14.06.2013

Mit dem Rauchen aufhören oder sterben

Kommentar von Rob Lyons

Die Europäische Kommission will risikoarme Alternativen zur traditionellen Zigarette praktisch verbieten. Beschränkungen für die E-Zigarette oder Snus verschenken Potentiale zur Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung. Damit geht die EU letztlich über Leichen.

Die Europäische Kommission hat im Dezember 2012 neue Vorschläge zur Novellierung der Tabakprodukt-Richtlinie (TPR) von 2001 vorgelegt, die „wesentliche wissenschaftliche, marktbezogene und internationale Entwicklungen“ berücksichtigen sollen. Aber die Vorschläge verbessern die Gesundheitssituation in Europa keineswegs, sondern führen potentiell zum vorzeitigen Tod tausender oder gar von Millionen von Menschen.

In einer Pressemitteilung zur Novellierung erklärte der EU-Kommissar für Gesundheit und Verbraucherschutz, Tonio Borg: „Da 70 Prozent der Raucher in einem Alter von unter 18 Jahren anfangen, soll diese Vorlage die Tabakprodukte und das Rauchen weniger attraktiv machen, um junge Menschen vom Tabak-Einstieg abzuhalten“. So empfiehlt die novellierte Richtlinie dann bereits allseits bekannte Maßnahmen zur Tabakbekämpfung, wie etwa größere Warnhinweise, die zwar kaum einen Raucher zum Aufhören bewegen werden, dafür aber umso attraktiver für junge Leute sind, die ein Symbol für ihre „Rebellion“ suchen.

Auch Tabakprodukte mit „charakteristischen Aromen“ sollen verboten werden. Damit wäre dann das Ende der Mentholzigarette allein schon deswegen besiegelt, weil man unhinterfragt annimmt, Aromatisierungen würden den Jugendlichen den Einstieg zum Rauchen erleichtern. Dabei sind aromatisierte Zigaretten tatsächlich gar nicht sonderlich populär. Selbst das Menthol kommt als weitaus populärstes der Aromen nur auf einen Marktanteil von gerade mal fünf Prozent bei den Zigaretten. [1]

„Der vor allem in Schweden verbreitete Snus bietet einen erheblich sichereren Nikotin-Kick.“

Deutlich verbreiteter sind solche Aromatisierungen jedoch bei rauchlosen Tabakprodukten wie Snus (dieser Oraltabak wird meist in kleinen, teebeutelartigen Säckchen hinter der Lippe platziert). Der vor allem in Schweden verbreitete Snus ist zwar nicht völlig risikolos, bietet aber einen gegenüber Zigaretten erheblich sichereren Nikotin-Kick. Entsprechend hat Schweden die bei weitem niedrigsten Lungenkrebsraten Europas, was sich aus dem niedrigen Raucheranteil von nur 12 Prozent – gegenüber 21 Prozent in Großbritannien – erklärt. [2] Durch das Verbot der Aromatisierung, die bei zwei Dritteln aller Snus-Produkte verwendet wird, würde Snus jedoch deutlich weniger attraktiv, mit der Folge, dass weniger Anlass bestünde, Snus den Zigaretten vorzuziehen. Im Rest der EU ist das allerdings nur eine rein akademische Frage, denn mit Ausnahme Schwedens ist Snus bereits überall verboten. Das Aromatisierungsverbot wird den Snus-Markt potentiell lahmlegen und gilt in Schweden daher als Versuch, Snus durch die Hintertür auch dort loszuwerden.

Schlimmer noch ist es bei den Neuzugängen im Nikotinbereich, den E-Zigaretten. Diese enthalten keinerlei Tabak. Stattdessen ist Nikotin in einer Flüssigkeit gelöst (Liquid), meist einem alkoholähnlichen Lösungsmittel namens Propylenglykol, welches als ungefährlich gilt. In kleinen Mengen ist es in vielen Nahrungsmitteln enthalten, und es wird auch in Nebelmaschinen verwendet. Beim Ziehen an der E-Zigarette wird eine kleine Menge dieser Flüssigkeit durch Erhitzen verdampft und eingeatmet. Anstelle des Rauchs einer normalen Zigarette, die kleine Mengen der verschiedensten krebserregenden Substanzen enthält, inhaliert man beim Paffen einer E-Zigarette lediglich Nikotin und harmlosen Wasserdampf. Weitere Vorteile: keine Ascherückstände und kein besorgniserregender „Passivrauch“.

„Statt diese für die Gesundheit von Millionen Menschen potentiell günstige Errungenschaft zu fördern, will die EU die E-Zigarette offenbar unbedingt verbieten.“

Man kann davon ausgehen, dass E-Zigaretten erheblich ungefährlicher sind als Tabakzigaretten. Das Nikotin selbst ist nämlich nicht krebserregend. Daher wurden E-Zigaretten in den letzten Jahren immer beliebter. Dem britischen E-Zigaretten-Verbraucherverband (ECCA-UK) zufolge besitzen über 700.000 Briten eigene E-Zigaretten – Tendenz rasch steigend. Aber statt diese für die Gesundheit von Millionen Menschen potentiell günstige Errungenschaft zu fördern, will die EU die E-Zigarette offenbar unbedingt verbieten.
Eine detaillierte Dekonstruktion [3] der Richtlinien-Novellierung liefert Clive Bates, ehemaliger Geschäftsführer der britischen Antirauchergruppe ASH (Action on Smoking and Health). Bates ist zwar kein Rauchbefürworter, aber er weiß, dass viele Menschen einfach gerne rauchen, trotz aller Versuche, es ihnen auszureden. Und daher sollte man die durch diese Gewohnheit bedingten Schädigungen seiner Ansicht nach möglichst stark reduzieren.

