23.05.2017

Pyrrhussieg für die Schweizer Kernkraftgegner

Analyse von Fred F. Mueller

Titelbild

Foto: Felix_Broennimann via Pixabay / CC0

Die Schweizer haben für eine Energiewende nach deutschem Vorbild gestimmt. Sie können sich auf explodierende Kosten und Umweltschäden gefasst machen.

Die Schweiz hat am Sonntag in einer Volksabstimmung über ihre künftige Energiepolitik entschieden. Nach jahrelanger Intensivberieselung der Bevölkerung mit Angstparolen – Angst vor „dem Atom“, Angst vor der „Klimakatastrophe“ – hat es eine Koalition aus Politik, profitorientierten Verbänden, „Umwelt“-Verbänden sowie den ihnen hörigen Medien geschafft, das Volk zu einem sehr eindeutigen „Ja“ zur sogenannten „Energiestrategie 2050“ zu überreden. Doch Grund zum Jubeln haben weder das Volk noch die Verantwortlichen, denn letztere sind jetzt in der Pflicht, Dinge zu liefern, über deren Machbarkeit und Kosten sie sich eigentlich ebenso wenig im Klaren sind wie die Bürger. Die Konsequenzen werden sich in den nächsten Jahren herausstellen und sich für die verantwortlichen Parteien schon bald als Fluch erweisen.

Was beschlossen wurde, ist nämlich nur Stückwerk ohne klare Ziele. Man hat sich in der für „grüne“ Politik typischen Art zur Vernichtung bestehender Lösungen entschieden, ohne eine zuverlässige, verfügbare und bezahlbare Technologie in der Hand zu haben, mit der man das Vorhandene ersetzen kann. Ab sofort gleicht die Schweiz bezüglich ihrer Energiepolitik einer Swissair-Maschine, die abgehoben hat, ohne zu wissen, ob es am Ziel überhaupt einen Flughafen geben wird. So hat man den Bau neuer Kernkraftwerke verboten, ohne klare Ziele zu haben, wie man die bestehenden Kernkraftwerke nach ihrem technischen Aus ersetzen könnte. Immerhin haben diese bisher knapp 40 Prozent des Schweizer Stroms geliefert, während fast 60 Prozent auf die Wasserkraft entfielen. Allerdings sind die Wasserkraftpotenziale der Schweiz damit auch schon weitgehend ausgereizt. Wesentliche Steigerungen ließen sich nur durch Raubbau an der Natur erzielen. Da die Wasserkraft zudem im Winter wegen des Einfrierens der Zuflüsse im Gebirge Kapazitätseinbußen hinnehmen muss, zeichnen sich vor allem für die Wintermonate Engpässe ab. Wie man diese überbrücken soll, ohne die CO2-Bilanz durch fossil befeuerte Kraftwerke zu verschlechtern, ist unklar.

Der Volksentscheid bedeutet das definitive Aus für die Schweizer Kernkraft. Der Bau neuer Kernkraftwerke wird verboten. Zwar sollen die aktuell noch fünf vorhandenen Kernkraftwerke zeitlich unbegrenzt weiterlaufen dürfen, solange ihr Betrieb als sicher eingestuft wird, doch ist bereits jetzt eines davon zur Stilllegung im Jahr 2019 vorgesehen. Da ihr Strom zudem nach dem Willen des Nationalrats zugunsten von Strom aus Wasserkraft von der Grundversorgung ausgeschlossen werden soll, könnte der Kernkraft schon verfrüht das wirtschaftliche Aus drohen. Wie man die Leistung dieser zuverlässig verfügbaren Stromproduzenten mit unzuverlässigem Strom aus Wind und Sonne ersetzen will, ist nicht geklärt.

„Man hat sich zur Vernichtung bestehender Lösungen entschieden, ohne eine zuverlässige, verfügbare und bezahlbare Technologie in der Hand zu haben, mit der man das Vorhandene ersetzen kann.“

Die als Alternative angepriesen Solar- und Windkraftwerke werden die landschaftliche Attraktivität der Schweiz unweigerlich zerstören. Es darf bezweifelt werden, ob sich dies positiv auf den bereits seit Jahren schwächelnden Tourismus auswirken wird. Der zur Förderung „erneuerbarer Energien“ erhobene Zuschlag auf jede Kilowattstunde wird zudem von 1,5 auf 2,3 Rappen pro kWh erhöht, was einem Zuwachs von etwa 11 bis 12 Prozent entspricht.

