28.05.2021

Öko-Landbau und Agrarzukunft

Von Martin Körschens

Titelbild

Foto: USDA via Flickr

Die ökologische Landwirtschaft nimmt kaum zu und das ist auch gut so.

Die Landwirtschaft hat in den letzten Jahrzehnten sehr große Fortschritte im Hinblick auf Ertragshöhe und -qualität, Bodenfruchtbarkeit und Umweltschutz erreicht. Die praxisorientierte Agrarforschung hat, insbesondere in der zweiten Hälfte des 20 Jahrhunderts und insbesondere auf dem Gebiet der Pflanzenernährung und Düngung, intensiv und sehr erfolgreich gearbeitet. Man weiß heute sehr genau, welche Nährstoffe die Pflanze in welcher Menge, in welcher Form und zu welchem Zeitpunkt benötigt.

Damit ist abgesichert, dass der Boden entsprechend den gültigen Richtwerten mit allen notwendigen Nährstoffen versorgt wird und über eine gezielte, wissenschaftliche begründete Düngung Nahrungsmittel mit hoher Qualität erzeugt werden. Die Erträge haben sich in den letzten Jahrzehnten verdreifacht, unsere Lebensmittel waren noch nie so gut, so billig und so gesund wie heute. Wir geben nur noch 11 Prozent unseres Einkommens für Nahrung aus. Der Öko-Landbau hat bei dieser Entwicklung keine Rolle gespielt. „Der ökologische Landbau kann in unserer Gesellschaft überhaupt nur prosperieren, weil die sichere Grundversorgung durch die übrige Landwirtschaft gewährleistet wird“.1

In den Supermärkten werden z. B. mehr als 100 Käsesorten, unzählige Brotsorten und Backwaren angeboten, zu jeder Jahreszeit werden (fast) alle Obst- und Gemüsearten frisch angeliefert, von der Vielfalt der Fleisch- und Wurstwaren ganz zu schweigen.

Nach allen bisherigen Erfahrungen setzt sich eine gute Sache auch ohne aufwendige Werbung durch, wenn Gebrauchswert, Qualität und Preis überzeugen. Beim Öko-Landbau (ÖL) ist es umgekehrt. Obwohl seit Jahrzehnten eine stark übertriebene, politisch motivierte Werbung betrieben wird und die konventionelle Landwirtschaft diskriminiert, beleidigt und sogar in die Nähe von Kindermördern gerückt wird (letzteres geschehen in der ZDF-Sendung „Alarm auf dem Acker“ am 06. Oktober 2013), hat der ÖL, entgegen öffentlichen Bekundungen und politischen Zielstellungen, nur marginal zugenommen.

„Die Erträge im Öko-Landbau betragen nur rund 50 Prozent im Vergleich zum konventionellen Landbau.“

Aber zunächst die Fakten, wie sie bekannt, unter www.agrarfakten.de genannt, begründet und auch unbestreitbar sind:

  • Die Erträge im ÖL betragen nur rund 50 Prozent im Vergleich zum konventionellen Landbau (KL). Z. B. werden im ÖL nur 45 Prozent des „normalen“ Weizenertrages erreicht.2
  • Bessere Qualität oder Geschmack sind nicht nachgewiesen, im Gegenteil.
  • 53 Tote als Folge von EHEC über einen Biobetrieb verbreitet (2011), Nitrofen-Skandal (2001), Dioxin in Bio-Eiern (2005) etc.
  • Die Subventionen liegen 150 Euro pro Hektar über denen des KL und die Preise betragen bis zu 250 Prozent.
  • Eine bessere Humusversorgung im ÖL, wie sie z. T. unterstellt wird, ist nicht zu begründen. Die Humusversorgung der Böden kann nur über die Biomasse der gewachsenen Pflanzen gesichert werden, was bei nur 50 Prozent Ertrag (das betrifft auch die Ernte- und Wurzelrückstände) sicher nicht möglich ist, auch wenn im ÖL angeblich mehr mit „humusmehrenden“ Pflanzenarten gearbeitet wird. Aber die Menschen essen Brot (Getreide), Kartoffeln, Zucker, Gemüse (der ÖL produziert zu über 70 Prozent  sog. „Humuszehrer“) und ernähren sich weniger von Kleegras, das sie nur in Form von Fleisch und Milch verzehren, vorausgesetzt, dass sie keine Veganer sind.

