13.10.2023

Nein, die Hamas kämpft nicht gegen „Apartheid“

Von Norman Lewis

Wer das Pogrom in Israel mit den Befreiungskämpfen in Südafrika vergleicht, sollte sich schämen. Der Unterschied zwischen freiheitlich-demokratischem Idealismus und Barbarei könnte größer kaum sein.

Gerade als man dachte, dass Teile der Linken in ihrer Reaktion auf den brutalen Angriff der Hamas in Israel nicht noch tiefer sinken könnten, kommt Yanis Varoufakis daher. In einem bemerkenswerten Interview versuchte der ehemalige griechische Finanzminister und Gründer von DiEM25 diese Woche, das Abschlachten hunderter israelischer Zivilisten als unvermeidliches Ergebnis der Unterdrückung der Palästinenser durch Israel darzustellen.

Er behauptete, dass Israel den Palästinensern seit langem ein „Apartheid"-Regime nach südafrikanischem Vorbild auferlegt hat. Die Hamas sei gezwungen gewesen, zu den Waffen zu greifen, um die Unterdrücker zu stürzen, so wie es Umkhonto we Sizwe (Speer der Nation), der ehemalige bewaffnete Flügel des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC), in Südafrika tun musste. Er räumte zwar ein, dass am Samstag viele unschuldige Menschen getötet wurden, argumentierte aber, dass die Linke den ANC nicht verurteilt habe, als er sich gegen die südafrikanische Apartheid wehrte, und dass sie auch die Hamas nicht verurteilen sollte, weil sie sich gegen die israelische „Apartheid" wehrt.

Dies ist eine groteske Verzerrung der Ereignisse der Vergangenheit und der Gegenwart. Sie verfälscht die Wahrheit über den südafrikanischen Kampf gegen die Apartheid. Und sie verzerrt die Wahrheit über die Hamas, indem sie sie als nationale Befreiungsbewegung darstellt.

Die Umkhonto we Sizwe des ANC wurde 1961 unter Nelson Mandela gegründet. Es handelte sich um eine politische Initiative, die das Apartheidregime an den Verhandlungstisch bringen sollte, und nicht um einen ernsthaften Versuch, es mit Gewalt zu stürzen. Die rücksichtslose Unnachgiebigkeit des Apartheidregimes hatte die gemäßigten Führer des ANC aus der schwarzen Mittelklasse dazu gezwungen, sich widerwillig zu bewaffnen.

Das Massaker von Sharpeville am 21. März 1960 war der Wendepunkt. Südafrikanische Sicherheitskräfte schossen rücksichtslos auf Schwarze, die friedlich gegen die Einführung der berüchtigten „Passgesetze" (ein rassendiskriminierendes System interner Pässe) protestierten. Dabei wurden 69 Menschen getötet und 180 verletzt. Nach Sharpeville forderten die schwarzen Massen mehr als den passiven Widerstand, den der ANC seit den 1950er Jahren propagiert hatte. Und so gründete der ANC Umkhonto we Sizwe. In vielerlei Hinsicht handelte es sich dabei eher um eine Propagandaübung, die die schwarzen Massen beschwichtigen sollte, als um einen ernsthaften Versuch, die Apartheid zu stürzen.

„Die Hamas ist keine nationale Befreiungsbewegung, die versucht, Palästina zu befreien. Sie ist ein antisemitischer Todeskult, der auf der Suche nach einer islamischen Weltordnung alle Juden vernichten will.“

Die Gewaltanwendung des ANC, insbesondere nach Sharpeville, war zweifellos gerechtfertigt. Der Bombenanschlag auf ein Umspannwerk am 16. Dezember 1961 und ähnliche Aktionen erschütterten das Regime. Das Ergebnis waren jedoch keine Verhandlungen, wie sie sich der ANC erhofft hatte, sondern eine weitere rücksichtslose Unterdrückung. Im Juli 1963 wurde die gesamte ANC-Führung, wie im Jahr zuvor Mandela, verhaftet. Sie wurden anschließend 221 Sabotage-Handlungen zwecks „Anstachelung zu einer gewaltsamen Revolution" für schuldig befunden und erhielten lebenslange Haftstrafen.

Es ist wichtig zu betonen, dass die schwarzen Massen ihren oberflächlichen bewaffneten Kampf immer als Teil eines umfassenderen politischen Kampfes für Freiheit und Gleichheit sahen. Es ging nie um Gewalt um der Gewalt willen. Ja, einige politische Bewegungen, die von der Mäßigung des ANC frustriert waren, wie der Pan Africanist Congress und später die Black Consciousness Movement, versuchten, einen Rassenkrieg gegen ihre weißen Unterdrücker zu propagieren. Aber dieser Ansatz konnte sich bei der schwarzen Mehrheit Südafrikas nie durchsetzen.

Beim oft brutalen Kampf der schwarzen Massen gegen die Apartheid, der Tausende von Menschenleben kostete, ging es nie um Gewalt als Selbstzweck. Es ging um das Streben nach den politischen Idealen von Demokratie und Freiheit.

Der Gegensatz zwischen dem Kampf gegen die Apartheid und dem Krieg der Hamas gegen Israel könnte kaum krasser sein. An diesem Wochenende verübte die Hamas ein Pogrom gegen jüdische Zivilisten. Wie Daniel Ben-Ami hervorhebt, ist die Hamas keine nationale Befreiungsbewegung, die versucht, Palästina zu befreien. Sie ist ein antisemitischer Todeskult, der auf der Suche nach einer islamischen Weltordnung alle Juden vernichten will. Die Hamas hat nicht ein einziges Fünkchen demokratischen Idealismus in sich.

„Es ist einfach unglaublich, die Opfer und den Mut der schwarzen südafrikanischen Massen in ihrem Kampf gegen das Apartheidregime mit der Feigheit und Grausamkeit der Hamas zu vergleichen.“

Indem sie die Hamas mit Umkhonto gleichsetzen, verunglimpfen Yanis Varoufakis und seine Mitstreiter nicht nur arrogant die Opfer, die die schwarzen Massen Südafrikas gebracht haben. Sie halten auch eine schädliche Unwahrheit über Israel aufrecht, die dazu beiträgt, den jüdischen Staat weltweit zu isolieren – nämlich, dass Israel ein Apartheidstaat sei. Dass es so ist, wie Südafrika früher war.

Das ist einfach unwahr. Araber in Israel können an Wahlen teilnehmen und arabische Parteien sitzen im Parlament. Es gibt arabische Richter am Obersten Gerichtshof und arabische Ärzte im Gesundheitsdienst. Eine ähnliche Gleichberechtigung für Schwarze wäre im Apartheid-Südafrika undenkbar gewesen.

Ja, Araber werden in den Bereichen Arbeit, Bildung und Wohnen diskriminiert. Und die Verletzung der Menschenrechte durch den israelischen Staat sollte verurteilt werden. Es gibt Anlass zu einer ernsthaften Debatte über die problematische Politik Israels gegenüber den Palästinensern. Aber der Vergleich mit dem südafrikanischen Apartheidsystem ist grotesk.

Darüber hinaus ist es einfach unglaublich, die Opfer und den Mut der schwarzen südafrikanischen Massen in ihrem Kampf gegen das Apartheidregime mit der Feigheit und Grausamkeit der Hamas zu vergleichen, die wehrlose jüdische Zivilisten – einschließlich Kinder und ältere Menschen – abschlachtet. Was Varoufakis und andere derzeit verteidigen, ist schlicht und einfach Barbarei.

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