16.11.2018
Nicht zu viel über seine Wurzeln grübeln (1/3)
Von Martin Bartholmy
Zur schwarzen Bürgerrechtsbewegung in den USA gehört der Aufstieg und Niedergang des schwarzen Nationalismus im 20. Jahrhundert, wie er nicht zuletzt von Malcolm X verkörpert wurde.
„Lotta niggas go to prison,
How many come out Malcolm X?
I know, I’m not shit,
Can’t even talk about the rest.
Famous last words: You under arrest.”
(The Roots: Tip the Scale)
Ist das, was wir sind, ist das, was uns ausmacht, ist also unsere Identität etwas Innerliches, ist sie etwas Äußerliches? Ohne langes Überlegen würden die meisten auf diese Frage vielleicht antworten, dass unsere Identität – oder sagen wir: unser Selbst – innerlich ist, denn geht es dabei nicht um das, was uns im Kern ausmacht, also um unsere Essenz? Andererseits, tief in uns hineinschauen können nur wir selbst (und auch da gibt’s blinde Flecken) – und wird überhaupt unser Selbstbild nicht, viel stärker als durch uns, durch die Anderen um uns herum bestimmt, die uns quasi als Echokammer dienen? Zumal es von diesen Anderen sehr viel mehr gibt als von uns, und wir uns in den Anderen, wenn nicht erkennen, so doch von ihnen anerkannt sehen wollen.
„Neger mit geglättetem Haar und Frauen, die Perücken tragen, sind allesamt sehr viel lächerlicher als eine Slapstickkomödie. Man muss sich, sieht man’s, fragen, ob der Neger jeden Begriff von seiner Identität, jeden Bezug zu sich selbst ganz und gar verloren hat.“1
„Die Autobiografie von Malcolm X, aufgezeichnet von Alex Haley, ist in den USA eines der einflussreichsten Bücher über Selbstfindung und Selbsterfindung.“
Die Autobiografie von Malcolm X, aufgezeichnet von Alex Haley, ist neben jenen von Benjamin Franklin und Henry Adams, in den USA eines der einflussreichsten Bücher über Selbstfindung und Selbsterfindung, und international übertrifft es die beiden anderen sogar an Wirkung. Beigetragen zu diesem Erfolg hat auch der krimiartige Spannungsbogen – das Buch beginnt mit Morden, endet mit der (von ihr selbst angekündigten) Ermordung der Hauptfigur, und dazwischen liegt Malcolms Laufbahn als Verbrecher, seine Zeit im Gefängnis. Selbstfindung und Selbsterfindung stehen dabei in unmittelbarem Zusammenhang mit der Gewalt, denn, wie Malcolm erzählt, wurde sein Vater zu einem Anhänger und Propagandisten von Marcus Garveys „Universal Negro Improvement Association“ (UNIA), da drei seiner Brüder von Weißen ermordet wurden. Und auch Malcolms Vater, Earl Little, starb später durch die Hand weißer Rassisten, seine Mutter verlor in der Folge den Verstand, die Familie wurde auseinandergerissen und, nach krimineller Laufbahn, fand und erfand sich Malcolm im Gefängnis neu, nämlich als schwarzer Moslem, genauer als Anhänger und schließlich als Prediger der „Nation of Islam“ des Ehrenwerten Elijah Muhammed.
Zurück nach Afrika?