Ein Leserkommentator zu einem Artikel weist zudem auf folgenden Umstand hin:

„Sehr selten kommt zur Sprache, dass die konventionelle Landwirtschaft durch ihre wirksame Unterdrückung von Schädlingen und Unkräutern sozusagen einen Herdenschutz für die Bio-Landwirtschaft bietet, ähnlich dem der Geimpften gegenüber den Ungeschützten. Steigt die Bio-Rate über einen bestimmten Prozentsatz, wird die Schädlingsanzahl exponentiell ansteigen, wir hätten Zustände wie vor der industriellen Produktion der Schädlingsbekämpfungsmittel. Und die waren verheerend, wie man leicht rausfinden kann. Bei gleichgroßer Anbaufläche konnten damals nicht einmal 20% der heutigen Bevölkerung sicher ernährt werden.“

1995 hat das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH im Auftrag von BUND und Misereor eine Studie zum Thema „Zukunftsfähiges Deutschland“ erarbeitet. Dort heißt es: „Als Ziel wird hier die flächenhafte Einführung des ökologischen Landbaus bis 2010 vorgeschlagen. Dies schließt den vollständigen Verzicht auf den Einsatz von Bioziden und synthetischen Stickstoffdüngern ein“.3 Nicht erst heute kann diese Empfehlung als (noch sehr höflich ausgedrückt) unqualifiziert und unverantwortlich bezeichnet werden.

„Ein gesundes Beharrungsvermögen hat bisher eine nennenswerte Ausweitung des Öko-Landbaus verhindert und damit die Fehlentwicklung in Grenzen gehalten.“

Gleiches gilt für die Leopoldina. In einer Studie wird behauptet, dass „Ackerböden in der EU-25 seit geraumer Zeit jährlich etwa 3 Prozent ihres Kohlenstoffs verlieren“.4 Diese Behauptung ist falsch, völlig unbegründet, unqualifiziert und unverantwortlich. Damit wird der Landwirtschaft unterstellt, dass sie Raubbau betreibt und die Bodenfruchtbarkeit vernachlässigt. Das Gegenteil ist der Fall und auch hinreichend bewiesen.

Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (SRU) hat in seinem Umweltgutachten 2004 eine Steigerung des Anteils der ökologisch bewirtschafteten Landflächen von 3,2 Prozent im Jahre 2000 auf 20 Prozent im Jahre 2010 vorgesehen. Diese Aussage ist auch im Konzept des Bundeskanzleramtes 2001 enthalten – eine laienhafte und politisch motivierte Zielstellung.

Die Angaben zum Umfang der ökologisch bewirtschafteten Flächen sind sehr unterschiedlich. Gegenwärtig wird der Anteil des ÖL mit 9,1 Prozent angegeben. Das wäre im Vergleich 2000 eine Steigerung von 6 Prozent im Verlaufe von zehn Jahren. Bei den 9,1 Prozent sind jedoch offensichtlich „ertragsarmes und aus der Erzeugung genommenes Dauergrünland“ (Statistisches Bundesamt) sowie Streuobstwiesen etc. einbezogen. Bei einer realen Einschätzung der Veränderungen des ÖL ist aber vorrangig das Ackerland von Interesse, das ist ein ehrliches und kontrollfähiges Kriterium. Hier ergibt sich ein ganz anderes Bild: Von 2009 bis 2016 wurde der Anteil an ökologisch bewirtschaftetem Ackerland von 415.000 ha (= 3,5 %) auf 510.000 ha (= 4,3 %), d. h. um jährlich nur 0,1 Prozentpunkte erhöht.5

Ein gesundes Beharrungsvermögen hat bisher eine nennenswerte Ausweitung des Öko- Landbaus verhindert und damit die Fehlentwicklung in Grenzen gehalten. „Die Zukunft kann nur im Konzept des integrierten Landbaus liegen: Orientierung der Mineraldüngung auf das ökologisch und ökonomisch vertretbare Optimum und Einsatz von Pflanzenschutzmitteln nach dem Schadschwellenprinzip“, heißt es in einem Statement der Internationalen Arbeitsgemeinschaft für Bodenfruchtbarkeit in der IUSS (März 2002). Wolfgang Haber beurteilt es ebenso: „ Erst wenn der Mensch genug zu essen hat kann er sich um seine Umwelt kümmern. Für diesen Ansatz – größtmöglicher Ertrag bei bestmöglichem Schutz der Natur – steht seit Jahrzehnten das Konzept der integrierten Landwirtschaft.“6

Die Bundesregierung hat nun das Ziel von 20 Prozent Öko-Landbau auf das Jahr 2030 vertagt („Zukunftsstrategie ökologischer Landbau“). Hier ist der Weg das Ziel. Das Ziel selbst wird auch in den nächsten zehn Jahren (zum Glück) nicht erreicht.

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