Orte. An vielen Arbeitsplätzen waren Raucher bereits vorher in spezielle Räume verbannt bzw. das Rauchen generell verboten worden. Obwohl ein Ärgernis, war das Verbot also nur die Fortsetzung eines bereits bestehenden Trends. Wo es jedoch wirklich einschlug, war in den Gaststätten. Sie haben sich verändert, oft zum Schlechten. Viele traditionelle Kneipen verschwanden ganz, als die Gäste ausblieben.

Es hätte nicht so kommen müssen. Der ursprünglich 2005 im Wahlprogramm der damals regierenden Labour Party propagierte Gesetzesvorschlag sah noch eine gewisse Flexibilität beim Rauchverbot vor. So sollten einerseits reine Schankwirtschaften, die keine Speisen anbieten, vom Verbot ausgenommen sein. Auch private Klubs – sowohl die noblen Londoner Herrenklubs als auch die der Arbeiter überall im Land – hätten die Freiheit haben sollen, die Umsetzung des Verbotes jeweils vom Willen ihrer Mitglieder abhängig zu machen.

Es gab also offensichtlich noch Stimmen innerhalb der Labour Party, die sich der Wurzeln der Partei in der Arbeiterklasse bewusst waren. Insbesondere der zeitweilige Gesundheitsminister John Reid machte sich dafür stark, dass man ärmeren Leuten ihre kleinen Freuden – auch das Rauchen – erlauben und der Staat sich nicht übermäßig darin einmischen sollte. Reid wurde später bei einer Kabinettsumbildung jedoch durch Patricia Hewitt ersetzt, die für solche Spitzfindigkeiten nichts übrig hatte.

„Die Behauptung, Passivrauchen sei tödlich, stand schon immer auf wackligen Füßen.“

Es folgte viel Lobbyarbeit seitens der Gesundheitsorganisationen mit dem Ziel, das Verbot umfassender zu gestalten. Ausnahmen würden Leben kosten, hieß es. Seltsamerweise argumentierte auch der britische Kneipenverband, dass es unfair sei, das Rauchen in einigen Klubs und Gaststätten weiterhin zu erlauben. Sonderregelungen wurden nach und nach zurechtgestutzt, bis das Rauchverbot schließlich ausnahmslos für alle Gaststätten gelten sollte – anrüchiger Weise mit Ausnahme der Bars im Parlamentsgebäude.

Wie sieht nun zehn Jahre später die Bilanz des Verbotes aus? Zunächst ist festzuhalten: Die Auswirkungen auf die Gesundheit sind gering bis nichtexistent. Das überrascht wenig, denn die Behauptung, Passivrauchen sei tödlich, stand schon immer auf wackligen Füßen. Die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien sind weitgehend inkonsistent, und zumindest zwei einschlägige Arbeiten aus den letzten 15 Jahren kommen zu dem Ergebnis, dass das Risiko für die Mehrzahl der Menschen so gering ausfällt, dass es statistisch gar nicht ins Gewicht fällt.

Das tat der Verbreitung unseriöser Behauptungen jedoch keinen Abbruch. Da war zum einen das bizarre Märchen vom „Herzinfarktwunder“: Die Zahl koronarer Vorfälle würde nach Inkrafttreten von Rauchverboten stark einbrechen. Der erste Ort, wo man dies beobachtet haben wollte, war die Kleinstadt Helena im US-Bundesstaat Montana mit derzeit 28.000 Einwohnern. In einem Artikel im British Medical Journal wurde behauptet, Herzinfarkte seien dort während eines kurzzeitigen Rauchverbots um 40 Prozent zurückgegangen. Relevanter ist eine Studie, die den Schotten nach der Einführung des Rauchverbots 2006 eine um 17 Prozent geringere Herzinfarktrate attestierte. Nach genauerer Betrachtung fiel das vermeintliche Wunder allerdings so weit in sich zusammen, dass am Ende überhaupt keine Verringerung des Herzinfarktrisikos aufgrund von Rauchverboten mehr einwandfrei belegbar war.

„Nach dem Rauchverbot stabilisierte sich die Raucherquote, die vorher gefallen war.“

Die zweite große Behauptung war, dass Raucher, wenn sie nicht mehr bequem drinnen rauchen dürfen, schließlich das Handtuch werfen und mit dem Rauchen ganz aufhören würden. Tatsächlich aber stabilisierte sich die Raucherquote, die jahrzehntelang stetig gefallen war. Erst mit der Verbreitung der E-Zigarette begann sie wieder zu fallen. Anstelle einer staatlich verordneten Einschränkung war es also das Aufkommen eines fast gleichwertigen Alternativproduktes, das Raucher zum Aufhören bewog.