„Zurück nach Afrika“, wie Marcus Garvey es forderte – Hep Cat im Zoot Suit 2, zugedröhnt, mit geglättetem Haar als Hustler in Harlem –, abstinenter Moslem, der gegen den „teuflischen weißen Mann“ predigt: drei Entwürfe davon, wer man sein könnte, als Schwarzer in den USA; drei Entwürfe, die, so scheint es, nichts miteinander zu tun haben. Oder doch? Geht es nicht allemal darum, sich eine Identität zu schaffen, eine Identität, die versucht, aus dem Wahnsinn, als Schwarzer und Nachfahre von Sklaven in den segregierten USA zu leben, Sinn zu stiften – eine Identität, die ein Leben ohne Ansehen und Würde verwandelt in ein Leben, auf das man stolz sein kann und in dem man Rechte hat. Während sich Weiße auf die Pilgerväter als ihre Ahnen berufen mögen, also auf jene englischen Puritaner, die Glaubensfreiheit suchten und, der Legende nach, die neue Welt betraten, als sie auf dem Fels von Plymouth landeten, verhält es sich, wie Malcolm treffend formulierte, für die Schwarzen anders: „Wir landeten nicht auf dem Fels von Plymouth, der Fels von Plymouth landete auf uns.“
Wie können bei dieser so anderen Geschichte schwarze Identitäten entstehen, die zugleich US-amerikanische Identitäten sind? Worin bestehen die drei genannten Lebensentwürfe? Bei Marcus Garvey geht es um Rassenstolz und Nationalismus:
„In der New York World erschien am 15. Januar 1923 ein Artikel von Dr. Clark Wissler und Dr. Franz Boas, in welchem diese bekräftigten, dass die marokkanischen und algerischen Truppen, welche Frankreich beim Einmarsch in Deutschland einsetzt [bei der Besetzung des Rheinlandes], nicht als Neger klassifiziert werden können, da sie dieser Rasse nicht angehören. […] Bei diesen Anthropologen ist es üblich, einen Schwarzen, sei er Marokkaner, Algerier oder Senegalese etc., sobald er irgendetwas Bedeutendes leistet, nicht weiter als Neger zu bezeichnen. Es stellt sich folglich die Frage, ‚Was ist ein Neger?‘ Die Antwort lautet, ‚Ein Neger ist eine Person dunkler Hautfarbe oder Rasse, welche nichts geleistet hat und der andere keinen Dank schulden.‘“3
Dem setzte Garvey Folgendes entgegen:
„Um Afrika zu befreien, müssen wir uns zuerst selbst befreien – und zwar gedanklich, seelisch und politisch. […] Der neue Neger ersehnt eine eigene Nation. Wir glauben, wenn nationale Identität für die angelsächsische Rasse gut ist, wenn nationale Identität für die anglo-amerikanische Rasse gut ist, wenn nationale Identität für die japanische Rasse, für die chinesische Rasse, für jede Rasse in der Welt gut ist, dann ist sie auch gut für unsere großartige schwarze Rasse.“4
Auch die Nation of Islam propagiert den Stolz auf die schwarze Rasse und dazu den Bruch mit der weißen, christlichen Religion, all dies jedoch in einer religiösen Form (die im Übrigen mit dem Islam wenig zu tun hat):
„Der ursprüngliche Mensch war schwarz und lebte im Erdteil Afrika, dort, wo die Spezies Mensch auf Erden entstand. Der schwarze Mann, der ursprüngliche Mann, errichtete große Reiche, Zivilisationen und Kulturen, während der weiße Mann noch auf allen Vieren in Höhlen lebte. […] Das größte Verbrechen der Geschichte war der Handel mit schwarzem Fleisch, zu dem es kam, als der weiße Mann nach Afrika ging und Millionen schwarzer Männer, Frauen und Kinder entführte, in Ketten legte und in den Westen brachte, wo sie schuften mussten und als Sklaven gefoltert wurden. Der teuflische weiße Mann nahm diesen schwarzen Menschen alles Wissen um ihre eigene Art und trennte sie von ihrer eigenen Sprache, Religion und vormaligen Kultur, so lange, bis der schwarze Mann in Amerika die einzige Menschenrasse auf Erden war, die rein gar nichts über ihre wahre Identität wusste.“5
Hepsters
Schwarze Hep Cats würden über solche Stories natürlich lachen. Sie sind weltlich, cool und unpolitisch:
„Ich wurde vermessen, und der junge Verkäufer nahm einen Zoot Suit von der Stange, der komplett irre aussah: himmelblaue Hosen, an den Knien einen dreiviertel Meter weit, und nach unten hin verengten sie sich auf 30 Zentimeter, dazu ein langer Mantel, der mir in die Taille schnitt und unterhalb der Knie weit ausbauschte. […] Dazu, sagte er, bräuchte ich einen Hut und ich nahm einen – er war blau, und die zehn Zentimeter breite Krempe zierte eine Feder. Dazu schenkte mir das Geschäft noch eine lange, dicke, vergoldete Kette, die bis unter den Mantelsaum herabhing.“6
Zu diesem Outfit gehörte zwingend das oben beschriebene, geglättete Haar, wozu eine Lauge mit dem absurden, afrikanisch klingenden Namen „Congolene“ benutzt wurde, welche, wie Malcolm anschaulich beschreibt, in der Anwendung sehr schmerzhaft war und einem leicht die gesamte Kopfhaut verbrennen konnte. Dieses Ritual der Identitätserfindung ist durchaus nicht so ungewöhnlich und brutal, wie man auf den ersten Blick meinen könnte. Es ist ein altes, abgelebtes Ritual, und nur deshalb wirkt es seltsam, denn nicht weniger schmerzhaft (aber sehr viel dauerhafter) sind Tätowierungen, Piercings und diverse Schönheitsoperationen.