Für die EU stellt sich derzeit die Frage, ob sie die E-Zigarette als medizinisches Produkt – analog zum Nikotinkaugummi oder -pflaster – oder als Tabakprodukt regulieren soll. Aber laut Bates sind beide Kategorien nicht sonderlich sinnvoll. Die E-Zigarette wird nicht als Mittel zur Nikotinentwöhnung beworben, auch wenn manche sie eindeutig zu diesem Zweck nutzen, sondern als Alternative zum Rauchen, die „das Verlangen nach der Droge Nikotin stillt, das selbst ja nicht sonderlich schädlich ist“, so Bates. Daher sollte man hier auch nicht das langwierige Zulassungsverfahren für medizinische Produkte verordnen. Sie ist aber auch kein Tabakprodukt, selbst wenn das enthaltene Nikotin vielleicht aus der Tabakpflanze stammt. Bates schreibt: „Wir würden auch einen Energy-Drink nicht als Kaffee-Produkt bezeichnen, nur weil er reines Koffein enthält, das aus Kaffee extrahiert worden ist. Daher sollte man die E-Zigarette am besten als ‚Nikotin-Produkt‘ regulieren“.
Laut Bates sollten E-Zigaretten zwar Regulierungen unterliegen, aber eben genau wie alle anderen Konsumartikel. „Es mag da einen Rahmen für die Festlegung konkreter Standards geben, etwa für Liquids, und die Mitgliedsstaaten könnten dann die angemessenen Bestimmungen für deren Durchsetzung entwickeln. Der Rahmen der auf europäischer Ebene entwickelten Regulierung sollte vor allem die Verbraucherschutzgesetzgebung sein.“

„Der moralisierende Puritanismus verurteilt alle stimmungsverändernden Substanzen, und zwar vor allem dann, wenn sie wie Nikotin zur Gewohnheit werden können.“

Bei den fehlgeleiteten Regulierungsunterfangen geht es demgegenüber vor allem darum, die E-Zigarette zu verbieten oder sie erheblichen Beschränkungen zu unterwerfen. Zwar vertreten einige Anti-Tabak-Aktivisten eine ähnliche Haltung wie Bates, aber andere verfolgen einen lediglich pseudowissenschaftlich zu legitimierenden Präventionsansatz. Dahinter steckt letztlich ein moralisierender Puritanismus, der alle stimmungsverändernden Substanzen pauschal verurteilen will, und zwar vor allem dann, wenn sie wie Nikotin zur Gewohnheit werden können. Man hört etwa die fragwürdige Behauptung, die E-Zigarette sei der „Einstieg“ zum Tabakkonsum. Belege für diese Behauptung gibt es allerdings keine. Tatsächlich spricht vielmehr alles dagegen: Viele Raucher wollen über die E-Zigarette von den Tabakzigaretten wegkommen. Wenn man den Menschen diese Möglichkeit nimmt, ist das etwa so, als verrammle man die Brandschutztüren für den unwahrscheinlichen Fall, dass dort jemand einzubrechen versucht. [4]

Im Zusammenhang mit dem tiefsitzenden Hass der Anti-Tabak-Lobby auf die großen Tabakkonzerne, die sich bereits vorsichtig an den E-Zigaretten-Markt herantasten, ergibt sich dann ein starkes Motiv für eine irrationale Gesetzgebung, die letztlich mehr schadet als nützt. [5]

Das mit der E-Zigarette verbundene Raucherlebnis ist mit dem der traditionellen Zigarette fast identisch und reduziert zugleich die Wahrscheinlichkeit einer Schädigung auf ein Prozent oder weniger. [6] Werden E-Zigaretten verboten, qualmt ein erheblicher Anteil der Bevölkerung auch künftig traditionelle Kippen und setzt sich damit weiterhin den mit regelmäßigem Rauchen bekanntlich verbundenen Schädigungen aus.

Wäre die Gesundheit wirklich das vorrangige Ziel der EU-Kommission, dann hätte sie die Schadensbegrenzung zum Kern der Richtlinien-Novellierung gemacht. Das Snus-Verbot außerhalb Schwedens hätte abgeschafft werden können. Wenn man die Entwicklung des E-Zigaretten-Marktes zulassen würde, dann würden traditionelle Zigaretten vielleicht zunehmend unmodern. Denn auch die Raucher selbst stehen ja nicht sonderlich auf stinkende Klamotten und herumliegende Zigarettenkippen. Die EU verschenkt eine fantastische Chance zur Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung und setzt stattdessen – wie bereits beim prohibitionistischen Ansatz bezüglich Snus – rigoros auf einen schlicht tödlichen Ansatz: das Rauchen abgewöhnen oder sterben.

Die moralischen Kreuzritter der Anti-Tabak-Lobby konnten den Menschen ihre schlechten Angewohnheiten zwar nicht ausreden, aber jetzt konstruieren sie sich ihren Konsens klammheimlich in den Brüsseler Hinterzimmern der Macht, ungestört von den Wählern. Im Kampf um die Tabakproduktrichtlinie zeigen sich nicht nur die autoritären Impulse vieler Aktivisten und Mediziner, sondern auch das antidemokratische Wesen der EU selbst.

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