Als die Gegner darauf hinwiesen, dass die neue Energiestrategie Kosten von 200 Milliarden Schweizer Franken verursachen würde, wurden sie mit Hohn und Spott übergossen. Die Befürworter sprachen stattdessen von 40 Schweizer Franken pro Familie und Jahr. So etwas kennt man aus Deutschland, wo der Grüne Bundesumweltminister Jürgen Trittin behauptete, das dortige Erneuerbare Energien Gesetz werde die Bevölkerung nicht mehr kosten als eine Kugel Eis im Monat. Heute zahlt der deutsche Michel dafür bekanntlich 27 Milliarden Euro im Jahr , und die Tendenz geht immer weiter nach oben.

Verschwiegen wird von den Befürwortern, dass der Verband Schweizer Elektrizitätsunternehmen bereits vor rund sechs Jahren die Kosten für eine Schweizer „Energiewende“ mit bis zu 150 Milliarden Schweizer Franken bezifferte. Die heute von den Gegnern genannten 200 Milliarden Schweizer Franken sind demnach realistisch. Allerdings ist es der Politik gelungen, den Verband mit Versprechungen und politischem Druck zu spalten, so dass er sich inzwischen zum Befürworter gewandelt hat. An der Korrektheit der damals von seinen Fachleuten ermittelten Zahlen ändert dies jedoch nichts. Rechnet man die 200 Milliarden auf 8,5 Millionen Einwohner um, so wird jeder Schweizer Bürger mit 23.000 Franken zur Kasse gebeten, was pro Jahr 713 Franken ergibt. Für eine vierköpfige Familie summiert sich dies auf insgesamt 94.000, beziehungsweise auf jährlich 2852, Franken – gut das 71-fache der „amtlichen“ 40.

„Vermutlich werden – ähnlich wie auch im großen Vorbild Deutschland – die energieintensivsten Industrien in andere Länder abwandern.“

Eine weitere Sollbruchstelle der Energiestrategie 2050 sind die Erwartungen bezüglich der Minderung des Stromverbrauchs. Nur mit dieser angenommenen Verringerung lässt sich die Abschaffung der Kernkraft überhaupt rechtfertigen. Als Richtwerte gelten derzeit ein gegenüber dem Jahr 2000 um 16 Prozent verringerter Energiebedarf bis zum Jahr 2020. Bis 2035 soll eine Reduktion von 43 Prozent erreicht werden. Beim Strom liegen diese Zahlen bei -3 Prozent respektive -13 Prozent. Wie dies mit dem gegenläufigen Trend in anderen Industrienationen sowie mit der erwarteten Erhöhung des Anteils an stromfressender Elektromobilität im Verkehr zur Deckung zu bringen sein wird, dürfte sich noch als spannend erweisen. Vermutlich werden – ähnlich wie auch im großen Vorbild Deutschland – die energieintensivsten Industrien in andere Länder abwandern. Man mag bezweifeln, dass sich dies positiv auf den Arbeitsmarkt auswirken wird.

Ein gerade in der Schweiz sensibler Punkt der Energiestrategie 2050 ist die Aufweichung des Naturschutzes zugunsten der „erneuerbaren Energien“. Deren Gewinnung ist künftig ein nationales Interesse, was die Errichtung von Anlagen in Naturschutzgebieten erleichtern wird. Zudem werden Klagemöglichkeiten dagegen deutlich eingeschränkt. Ich warte mit Spannung auf die Spagatübungen der angeblichen „Naturschützer“ von WWF oder Greenpeace, die zugleich Befürworter der Energiestrategie 2050 sind.

Auch wenn diese Wahlrunde für die Gegner der Energiestrategie 2050 mit einer krachenden Niederlage ausgegangen ist, sollte man den Mut nicht sinken lassen. Das war angesichts der seit Jahren betriebenen Desinformationskampagne – zum Beispiel durch die COOP-Zeitung an alle Haushalte, in der Schülern erklärt wurde, CO2 sei „giftig“ – kaum zu vermeiden. Doch jetzt müssen die Befürworter dieser Politik liefern, sie haben keine Ausreden mehr. Und 2020 ist gar nicht mehr so weit entfernt. Jetzt ist es an der Zeit, alles zu dokumentieren, was dem Volk so erzählt wurde, jeden Namen und jeden Spruch aufzuzeichnen. Wir sollten die verantwortlichen Politiker und Organisationen in den nächsten Jahren ständig damit konfrontieren, wenn es mal wieder darum geht, dem Bürger wegen angeblich „unvorhersehbarer“ Kostensteigerungen in die Geldbörse zu greifen. Auf einige politische Karrieren dürfte sich das nicht besonders positiv auswirken. Dafür gibt es ein historisches Vorbild: Schon in der Antike musste der Feldherr Pyrrhus die Erfahrung machen, dass manche Siege so teuer kommen, dass sie den Auftakt für künftige Niederlagen bilden.

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