„Wurde man erst einmal als Schwarzer identifiziert, war es mit der Gleichheit vorbei.“
Kann man aber eine solche Mode vergleichen mit Religion, mit Politik? In allen drei Fällen geht es nicht darum, sich irgendeine Identität zu erfinden; es geht um ein besonderes Problem – das der schwarzen US-Amerikaner. Ihnen waren (und sind, wenn auch weniger als früher, zum Teil noch heute) wesentliche Rollenmodelle der weißen Mehrheitsgesellschaft verschlossen. Versuchten früher beispielsweise Angehörige der sehr kleinen schwarzen Mittelschicht (außerhalb der Südstaaten) in Kleidung, Umgangsformen, Religion und Sprache möglichst genau weiße Muster nachzuahmen, so mussten sie, egal wie gut ihnen das gelang, immer wieder erfahren, dass sie, gleich welche Anstrengungen sie unternahmen, für die allermeisten Weißen dennoch „Nigger“ waren und blieben, das heißt Personen, die grundsätzlich und ohne, dass sie daran etwas ändern konnten, als minderwertig galten. Besonders krass drückte sich dies im Phänomen des „passing“ aus – „passing“ bedeutet „als weiß durchgehen“ –, zeigte sich daran doch: Ganz gleich, wie „weiß“ man aussah – wurde man erst einmal als Schwarzer identifiziert, war es mit der Gleichheit vorbei. In der Praxis bedeutete dies: Menschen, die so hellhäutig waren, um als weiß durchgehen zu können, mussten sich ein für alle Mal entscheiden – Entweder sie brachen jeden Kontakt zu Familie, Freunden, Herkunftsort ab und lebten anderswo inkognito als „Weiße“, oder sie lebten in ständiger Gefahr, „entlarvt“ zu werden.
Aus diesem ganz und gar irrsinnigen und auf Dauer unerträglichen Zustand heraus entstand eine Reihe von Identitätsentwürfen, welche Bestandteile von akzeptierten Identitäten der Mehrheitsgesellschaft aufnahmen, diese dann allerdings wie fremde Melodien in eine andere Tonart transponierten, das heißt, man eignete sie sich an, indem man sie in neue Selbstentwürfe ummodelte. So wie das geglättete und gefärbte Haar weiße Frisuren nachmachte, ohne ihnen gleichzukommen, war der Zoot Suit eine ins Groteske verzerrte Version geltender Modenormen für Eleganz. Ergänzt wurde dies um die Sprache der „hepness“7, ein Slang, welcher das gängige Englisch ähnlich umschneiderte, wie der Zoot Suit den weißen Ausgehanzug.
Schwarzer Nationalismus
Nicht viel anders – wenn auch vielleicht bewusster und jedenfalls ideologischer – verfuhr der schwarze Nationalismus Marcus Garveys, dessen Organisation UNIA mit ihren Paraden und Uniformen die bekannten Muster anderer Nationalismen aufnahm und versuchte, diese in ein afroamerikanisches Gewand zu kleiden. Dies gilt auch für die Lehren der Nation of Islam von einer Menschenrasse, die ursprünglich schwarze Haut hatte, von der dann aber ein Teil durch eine Art gefallenen Engel, einen Mr. Yacub, in Weiße umgezüchtet wurde („blonde, blasse, blauäugige Teufel“), welche sich in der Folge durch vielerlei Schliche zu Weltherrschern aufwarfen. Auch diese Religion, die an sich ja nicht abstruser ist als die Lehre von der jungfräulichen Geburt und der Wiederauferstehung – auch diese Lehre ist eine phantasievolle Travestie der Glaubensvorstellungen der Mehrheitsgesellschaft, mit dem Ziel, schwarzen Amerikanern einen Glauben und damit eine Identität zu geben, auf die sie stolz sein können.