Die tatsächliche Folge des Rauchverbots bestand vielmehr darin, dass viele der Gastronomie ferngeblieben sind. Wieso sollte man auch draußen bei Wind und Wetter herumstehen, wenn man zu Hause billiger trinken und dabei rauchen kann, wie es einem beliebt? Die Gaststätten haben darauf in zweierlei Weise reagiert. Wer über den entsprechenden Platz verfügte, richtete draußen komfortable Raucherzonen mit Regenschutz und Heizstrahlern für den Winter ein. Andererseits kompensierte man den verlorengegangenen Umsatz durch ein größeres und besseres Speisenangebot.

Manchen Lokalen war jedoch beides nicht möglich. Beispielsweise gab es Schankwirtschaften, die nicht über die entsprechende Kücheneinrichtung verfügten oder deren Kundschaft sich für die Kneipenküche nicht sonderlich begeistern konnte. Und es gab Gaststätten ohne eigenen Außenbereich, besonders die Eckkneipen in Wohngebieten, deren Nachbarn sich umgehend über die lauten und rauchenden Gäste auf der Straße beschwerten. Es sind genau diese Kneipen – besonders in den ärmeren innerstädtischen Bezirken des Landes –, die unter dem gesetzlichen Rauchverbot besonders gelitten haben.

Wie viele Gaststätten durch die Verbote zugrunde gegangen sind, lässt sich kaum beziffern. Zahlen der Raucherorganisation Forest zeigen allerdings, dass es nun 12.000 weniger Gaststätten in England und Wales gibt als vor Inkrafttreten des Gesetzes. Natürlich hat es seitdem auch eine herbe Wirtschaftskrise gegeben, und die Gastronomie hatte durch steigende Immobilienpreise und Getränkesteuern ohnehin mit einer schwierigen Situation zu kämpfen. Da in Schottland und Irland die Rauchverbote allerdings schon deutlich vor dem Beginn des wirtschaftlichen Abschwungs durchgesetzt wurden, lässt sich die Beschleunigung des Kneipensterbens unabhängig von anderen Faktoren auch darauf zurückführen.

„Die Beschleunigung des Kneipensterbens lässt sich auch auf das Rauchverbot zurückführen.“

Der Verlust von Gaststätten ist mancherorts frappierend. Ein Bericht der Universität Sheffield aus diesem Jahr verzeichnet bei der Anzahl von Kneipen, Bars und Klubs im Umkreis der sozial schwächsten Gegenden des Landes einen Rückgang von 30 Prozent seit dem Rauchverbot, beispielsweise in Tower Hamlets in London, Oldham in Nordwestengland und West Bromwich bei Birmingham. Eine Studie im Auftrag des Londoner Bürgermeisters kam zu dem Schluss, dass die Stadt ein Viertel ihrer Gaststätten eingebüßt hat, wobei die Bezirke Barking and Dagenham (56 Prozent) und Newham (52 Prozent) am stärksten betroffen waren. Noch einmal: Dies lässt sich nicht allein auf das Rauchverbot zurückzuführen, aber es spielte eine wichtige Rolle.

Und Gaststätten sind wichtig. Die US-amerikanische Sitcom Cheers hat sehr schön vor Augen geführt, wie sie denjenigen, die sich ansonsten damit schwertun, ein soziales Umfeld bieten und einen Ort, „wo jeder jeden kennt“ als Gegenmittel zu Einsamkeit und Isolation. Gaststätten sind bedeutende soziale Knotenpunkte der Gesellschaft. Es ist kein Zufall, dass die Autoren populärer britischer Seifenopern die Gaststätte in den Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens stellen. Die Fernsehkulissen stehen stellvertretend für genau die Art von Kneipen, deren Gegenstücke in der realen Welt vom Rauchverbot besonders hart getroffen werden.

Beim Aufrechnen der Vor- und Nachteile des Rauchverbotsgesetzes sollten wir den Schaden im Auge behalten, den es den Gaststätten und ihren Gästen zugefügt hat. Es mag sein, dass viele sich nun über angenehm rauchfreie Abende in der Kneipe freuen. Es wäre jedoch möglich gewesen, die sich ändernden Ansprüche der Gäste ohne den absolutistischen Ansatz der Gesundheitslobby unter einen Hut zu bringen. Bessere Belüftung, separate Raucherräume und andere Maßnahmen hätten wahrscheinlich einen praktikablen Kompromiss ermöglicht. Stattdessen haben wir nun ohne großen gesundheitlichen Gewinn viele unserer Kneipen verloren – zum Nachteil der Betriebe, der Kundschaft, und vor allem der persönlichen Freiheit.

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