07.11.2014

Mit Google-Armband gegen Krebs

Kommentar von Thilo Spahl

Auch im Kampf gegen Krebs können sich nanotechnologische Innovationen bewähren. Dass Google dabei viel Geld in die Hand nimmt, ist zu begrüßen. Ob zu diesem Zweck aber Armbänder zum Einsatz und Gesundheitsobsessionen zum Tragen kommen müssen, wagt Thilo Spahl zu bezweifeln

In der letzten Woche hat Google sein Bekenntnis bekräftigt, zur Erhaltung unserer aller Gesundheit beitragen zu wollen. Am 28. Oktober hat das Unternehmen die App Google Fit auf den Markt gebracht, die offenbar dazu dient, zu protokollieren und auszuwerten, wieviel ihr Nutzer geht, rennt oder radelt, was er wiegt und dergleichen. Eine eher profane Angelegenheit, die sich in die Riege jener Produkte einreiht, die darauf zielen, die Körper- und Gesundheitsfixierung ihrer Nutzer zu verfestigen.

Ebenfalls am 28. Oktober hat Andrew Conrad, der Chef von „Google X Life Sciences“ – so heißt die Gesundheitsabteilung der Firma – eine deutlich größere Nummer verkündet: den Kampf gegen den Krebs. [1] Den stellt sich Conrad folgendermaßen vor: Man schluckt täglich eine Tablette voller Nanopartikel, die dafür ausgerüstet sind, bestimmte Krankheitsmarker zu erkennen. Sie zirkulieren im Körper, und wenn Sie an einem Armband vorbeikommen, melden sie dem darin integrierten Rechner, was sie so alles entdeckt haben, zum Beispiel eben Krebszellen.

Das ist zunächst mal eine schöne Vision. Für sie spricht, dass sie das Potenzial der Nanotechnologie würdigt und prinzipiell nicht komplett abwegig ist. In der Tat kann man solche Nanopartikel herstellen und an deren Oberfläche Moleküle anbringen, die es ihnen erlauben, bestimmte Strukturen zu erkennen, indem sie an sie binden. Für sie spricht auch, dass die Früherkennung von Krebs eine immens wichtige Aufgabe ist. Früherkennung wird es uns mittelfristig ermöglichen, Krebserkrankungen in ihren Anfangsphasen zu entdecken und den Krebs mit überschaubaren und sehr nebenwirkungsarmen Methoden effektiv zu bekämpfen, so dass die Krankheit nicht manifest wird und somit in vielen Fällen auch nicht mehr zu Leiden und Tod führt.

„Wir sollten die Obsession mit der eigenen Gesundheit überwinden und auf entsprechende Armbändchen verzichten.“

Dennoch scheint mir Google X auf dem Holzweg. Gegen Conrads Herangehensweise spricht vor allem, dass sie sich zu sehr an Google Fit orientiert. Muss es wirklich ein Armband sein? Macht es wirklich Sinn, dass wir alle täglich zuhause mittels Smartphone den Krebs in uns suchen? Nein, hier ist weder Do-it-yourself noch Real-Time-Überwachung angebracht. Wozu kontinuierlich messen? Es mag sein, dass das Intervall von 10 Jahren zwischen zwei Darmspiegelungen etwas lang ist. Aber es ist auch nicht so, dass eine womöglich entstehende Krebserkrankung sekündlich oder auch nur monatlich überwacht werden muss. Einmal im Jahr einen Tropfen Blut oder ein bisschen Urin auf alle nennenswerten Krankheiten zu screenen, sollte in der Regel vollkommen genügen. Dann darf das Diagnosegerät auch ein bisschen größer sein als ein Armband oder Smartphone.

Klein und hoffentlich auch billig und damit weithin verfügbar wird es dank der rapide wachsenden Möglichkeiten der Nanotechnologie, Mikrofluidik und Lasertechnologie möglichst auch sein. Tausende von Forschern beschäftigen sich mit diesen Themen. Google muss es also keineswegs alleine schaffen. Insbesondere Nanopartikel, die Krebs aufspüren, gibt es schon eine ganze Reihe. Die meisten sind jedoch so konzipiert, dass sie in den Körper geschickt werden, um den Krebs nicht nur zu finden, sondern auch gleich zu zerstören. Man spricht von nanotheranostischen Ansätzen. [2]

Die Kombination aus verlässlicher Früherkennung einmal im Jahr und der Verfügbarkeit effektiver Therapien sollte uns genau das Gegenteil dessen ermöglichen, was Google offenbar vorschwebt. Sie wird uns helfen, die etwas überhandgenommene Obsession mit der eigenen Gesundheit zu überwinden und nicht nur auf zukünftige Krebsfrüherkennungsarmbänder sondern auch auf die Fitnessarmbändchen zu verzichten. Stattdessen leben wir dann unbeschwert vor uns hin, geben einmal im Jahr eine kleine Probe ins Labor, um alles Ernste zu checken, und gehen wegen der kleineren Übel wie in den guten alten Zeiten dann zum Arzt, wenn wir uns krank fühlen.

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