„Der schwarze Nationalismus in den USA kann nicht einfach mit anderen Nationalismen, sei es der US-amerikanische, sei es der deutsche, gleichgesetzt werden.“
Die Autobiografie von Malcolm X endet mit einer vierten Version, seiner letzten Vision für eine schwarze, afroamerikanische Identität. Nach seinem Bruch mit Elijah Muhammed und der Nation of Islam im Jahr 1963 ging Malcolm als Pilger nach Mekka, konvertierte zum eigentlichen Islam und bereiste auch mehrere der erst seit kurzem unabhängigen Staaten Afrikas. Auf der Pilgerfahrt erlebte er, dass Moslems sich auf der Hadsch gleichberechtigt begegneten (was durch die einheitlichen Gewänder, welche die Pilger tragen, betont wird), und zwar ganz unabhängig davon, woher sie stammen, welche Hautfarbe sie haben oder welcher Ethnie sie angehören. In Afrika wiederum sah er Menschen – Menschen, deren Haut in Westafrika dunkler war als seine, während andererseits Algerier in seinen Augen Weiße zu sein schienen –, Menschen allesamt, die versuchten, sich in ihren neuen Staaten eine Zukunft aufzubauen, und die dabei ein ganz neues Selbstbewusstsein an den Tag legten, nämlich eines, das mehr als ein Abglanz der weißen, westlichen Welt war. Zusammengenommen brachte ihn all dies dazu, seine Interessen und Ziele weiter zu fassen.
Der gravierendste Fehler schwarzer amerikanischer Organisationen und ihrer Anführer ist, dass sie es versäumt haben, eine unmittelbare, brüderliche Kommunikation zwischen den unabhängigen Staaten Afrikas und dem Volk der amerikanischen Schwarzen herzustellen. Hinzu kam Malcolms Einsicht, sein gesamtes Leben sei keine Konstante, das heißt, es habe keinen Kern, den es nur zu entdecken gelte, vielmehr sei sein Leben „eine Chronologie der – Veränderungen“. Anders gesagt, in den Worten von Ernst Bloch: „Ich bin. Aber ich habe mich nicht. Darum werden wir erst.“
Der schwarze Nationalismus in den USA, Garvey’scher oder anderer Prägung, kann nicht einfach mit anderen Nationalismen, sei es der US-amerikanische, sei es der deutsche, gleichgesetzt werden, war er doch weder Ausdruck der behaupteten Überlegenheit einer bestehenden Nation, noch der einer erst noch zu gründenden Nation und deshalb – trotz Garveys „Zurück nach Afrika“-Rhetorik – auch nicht mit dem Zionismus vergleichbar, der einigermaßen glaubhaft und letztlich mit Erfolg die Rückkehr in eine alte Heimat, zu alter Selbständigkeit forderte. Afrika ist nie eine Nation gewesen und Garveys Afrika vor allem ein abstraktes Ideal von einer anderen, von einer besseren Existenz. Dass man dies nicht unbedingt in der propagierten Form tatsächlich auch ausleben wollte, zeigte sich daran, dass nur sehr wenige Anhänger Garveys nach Afrika gehen wollten, noch weniger dorthin gelangten, und dass jene, die es taten, in Liberia eine ausgeprägt US-amerikanische Identität entwickelten.
„Beim schwarzen Nationalismus in den USA ging es darum, eine positive Vision für schwarze Menschen in den USA zu finden.“
Beim schwarzen Nationalismus in den USA ging es in erster Linie darum, eine positive Vision für schwarze Menschen in den USA zu finden, eine Vision jenseits der höllischen Realität des Lebens in der weißen Mehrheitsgesellschaft – eine Vision, welche die schwarze US-Bevölkerung in Stolz zusammenbringen, und sie, so vereint, zu einer Kraft im Kampf um ihre politischen und wirtschaftlichen Rechte machen konnte. Auf dem Weg dorthin aber war der schwarze Nationalismus nur eine Wegmarke und nicht der Entwurf einer fixen Identität.
„Viele afro-amerikanische Nationalisten kultivieren eine Lebensform, in der jeder Kontakt zu Weißen auf ein Mindestmaß reduziert wird. Viele andere von ihnen leben in einer geistigen Welt, die von den Lehren des Islams geprägt ist oder von der Geschichte vergangener oder heutiger Ruhmestaten Afrikas oder vom Entwurf einer kommenden Rückkehr nach Afrika. Der alte garveyistische Traum des ‚Zurück nach Afrika‘ lebt auch noch bei vielen der neuen afro-amerikanischen Nationalisten, jedoch nicht in dem engen Sinne, wie er sich in Garveys Programm findet. Heute geht es dabei nur um eine geistige Rückkehr, und es ist ein weiterer Aspekt der anti-amerikanischen Gemütslage und seiner modernen Form von Entfremdung. Bei dieser Gemütslage eines ‚Zurück nach Afrika‘ handelt es sich um eine Liebesfantasie im Geiste, um Balsam für die Psyche, welcher dem schwarzen Selbstbewusstsein Mut macht.“8
In den 1950er- und 1960er-Jahren sah es durch die Bürgerrechtsbewegung so aus, als würde sich die Lage der schwarzen Amerikaner zwar langsam aber doch deutlich verbessern, was sich dann durch das Bürgerrechtsgesetz (1964) und das Wahlrechtsgesetz (1965) auch zu bestätigen schien. Bei dieser Vorwärtsbewegung blieb es jedoch nicht. Zwar stellten die genannten Gesetze in der Tat einen wichtigen Fortschritt dar – und das vor allem für den Süden des Landes, wo die Missstände am krassesten waren. Es entstand zu dieser Zeit jedoch eine militantere Protestbewegung, zu der auch Malcolm X zu rechnen ist, und zwar in den Städten außerhalb der Südstaaten. Das war kein Zufall, denn die neuen Gesetze änderten dort, was Bildung, Wohnsituation, Arbeit und Einkommen der schwarzen Bevölkerung anging, nur wenig (und noch heute sind die ehemals offiziell segregierten Wohn- und Schulbezirke im Norden der USA fast unverändert vorhanden).9 Die Ermordung von Martin Luther King im Jahr 1968 war nur der Paukenschlag, der den offensichtlichen Endpunkt der Fortschritte anzeigte, denn schon seit Mitte der 1960er-Jahre war es vor allem im Norden und in Kalifornien zu immer gewalttätigeren Ausschreitungen gekommen, und hier zeigten sich Widersprüche, welche die neuen Gesetze nicht lösen konnten.
„Von der schwarzen Bürgerrechtsbewegung blieben kulturelle Formen einer neuen schwarzen Identität.“
„Zu dem Zeitpunkt, als das Leben von [Martin Luther King] ausgelöscht wurde, hatte er bereits nur noch wenig Einfluss auf die jungen Schwarzen in den Ghettos im Norden. […] Zu Kings Lebzeiten verkörperte er die Chance für einen Kampf mit einer Lösung – und zwar jenseits der Rassen. Er ging [1968] nach Memphis, um dort einen Streik der schwarzen Müllmänner zu unterstützen – eine Form der Klassen- wie auch der Rassensolidarität. […] So lange er lebte, war King das Gegenbild zum Separatismus; Kings Tod hingegen machte diesen zum Prinzip. James Baldwin hatte bereits zuvor10 rhetorisch die Frage gestellt: ‚Will ich wirklich in ein Haus integriert werden, das brennt?‘“11
Die brennenden Ghettos von Watts, Newark, Detroit und vielen anderen Städten; die brutale Bekämpfung der Black Panther und weiterer militanter Gruppen durch J. Edgar Hoovers FBI (Cointelpro); schließlich die Verödung vieler Innenstädte, Drogen und Gewalt – so verlief Ende der 1960er und Anfang der 1970er das Ende der Bürgerrechtsbewegung. Was blieb, waren kulturelle Formen einer neuen schwarzen Identität: Black is beautiful – Frisuren und Kleider (Afro und Dashiki) – Feste (Kwanzaa, das afroamerikanische Weihnachten) – und Kunstformen wie der Funk oder der Afrofuturismus.